Kindheitserinnerungen
Verfasst: Fr 10. Aug 2012, 18:42
Als Kind wohnte wir Jahre lang in einem der quadratischen Hochhaustürme, die Ende der 60er, Anfang der 70er gebaut wurden, aber schon zwanzig Jahre später ziemlich ungepflegt und heruntergekommen waren. Sozialer Wohnungsbau halt, wo schon damals die wohnten, die nicht viel Geld verdienten, wo die Eltern getrennt oder arbeitslos waren. Wenigstens hatten die Häuser einen Aufzug, denn das tolle war, wir hatten unsere große Wohnung im 11. Stock mit herrlichem Ausblick. Auf jeder Etage gab‘ je vier große Eckwohnungen mit drei Zimmern und dazwischen jeweils eine kleiner, mit zwei Zimmern. Also insgesamt acht Wohnungen pro Etage. Macht bei 14 Etagen plus Erdgeschoss 120 Wohnungen pro Haus, von denen es in der Siedlung ganze fünf gab.
Allein bei uns im Haus hatte fast jede Familie ein oder mehere Kinder. Ich schätze, dass bei uns im Haus so ca. 170 Kinder lebten, davon je ein gutes Dutzend Mädchen und Jungen in meinem Alter (so plus/minus ein Jahr bzw. Klasse). Was mich damals nicht groß interessierte, waren unsere Müllcontainer. Wir hatten zwar – und da kann ich mich drann erinnern, wenn einmal die Woche die Müllabführ kam – die großen 1.100 Liter Metallcontainer auf Rollen, die allerdings in so Waschbetonboxen standen, die wiederum recht kleine Tonnendeckel hatten, so dass man auch nur den normalen Hausmüll reinwerfen konnte. Was da rein kam, war mir egal und was damit passierte auch. Da wurde auch nie groß drüber geredet.
Einen Müllschlucker auf jeder Etage wie er bei ‘ner Freundin von mir in einer Nobelhochhaussiedlung üblich war, gab’s bei uns nicht. Sie freute sich immer, dass sie den Müll da nur reinwerfen braucht, er leicht angesaugt wird und dann im Keller im Müllbunker landete. Dort – schwärmte sie – würde der Müll einmal am Tag vom Hausmeister geschreddert und anschließend zu handlichen Ballen verpresst. Ab und zu durfte sie zugucken, wenn der Hausmeister tätig wurde. Mir war das immer zu suspekt – obwohl sie mich immer überreden wollte, kam ich nie mit. Ich möchte den Hausmeister nicht, und hatte viel zu viel Angst von dem bösen Mann selber geschreddert zu werden.
Müll wegbringen war immer Aufgabe für uns Kinder und stets ein langer und weiter Weg. Brachten wir ihn nicht rechtzeitig runter oder hatten wir morgens beim zur Schule gehen den Müll vergessen, gab’s spätestens am Nachmittag Ärger von Mama und wenn wir Pech hatten, Abends auch nochmal von Papa. Da gab’s auch schon mal eine gescheuert, aber das will ich jetzt hier garnicht groß vertiefen. Immerhin, wir Kinder hassten den Müll.
In den Ferien bekamen wir manchmal mit, wenn Donnerstags die Container geleert wurden. Dann kam die Müllabführ mit 4 Mann und schoben die vielen Container über den Hof zum Müllwagen, wo alles blitzschnell drin verschwand. Besonders die Jungs waren dann immer total aus dem Häuschen und träumten anschließend vom Beruf des Müllmanns wie andere vom Lokführer oder vom Astronaut. Uns Mädels war das eigentlich immer egal, wir spielten weiter fangen während die Jungs wie gespannt zuschauten, wie der Müll verpresst wurde.
Wir hatten auch eine Hausmeisterin, und da zu der Zeit bei uns in der Gegend Altkleidersammlungen recht selten waren und Altkleidercontainer zu weit weg waren, wurde Kinderkleidung entweder im ganzen Haus durchgereicht oder landete direkt auf dem Müll. Unsere Hausmeisterin hatte selbst vier Kinder, die aber alle älter waren als ich. Und da sie sich immer lautstark darüber muckierte, wenn die Mülltonnen wieder mit „aus ihrer Sicht noch tragbarer Kinderkleidung“ vollgestopft waren, so dass nicht anderes mehr reinpasste, hatte sie eines Tages eine Idee: Sie stellte eines Tages im Eingangsbereich zwischen den Aufzügen und dem Treppenhaus einen riesengroßen Waschkorb hin, in den sie ein paar alte Kleidungsstücke von Ihren Kinder reingetan hatte.
Ein handgeschriebener Zettel war mit Tesafilm an die Wand geklebt, auf dem Stand:
„Liebe Kinder, liebe Eltern, bitte bedient Euch ruhig. Was ich brauchen könnt, nehmt, aber lasst nichts alles im ganzen Haus verteilt überall rumliegen! Jede Woche Donnerstag kommt morgens alles was noch im Korb ist, in den Müll. Wer von Euch Kleidung dazugeben möchte, herzlich gerne!“
Und schon kramten wir Kinder uns durch den Waschkorb und nahmen mit, was uns gefiel. Einer der Kellerräume stand immer leer und war offen – wir nahmen die Sachen mit runter und probierten erst mal alles an. Und da gebrauchte Klamotten für uns üblich waren nur die wenigsten bekamen damals ausschließlich neues Zeugs – war es für uns selbstverständlich, die Sachen auch zu behalten. Unseren Eltern gefiel der Waschkorb im Treppenhaus auch und sie nutzen ihn regelmäßig. Die meisten alten Klamotten gingen jetzt nicht mehr sofort in den Müll, sondern zunächst in den Waschkorb.
Sonntags morgens war der Waschkorb immer besonders voll. Die etwas reicheren Kinder im Haus hatten meist Samstags das Glück, neue Klamotten in der Stadt gekauft zu bekommen. Was dann im Schrank zu viel war oder nicht mehr passte, kam dann unmittelbar in den großen Waschkorb. Meist versammelten wir uns schon Sonntags vor dem Frühstück, um die neuesten Errungenschaften zu begutachten und abzugreifen. Mittwochs oder Donnerstags kam jedoch kaum noch neues Zeug hinzu – wozu auch, es würde ja kaum dort liegen und wäre dann von der Hausmeisterin entsorgt worden, ohne dass wir es hätten begutachten können.
Die Sachen, mit denen wir uns aus lauter Angst vor Ärger nicht zu unseren Eltern trauten, versteckten wir in „unserem“ Keller. Nachmittags traf sich – besonders im Herbst und Winter eine große Horde Kinder im Keller und wir spielten Modenschau und führten unsere Errungenschaften vor. Da zogen auch die Jungs schon mal Mädchenkleidung an, und wir Mädels die Sachen die seinerzeit typisch Jungs waren! Wir hatten ‘ne schöne Zeit bis dass einer von den etwas spießigen Eltern unser Klamottenlager im Keller entdeckte. Der Waschkorb war ja gemeinhin akzeptiert aber unser „Vorratslager“ ging dann doch wohl zu weit. Auf einmal hieß es: „Entweder die Sachen raufnehmen zu den Eltern (was bei bestimmten Sachen richtig Ärger gegeben hätte) oder alles in den Müll und zwar sofort!“ Wir mussten gehorchen (sonst hätte es mal wieder Zoff gegeben), unser Lager räumen, nahmen unsere Lieblingssachen, wo wir uns mit bei den Eltern sehen lassen konnten, mit rauf und warfen den Rest mit Tränen in den Augen in die Müll-Container.
Irgendwann sind wir dann da weg gezogen in eine bessere Gegend. Ich war total traurig und habe viele gute Freundninnen und Freunde verloren, weil ich auch die Schule wechseln musste. Aber zum Glück war da schon die Zeit vorbei, wo man sich als Kind noch über alte und gebrauchte Klamotten gefreut hat.
So war es damals, in meiner Kindheit…
Liebe Grüße,
AnnasMama
Allein bei uns im Haus hatte fast jede Familie ein oder mehere Kinder. Ich schätze, dass bei uns im Haus so ca. 170 Kinder lebten, davon je ein gutes Dutzend Mädchen und Jungen in meinem Alter (so plus/minus ein Jahr bzw. Klasse). Was mich damals nicht groß interessierte, waren unsere Müllcontainer. Wir hatten zwar – und da kann ich mich drann erinnern, wenn einmal die Woche die Müllabführ kam – die großen 1.100 Liter Metallcontainer auf Rollen, die allerdings in so Waschbetonboxen standen, die wiederum recht kleine Tonnendeckel hatten, so dass man auch nur den normalen Hausmüll reinwerfen konnte. Was da rein kam, war mir egal und was damit passierte auch. Da wurde auch nie groß drüber geredet.
Einen Müllschlucker auf jeder Etage wie er bei ‘ner Freundin von mir in einer Nobelhochhaussiedlung üblich war, gab’s bei uns nicht. Sie freute sich immer, dass sie den Müll da nur reinwerfen braucht, er leicht angesaugt wird und dann im Keller im Müllbunker landete. Dort – schwärmte sie – würde der Müll einmal am Tag vom Hausmeister geschreddert und anschließend zu handlichen Ballen verpresst. Ab und zu durfte sie zugucken, wenn der Hausmeister tätig wurde. Mir war das immer zu suspekt – obwohl sie mich immer überreden wollte, kam ich nie mit. Ich möchte den Hausmeister nicht, und hatte viel zu viel Angst von dem bösen Mann selber geschreddert zu werden.
Müll wegbringen war immer Aufgabe für uns Kinder und stets ein langer und weiter Weg. Brachten wir ihn nicht rechtzeitig runter oder hatten wir morgens beim zur Schule gehen den Müll vergessen, gab’s spätestens am Nachmittag Ärger von Mama und wenn wir Pech hatten, Abends auch nochmal von Papa. Da gab’s auch schon mal eine gescheuert, aber das will ich jetzt hier garnicht groß vertiefen. Immerhin, wir Kinder hassten den Müll.
In den Ferien bekamen wir manchmal mit, wenn Donnerstags die Container geleert wurden. Dann kam die Müllabführ mit 4 Mann und schoben die vielen Container über den Hof zum Müllwagen, wo alles blitzschnell drin verschwand. Besonders die Jungs waren dann immer total aus dem Häuschen und träumten anschließend vom Beruf des Müllmanns wie andere vom Lokführer oder vom Astronaut. Uns Mädels war das eigentlich immer egal, wir spielten weiter fangen während die Jungs wie gespannt zuschauten, wie der Müll verpresst wurde.
Wir hatten auch eine Hausmeisterin, und da zu der Zeit bei uns in der Gegend Altkleidersammlungen recht selten waren und Altkleidercontainer zu weit weg waren, wurde Kinderkleidung entweder im ganzen Haus durchgereicht oder landete direkt auf dem Müll. Unsere Hausmeisterin hatte selbst vier Kinder, die aber alle älter waren als ich. Und da sie sich immer lautstark darüber muckierte, wenn die Mülltonnen wieder mit „aus ihrer Sicht noch tragbarer Kinderkleidung“ vollgestopft waren, so dass nicht anderes mehr reinpasste, hatte sie eines Tages eine Idee: Sie stellte eines Tages im Eingangsbereich zwischen den Aufzügen und dem Treppenhaus einen riesengroßen Waschkorb hin, in den sie ein paar alte Kleidungsstücke von Ihren Kinder reingetan hatte.
Ein handgeschriebener Zettel war mit Tesafilm an die Wand geklebt, auf dem Stand:
„Liebe Kinder, liebe Eltern, bitte bedient Euch ruhig. Was ich brauchen könnt, nehmt, aber lasst nichts alles im ganzen Haus verteilt überall rumliegen! Jede Woche Donnerstag kommt morgens alles was noch im Korb ist, in den Müll. Wer von Euch Kleidung dazugeben möchte, herzlich gerne!“
Und schon kramten wir Kinder uns durch den Waschkorb und nahmen mit, was uns gefiel. Einer der Kellerräume stand immer leer und war offen – wir nahmen die Sachen mit runter und probierten erst mal alles an. Und da gebrauchte Klamotten für uns üblich waren nur die wenigsten bekamen damals ausschließlich neues Zeugs – war es für uns selbstverständlich, die Sachen auch zu behalten. Unseren Eltern gefiel der Waschkorb im Treppenhaus auch und sie nutzen ihn regelmäßig. Die meisten alten Klamotten gingen jetzt nicht mehr sofort in den Müll, sondern zunächst in den Waschkorb.
Sonntags morgens war der Waschkorb immer besonders voll. Die etwas reicheren Kinder im Haus hatten meist Samstags das Glück, neue Klamotten in der Stadt gekauft zu bekommen. Was dann im Schrank zu viel war oder nicht mehr passte, kam dann unmittelbar in den großen Waschkorb. Meist versammelten wir uns schon Sonntags vor dem Frühstück, um die neuesten Errungenschaften zu begutachten und abzugreifen. Mittwochs oder Donnerstags kam jedoch kaum noch neues Zeug hinzu – wozu auch, es würde ja kaum dort liegen und wäre dann von der Hausmeisterin entsorgt worden, ohne dass wir es hätten begutachten können.
Die Sachen, mit denen wir uns aus lauter Angst vor Ärger nicht zu unseren Eltern trauten, versteckten wir in „unserem“ Keller. Nachmittags traf sich – besonders im Herbst und Winter eine große Horde Kinder im Keller und wir spielten Modenschau und führten unsere Errungenschaften vor. Da zogen auch die Jungs schon mal Mädchenkleidung an, und wir Mädels die Sachen die seinerzeit typisch Jungs waren! Wir hatten ‘ne schöne Zeit bis dass einer von den etwas spießigen Eltern unser Klamottenlager im Keller entdeckte. Der Waschkorb war ja gemeinhin akzeptiert aber unser „Vorratslager“ ging dann doch wohl zu weit. Auf einmal hieß es: „Entweder die Sachen raufnehmen zu den Eltern (was bei bestimmten Sachen richtig Ärger gegeben hätte) oder alles in den Müll und zwar sofort!“ Wir mussten gehorchen (sonst hätte es mal wieder Zoff gegeben), unser Lager räumen, nahmen unsere Lieblingssachen, wo wir uns mit bei den Eltern sehen lassen konnten, mit rauf und warfen den Rest mit Tränen in den Augen in die Müll-Container.
Irgendwann sind wir dann da weg gezogen in eine bessere Gegend. Ich war total traurig und habe viele gute Freundninnen und Freunde verloren, weil ich auch die Schule wechseln musste. Aber zum Glück war da schon die Zeit vorbei, wo man sich als Kind noch über alte und gebrauchte Klamotten gefreut hat.
So war es damals, in meiner Kindheit…
Liebe Grüße,
AnnasMama