Verkaufen oder nicht?
Verfasst: Do 12. Mai 2016, 10:46
Plot:
Eine Teenagerin (Laura) hat ein Paar Lieblingsschuhe - graue Nike Cortez in Gr. 35.
Aus den Schuhen ist sie eigentlich schon ein paar Monate herausgewachsen, zieht sie aber immer noch gerne an.
Dazu hat sie die Schuhe schon sehr weit gebunden.
Eines Tages bemerkt ihre Mutter (Susanne), wie ihre Tochter sich in die Schuhe zwängt.
Nachdem sie in den Schuhen ist, haut sie mit den Hacken gegen den jeweils anderen Fuß um mit der Ferse möglichst weit nach hinten im Schuh zu kommen. Ein deutliches Zeichen, dass ihr die Schuhe zu eng sind.
Ihre Mutter fragt sie, ob Ihr die Schuhe denn nicht schon zu eng sind. Laura bejaht zögerlich die Frage. Sie fügt sofort noch hinzu, dass es aber ihre Lieblingsschuhe sind.
Die Mutter reagiert verständnisvoll - sie stimmt zu, dass Laura die Schuhe immer sehr gerne getragen hat und dass es auch sehr hübsche Schuhe seien. Mit Engelszungen versucht sie Laura beizubringen, dass sie aber ihre Füße kaputt macht, wenn sie zu enge Schuhe trägt. Und das seien auch die tollsten Lieblingsschuhe doch nicht wert.
Zum Glück hat Laura erst vor wenigen Wochen neue Air Max bekommen, die die Mutter nun ins Spiel bringt. Die seien doch passend und, wenn sie erst mal so oft getragen sind wie die Cortez, doch bestimmt auch so toll. Laura stimmt sehr, sehr zögerlich zu, dass ihre Cortez ausgemustert werden. Sie besteht aber darauf, dass sie keinesfalls in den Müll kommen. Die Mutter beschwichtigt: Lauras jüngerer Bruder kann die Cortez ja noch tragen. Laura willigt ein. Die Mutter bedankt sich für Lauras Verständnis und stellt die Cortez auf den Schuhschrank oben drauf um zu signalisieren, dass sich Laura keine Sorgen um ihre Schuhe machen muss.
Am Abend fragt die Mutter Lauras Bruder, ob er die Cortez tragen möchte.
Laura sitzt im Wohnzimmer und spitzt die Ohren, als sie die Unterhaltung bemerkt.
Ihr Bruder weist das Angebot aber entschieden zurück:
"Pah, ich zieh' doch nicht so Weiberschlappen an."
Die Mutter versucht es nochmal:
"Du, ich hab' schon viele Jungen mit solchen Schuhen gesehen. Du könntest ja zum Beispiel auch andere Schnürsenkel reinmachen."
-"'n Scheiß! Die lachen mich in der Schule doch aus, wenn ich mit Lauras Schuhen ankomme."
Die Mutter ist ein wenig enttäuscht, kann die Vorbehalte ihres Sohnes aber verstehen.
Jetzt erst sieht die Mutter, dass Laura das Gespräch mitverfolgt hat.
Laura blickt ihre Mutter an als wollte sie sagen: "Untersteh' Dich was falsches zu machen!"
Da fiel ihrer Mutter etwas ein:
"Du, Onkel Thomas verkauft doch immer einiges bei eBay. Soll ich ihn mal fragen, ob er Deine Schuhe verkaufen kann? Dann kommen sie in gute Hände und Du kannst Dein Taschengeld aufbessern."
Diesen Vorschlag fand Laura gar nicht so verkehrt.
Prompt ruft die Mutter bei Thomas an.
"Du Thomas, Du verkaufst doch Sachen bei eBay."
-"Klar, kann ich da was für Dich tun?"
"Ja, Laura ist ein Paar Schuhe zu klein geworden. Würdest Du die eventuell für sie verkaufen?"
-"Kein Ding. So zehn bis zwanzig Euro kriegt man immer für'n Paar Schuhe. Bring' die Schuhe halt bei Gelegenheit vorbei."
Laura freute sich fast.
Tragen könnte sie ihre Lieblingsschuhe ja bald nicht mehr und so bekäme sie wenigstens noch etwas Geld dafür.
Ihre Mutter fragte sie:
"Willst Du Dich auf Dein Fahrrad schwingen und Thomas die Schuhe vorbeibringen?"
Laura überlegte.
"Nee, ich glaub' ich kann das nicht."
-"Warum nicht? Wie meinst Du das?"
"Weiß nicht. Mach' Du das bitte."
Lauras Mutter ahnte, was ihre Tochter dachte. Die alten Lieblinge wegzugeben wäre wahrscheinlich auch für sie schwierig.
"In Ordnung, Laura. Ich treff' mich heute Abend sowieso noch mit Angela.
Da fahr' ich vorher kurz bei Thomas vorbei."
-"Danke, Mama."
Später als geplant kam Lauras Mutter erst los.
Hastig schnappte sie sich noch Lauras Schuhe und eilte zum Auto. Auf dem Weg zu Angela nahm sie, wie versprochen, den Umweg zu Thomas um ihm die Schuhe vorbeizubringen. Sie bog in die Hofeinfahrt von Thomas Haus ein und stellte das Auto ab. Den Schlüssel ließ sie stecken. Es würde ja keine Minute dauern, dachte sie. Sie klingelte an der Haustür, die Thomas wenige Augenblicke später öffnete.
"Hallo Susi, komm' rein!"
-"Hi Thomas, sorry, aber ich bin in Eile."
Sie reichte ihm Lauras Schuhe.
Thomas nahm die Schuhe entgegen und musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
Susanne wollte sich fast schon wieder verabschieden, war aber von Thomas' Reaktion verwundert.
-"Ist doch ok für Dich, oder?"
Thomas sagte ernüchtert:
"Da haben wir uns vorhin wahrscheinlich mißverstanden. Ich dachte, es wären noch neuwertige Schuhe, die schnell zu klein geworden sind."
Verlegen antwortete Susanne:
-"Äh, nee, das sind Lauras Lieblinge."
Sie trat ein Stück näher.
-"Na, ja, waren ihre Lieblinge."
Thomas stellte klar:
"Sorry, aber das sieht man sehr deutlich. Die wurden echt ZU dolle getragen. Die kauft niemand mehr, die schmeißt Du besser gleich in den Müll."
-"Hm, das war gerade das, was ich vermeiden wollte, Laura hängt doch so an den Schuhen."
Thomas stieß einen grunzenden Lacher aus.
"Steffi hatte auch mal so alte Dinger von denen sie sich nicht trennen konnte. Die hab' ich damals kurzerhand in den Ofen gesteckt."
Susanne blickte Thomas verwundert an.
Dieser fügte mit Blick auf Lauras Schuhe noch an:
"Die standen frech im Weg und es waren sogar noch die Söckchen drin -- so waren die ideal zum anfeuern."
Susanne war zwar nicht ganz wohl dabei, aber in Anbetracht der knappen Zeit kam ihr ein fieser Gedanke: Wenn Thomas die Schuhe verbrennen würde, hätte sie ihr Versprechen gehalten, dass Lauras Lieblinge nicht in den Müll kommen. Sie könnte ja einfach sagen, dass Thomas sich jetzt um ihre Schuhe kümmert und Laura zehn Euro geben. So mach' ich's, dann ist's erledigt! dachte sie.
-"Darf ich Dir die Schuhe trotzdem da lassen?
Ich überlass' es Dir, was Du damit machst."
Thomas merkte Susannes Eile und sagte mit einem Augenzwinkern:
"Klar, kein Problem. Aber Du weißt schon, was ich dann mit Lauras Tretern mach'."
Susanne zwinkerte zurück:
-"Das ist ok! Hauptsache ich muss sie nicht in den Müll tun."
"Nee, das brauchst Du nicht, Susi. Die schür' ich bei Gelegenheit ein."
Susanne verabschiedete sich.
"So, aber ich muss jetzt weg. Tschüüüß."
"Tschüß, Susi."
Als Susanne sich in ihr Auto setzte hatte sie gemischte Gefühle. Aber sie war froh, die Schuhe -- und damit die Diskussion mit Laura -- los zu haben und weiter zu ihrem Termin zu kommen. Aber sie hatte auch ein wenig ein schlechtes Gewissen. Laura wollte ihre Schuhe schließlich in "gute Hände" weiterreichen. Dass Thomas die Schuhe jetzt sehr wahrscheinlich verbrennt, dürfte Laura natürlich nicht erfahren. Vielleicht sollte sie ihr lieber zwanzig Euro statt nur zehn geben, damit sie keine unangenehmen Fragen stellt...
Die Tür ließ Thomas sanft zurück ins Schloss fallen. Er schüttelte verwundert den Kopf. Lauras alte Schuhe waren ja wirklich niedlich, das musste auch er zugeben, aber sie waren einfach so abgetragen, dass sich ein Verkauf nicht mehr rechnet. Das hätte doch auch Susanne klar sein müssen.
Im Vorbeigehen warf er Lauras Turnschuhe achtlos in den Weidenkorb neben dem Kachelofen. Dort landeten sie unsanft zwischen ausgelesenen Zeitungen und Verpackungskartons. Weil das Wetter noch gut ist, bleiben die Schuhe eine Weile liegen.
Susanne sagt Laura, dass Thomas die Schuhe verkauft und gibt ihr gleich die 20 Euro. Sie sagt, dass Thomas sein Glück versucht, aber wahrscheinlich nicht so viel dafür bekommt. Für Laura ist das Thema nun erledigt.
Einige Wochen später ist Laura bei ihrer Cousine zu Besuch. Das Wetter ist in der Zwischenzeit deutlich kälter geworden und im Kachelofen brennt das Feuer. Die Mädels sitzen im Wohnzimmer. Thomas kommt irgendwann mit einem Korb voll Brennholz und stellt ihn neben dem Ofen ab.
Er witzelt: "Heute früh musste ich schon an Dich denken, Laura. Beim Anfeuern sind Deine alten Turnschuhe wieder zum Vorschein gekommen, die Deine Mama mal vorbeigebracht hat."
Laura durchzuckt es wie ein Blitz: "Meine Cortez?!?"
-"Da fragst Du mich zu viel. So kleine, graue Nike Turnschuhe. Die waren doch von Dir?."
Laura sprang von ihrem Sitz auf.
"Und wo sind die jetzt?"
Thomas blickte zu dem Korb mit dem Material zum Anfeuern.
"Die hab ich heute früh gar nicht mehr gebraucht zum Einheizen. Ich hab sie nur schon mal mit Papier ausgestopft und dann seitlich in den Korb gesteckt..."
Er sah, dass der Korb leerer war als am Morgen; die Schuhe waren nicht mehr zu sehen.
"Oh, die sind wohl doch schon weg."
Nach kurzem Nachdenken fiel ihm der Grund dazu ein:
"Aber stimmt, Ute hat gesagt, dass sie nachlegen musste. Da hat sie mit Deinen Turnschuhen wahrscheinlich erst nochmal angeheizt."
Laura schüttelte entsetzt den Kopf. Sie hatte ihrer Mutter vertraut, dass ihre Lieblingssneakers in gute Hände kommen würde. Und was war nun geschehen? Wahrscheinlich nur kurz vor ihrem Besuch bei ihrer Cousine landeten ihre geliebten Turnschuhe im Kachelofen. Mit etwas Phantasie glaubte sie auch noch den süßlichen Geruch von verbranntem Gummi zu riechen. So angesäuert wie sie war, verabschiedete sie sich bald von ihrer Cousine.
Am Abend meinte Thomas zu seiner Frau Ute:
"Du, Laura war heute zu Besuch. Sie war ganz schön angepisst, dass Du den Kachelofen mit ihren Turnschuhen gefüttert hast."
Ute stutzte: "Hä? Waren das Lauras Turnschuhe, die da im Korb lagen?"
-"Ja, Deine Schwester hatte sie mal vorbeigebracht, dass ich sie bei eBay verkaufe. Aber für den Müll hätte ich ja nix mehr bekommen. Da hab' ich sie zum Bennholz geworfen."
Ute reagierte etwas sauer: "Ja, das hab' ich heute morgen gesehen. Du hast ja auch schon mal Schuhe von den Kindern verbrannt. Weißt Du eigentlich, wie das stinkt?"
Thomas blickte ganz unschuldig.
-"Echt?"
"Ja, echt! Da musste ich immer das halbe Haus lüften. Die Turnschuhe aus dem Korb hab ich deshalb ganz sicher nicht verbrannt! Die sind dort gelandet, wo sie hingehören: In der Mülltonne."
Eine Teenagerin (Laura) hat ein Paar Lieblingsschuhe - graue Nike Cortez in Gr. 35.
Aus den Schuhen ist sie eigentlich schon ein paar Monate herausgewachsen, zieht sie aber immer noch gerne an.
Dazu hat sie die Schuhe schon sehr weit gebunden.
Eines Tages bemerkt ihre Mutter (Susanne), wie ihre Tochter sich in die Schuhe zwängt.
Nachdem sie in den Schuhen ist, haut sie mit den Hacken gegen den jeweils anderen Fuß um mit der Ferse möglichst weit nach hinten im Schuh zu kommen. Ein deutliches Zeichen, dass ihr die Schuhe zu eng sind.
Ihre Mutter fragt sie, ob Ihr die Schuhe denn nicht schon zu eng sind. Laura bejaht zögerlich die Frage. Sie fügt sofort noch hinzu, dass es aber ihre Lieblingsschuhe sind.
Die Mutter reagiert verständnisvoll - sie stimmt zu, dass Laura die Schuhe immer sehr gerne getragen hat und dass es auch sehr hübsche Schuhe seien. Mit Engelszungen versucht sie Laura beizubringen, dass sie aber ihre Füße kaputt macht, wenn sie zu enge Schuhe trägt. Und das seien auch die tollsten Lieblingsschuhe doch nicht wert.
Zum Glück hat Laura erst vor wenigen Wochen neue Air Max bekommen, die die Mutter nun ins Spiel bringt. Die seien doch passend und, wenn sie erst mal so oft getragen sind wie die Cortez, doch bestimmt auch so toll. Laura stimmt sehr, sehr zögerlich zu, dass ihre Cortez ausgemustert werden. Sie besteht aber darauf, dass sie keinesfalls in den Müll kommen. Die Mutter beschwichtigt: Lauras jüngerer Bruder kann die Cortez ja noch tragen. Laura willigt ein. Die Mutter bedankt sich für Lauras Verständnis und stellt die Cortez auf den Schuhschrank oben drauf um zu signalisieren, dass sich Laura keine Sorgen um ihre Schuhe machen muss.
Am Abend fragt die Mutter Lauras Bruder, ob er die Cortez tragen möchte.
Laura sitzt im Wohnzimmer und spitzt die Ohren, als sie die Unterhaltung bemerkt.
Ihr Bruder weist das Angebot aber entschieden zurück:
"Pah, ich zieh' doch nicht so Weiberschlappen an."
Die Mutter versucht es nochmal:
"Du, ich hab' schon viele Jungen mit solchen Schuhen gesehen. Du könntest ja zum Beispiel auch andere Schnürsenkel reinmachen."
-"'n Scheiß! Die lachen mich in der Schule doch aus, wenn ich mit Lauras Schuhen ankomme."
Die Mutter ist ein wenig enttäuscht, kann die Vorbehalte ihres Sohnes aber verstehen.
Jetzt erst sieht die Mutter, dass Laura das Gespräch mitverfolgt hat.
Laura blickt ihre Mutter an als wollte sie sagen: "Untersteh' Dich was falsches zu machen!"
Da fiel ihrer Mutter etwas ein:
"Du, Onkel Thomas verkauft doch immer einiges bei eBay. Soll ich ihn mal fragen, ob er Deine Schuhe verkaufen kann? Dann kommen sie in gute Hände und Du kannst Dein Taschengeld aufbessern."
Diesen Vorschlag fand Laura gar nicht so verkehrt.
Prompt ruft die Mutter bei Thomas an.
"Du Thomas, Du verkaufst doch Sachen bei eBay."
-"Klar, kann ich da was für Dich tun?"
"Ja, Laura ist ein Paar Schuhe zu klein geworden. Würdest Du die eventuell für sie verkaufen?"
-"Kein Ding. So zehn bis zwanzig Euro kriegt man immer für'n Paar Schuhe. Bring' die Schuhe halt bei Gelegenheit vorbei."
Laura freute sich fast.
Tragen könnte sie ihre Lieblingsschuhe ja bald nicht mehr und so bekäme sie wenigstens noch etwas Geld dafür.
Ihre Mutter fragte sie:
"Willst Du Dich auf Dein Fahrrad schwingen und Thomas die Schuhe vorbeibringen?"
Laura überlegte.
"Nee, ich glaub' ich kann das nicht."
-"Warum nicht? Wie meinst Du das?"
"Weiß nicht. Mach' Du das bitte."
Lauras Mutter ahnte, was ihre Tochter dachte. Die alten Lieblinge wegzugeben wäre wahrscheinlich auch für sie schwierig.
"In Ordnung, Laura. Ich treff' mich heute Abend sowieso noch mit Angela.
Da fahr' ich vorher kurz bei Thomas vorbei."
-"Danke, Mama."
Später als geplant kam Lauras Mutter erst los.
Hastig schnappte sie sich noch Lauras Schuhe und eilte zum Auto. Auf dem Weg zu Angela nahm sie, wie versprochen, den Umweg zu Thomas um ihm die Schuhe vorbeizubringen. Sie bog in die Hofeinfahrt von Thomas Haus ein und stellte das Auto ab. Den Schlüssel ließ sie stecken. Es würde ja keine Minute dauern, dachte sie. Sie klingelte an der Haustür, die Thomas wenige Augenblicke später öffnete.
"Hallo Susi, komm' rein!"
-"Hi Thomas, sorry, aber ich bin in Eile."
Sie reichte ihm Lauras Schuhe.
Thomas nahm die Schuhe entgegen und musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
Susanne wollte sich fast schon wieder verabschieden, war aber von Thomas' Reaktion verwundert.
-"Ist doch ok für Dich, oder?"
Thomas sagte ernüchtert:
"Da haben wir uns vorhin wahrscheinlich mißverstanden. Ich dachte, es wären noch neuwertige Schuhe, die schnell zu klein geworden sind."
Verlegen antwortete Susanne:
-"Äh, nee, das sind Lauras Lieblinge."
Sie trat ein Stück näher.
-"Na, ja, waren ihre Lieblinge."
Thomas stellte klar:
"Sorry, aber das sieht man sehr deutlich. Die wurden echt ZU dolle getragen. Die kauft niemand mehr, die schmeißt Du besser gleich in den Müll."
-"Hm, das war gerade das, was ich vermeiden wollte, Laura hängt doch so an den Schuhen."
Thomas stieß einen grunzenden Lacher aus.
"Steffi hatte auch mal so alte Dinger von denen sie sich nicht trennen konnte. Die hab' ich damals kurzerhand in den Ofen gesteckt."
Susanne blickte Thomas verwundert an.
Dieser fügte mit Blick auf Lauras Schuhe noch an:
"Die standen frech im Weg und es waren sogar noch die Söckchen drin -- so waren die ideal zum anfeuern."
Susanne war zwar nicht ganz wohl dabei, aber in Anbetracht der knappen Zeit kam ihr ein fieser Gedanke: Wenn Thomas die Schuhe verbrennen würde, hätte sie ihr Versprechen gehalten, dass Lauras Lieblinge nicht in den Müll kommen. Sie könnte ja einfach sagen, dass Thomas sich jetzt um ihre Schuhe kümmert und Laura zehn Euro geben. So mach' ich's, dann ist's erledigt! dachte sie.
-"Darf ich Dir die Schuhe trotzdem da lassen?
Ich überlass' es Dir, was Du damit machst."
Thomas merkte Susannes Eile und sagte mit einem Augenzwinkern:
"Klar, kein Problem. Aber Du weißt schon, was ich dann mit Lauras Tretern mach'."
Susanne zwinkerte zurück:
-"Das ist ok! Hauptsache ich muss sie nicht in den Müll tun."
"Nee, das brauchst Du nicht, Susi. Die schür' ich bei Gelegenheit ein."
Susanne verabschiedete sich.
"So, aber ich muss jetzt weg. Tschüüüß."
"Tschüß, Susi."
Als Susanne sich in ihr Auto setzte hatte sie gemischte Gefühle. Aber sie war froh, die Schuhe -- und damit die Diskussion mit Laura -- los zu haben und weiter zu ihrem Termin zu kommen. Aber sie hatte auch ein wenig ein schlechtes Gewissen. Laura wollte ihre Schuhe schließlich in "gute Hände" weiterreichen. Dass Thomas die Schuhe jetzt sehr wahrscheinlich verbrennt, dürfte Laura natürlich nicht erfahren. Vielleicht sollte sie ihr lieber zwanzig Euro statt nur zehn geben, damit sie keine unangenehmen Fragen stellt...
Die Tür ließ Thomas sanft zurück ins Schloss fallen. Er schüttelte verwundert den Kopf. Lauras alte Schuhe waren ja wirklich niedlich, das musste auch er zugeben, aber sie waren einfach so abgetragen, dass sich ein Verkauf nicht mehr rechnet. Das hätte doch auch Susanne klar sein müssen.
Im Vorbeigehen warf er Lauras Turnschuhe achtlos in den Weidenkorb neben dem Kachelofen. Dort landeten sie unsanft zwischen ausgelesenen Zeitungen und Verpackungskartons. Weil das Wetter noch gut ist, bleiben die Schuhe eine Weile liegen.
Susanne sagt Laura, dass Thomas die Schuhe verkauft und gibt ihr gleich die 20 Euro. Sie sagt, dass Thomas sein Glück versucht, aber wahrscheinlich nicht so viel dafür bekommt. Für Laura ist das Thema nun erledigt.
Einige Wochen später ist Laura bei ihrer Cousine zu Besuch. Das Wetter ist in der Zwischenzeit deutlich kälter geworden und im Kachelofen brennt das Feuer. Die Mädels sitzen im Wohnzimmer. Thomas kommt irgendwann mit einem Korb voll Brennholz und stellt ihn neben dem Ofen ab.
Er witzelt: "Heute früh musste ich schon an Dich denken, Laura. Beim Anfeuern sind Deine alten Turnschuhe wieder zum Vorschein gekommen, die Deine Mama mal vorbeigebracht hat."
Laura durchzuckt es wie ein Blitz: "Meine Cortez?!?"
-"Da fragst Du mich zu viel. So kleine, graue Nike Turnschuhe. Die waren doch von Dir?."
Laura sprang von ihrem Sitz auf.
"Und wo sind die jetzt?"
Thomas blickte zu dem Korb mit dem Material zum Anfeuern.
"Die hab ich heute früh gar nicht mehr gebraucht zum Einheizen. Ich hab sie nur schon mal mit Papier ausgestopft und dann seitlich in den Korb gesteckt..."
Er sah, dass der Korb leerer war als am Morgen; die Schuhe waren nicht mehr zu sehen.
"Oh, die sind wohl doch schon weg."
Nach kurzem Nachdenken fiel ihm der Grund dazu ein:
"Aber stimmt, Ute hat gesagt, dass sie nachlegen musste. Da hat sie mit Deinen Turnschuhen wahrscheinlich erst nochmal angeheizt."
Laura schüttelte entsetzt den Kopf. Sie hatte ihrer Mutter vertraut, dass ihre Lieblingssneakers in gute Hände kommen würde. Und was war nun geschehen? Wahrscheinlich nur kurz vor ihrem Besuch bei ihrer Cousine landeten ihre geliebten Turnschuhe im Kachelofen. Mit etwas Phantasie glaubte sie auch noch den süßlichen Geruch von verbranntem Gummi zu riechen. So angesäuert wie sie war, verabschiedete sie sich bald von ihrer Cousine.
Am Abend meinte Thomas zu seiner Frau Ute:
"Du, Laura war heute zu Besuch. Sie war ganz schön angepisst, dass Du den Kachelofen mit ihren Turnschuhen gefüttert hast."
Ute stutzte: "Hä? Waren das Lauras Turnschuhe, die da im Korb lagen?"
-"Ja, Deine Schwester hatte sie mal vorbeigebracht, dass ich sie bei eBay verkaufe. Aber für den Müll hätte ich ja nix mehr bekommen. Da hab' ich sie zum Bennholz geworfen."
Ute reagierte etwas sauer: "Ja, das hab' ich heute morgen gesehen. Du hast ja auch schon mal Schuhe von den Kindern verbrannt. Weißt Du eigentlich, wie das stinkt?"
Thomas blickte ganz unschuldig.
-"Echt?"
"Ja, echt! Da musste ich immer das halbe Haus lüften. Die Turnschuhe aus dem Korb hab ich deshalb ganz sicher nicht verbrannt! Die sind dort gelandet, wo sie hingehören: In der Mülltonne."