Das Land der halbierten Lederhosen

Geile Erlebnisse und Kurzgeschichten.
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peekee
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Das Land der halbierten Lederhosen

Beitrag von peekee »

Die meiste Zeit meiner Kindheit habe ich in der ehemaligen DDR verlebt. Bis zur Wiedervereinigung gab es fast überall Ofenheizung. Praktisch jeder hatte schon mal mit Zeitungspapier und Holzscheiten ein Feuer anmacht, und jeder hatte schon die schweren Kohleneimer aus dem Keller geholt. Oft stand neben dem Elektroherd auch ein Kohleherd in der Küche, in dem tagsüber immer ein Feuer unterhalten wurde.
Natürlich kamen nicht nur Holz und Kohle in den Ofen, sondern auch andere brennbare Abfälle, zum Beispiel Kleidung. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Kleidung wurde sehr lang getragen , repariert, angepasst, weitergegeben und schließlich als Materialspender oder Putzlappen verwendet. Es dauerte also lang, bis ein Kleidungsstück wirklich zum Wegwerfen reif war. Aber wenn es denn soweit war, wanderten die Teile oft in einen der Öfen in der Wohnung.
Ich habe es oft gesehen, dass auf dem Kohleneimer neben dem Ofen ein halbes Kleidungsstück lag. Das lag wohl daran, dass viele Teile zu groß für das kleine Feuerloch gewesen sind und deshalb im „Portionen“ gerissen wurden. Auch alte, fertig ausgelatschte Schuhe - in der Mitte mit dem Beil zerhackt, wie Feuerholz. Oder Stiefel mit abgetrennten Schäften.
Das waren natürlich alle Arten von alten Kleidungsstücken, aber ich schreibe hier nur von den Lederhosen, die ich diesen Weg habe gehen sehen.
Eine der eindrücklichsten erinnerungen dieser Art war, als ich meine Latzhose aus knautchigem Kunstleder (ähnlich Vistram) in Hälften zerrissen neben dem Küchenofen liegen sag. Dort lagen noch andere Dinge, die zusammen mit den Kohlenbriketts im Ofen verheizt werden sollten. Doch die zerrissene Kunstlederlatzhose, die mir mittlerweile wohl viel zu klein geworden war, zog meine volle Aufmerksamkeit auf sich. Ich versuchte zwar, mir nichts anmerken zu lassen, aber ich ging dann besonders oft durch die Kücke und am Ofen vorbei, um immer wieder meine abgelegte Lederhose zu sehen. Der Anblick war für mich erschreckend und faszinierend zugleich: die Hose war entlang einer dicken Doppelnaht ziemlich genau in der Mitte in zwei Hälften gerissen worden. Entlang des Risses hatte das Kunstleder sichtbare Dehnfalten bekommen und hatte ich vom Trägerstoff gelöst. Der Trägerstoff, ein grobfasriger aber weicher Baumwollstoff, schaute hervor und war entlang des Risses weich und ausgefranst. Meine Hose in so einem zerstörten Zustand zu sehen, ließ meine Gedanken nicht los. Ich legte sogar mehrmals unaufgefordet Holzscheite und ein Kohlenbrikett in den Ofen nach, um dabei die Hose und ihre Risskante berühren und fühlen zu können. Mir war natürlich klar, dass die Hose - oder besser: die Fetzen von ihr - verheizt werden sollten. Aber ich wusste nicht, ob ich es gern sehen wöllte oder lieber nicht. Irgendetwas kam schließlich dazwischen, und als ich später am Tag wieder an jenem Kohleneimer vorbei ging, stellte ich nicht nur fest, dass dieser fast leer war, sondern auch, dass von meiner geliebten Lederlatzhose nur noch eine Hälfte darin lag.
Ich ließ es mir nicht nehmen, die Ofentür zu öffnen und hineinzusehen. Doch darin war nichts mehr zu sehen, was an eine Lederhose erinnern könnte. Ob ich gern gesehen hätte, wie sie im Ofen verbrennt? Ich wollte damals zwar überhaupt nicht, dass meine alte Latzlederhose verbrannt wird, aber es war eben etwas normales und unumgängliches. Ich schaute mir die verbliebene Hälfte der Lederhose im Kohleneimer genau an. Sie war durch die Kohle ziemlich verschmutzt. Außer ihr lagen noch andere Dinge auf dem Eimer, die mir aber nicht so in Erinnerung geblieben sind. An dem Abend ging ich immer und immer wieder durch die Küche, um den Moment nicht zu verpassen, wenn die zweite Hälfte meiner Lederhose in den Ofen kommt. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Ich setzte mich extra in die Küche, um etwas zu basteln oder zu zeichnen. Der eigentliche Grund war natürlich, dass ich vor Ort wäre, wenn der besondere Moment kommen würde. Meine Gedanken waren natürlich nicht beim Basteln oder Zeichnen, sondern ich beobachtete jeden, der nah am Küchenherd vorbeiging.
Nach gefühlt endlosem Abwarten wurde meine Ausdauer dann belohnt. Jemand aus der Familie öffnete die Ofentür und checkte das Feuer im Herd. Ein Griff in den Kohleneimer, an der Lederhosenhälfte vorbei, ein Brikett wurde gegriffen und ins Feuerloch geschoben. Die kohleverschmutze Kunstlederhose fiel neben den Eimer auf den Küchenboden. Ein beherzter Griff nach der Hose, mit beiden Händen schnell zusammengerollt, dann ohne Zögern ins Ofenloch gestopft und die Herdtür geschlossen. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann hörte ich das Feuer lautstark lodern im Herd. Die zweite Hälfte meiner zerrissenen Lederlatzhose war wohl heftig am Verbrennen. Ich wartete einen Moment, bis ich unbeobachtet war, ging zum Herd und schaute hinein. Ich sah meine ehemals so geliebte Kunstlederlatzhose in Flammen. Sie brannte kräftig und heftig, unumkehrbar und so endgültig. Ich sah ihr zu, solange ich konnte und schloss die Ofentür erst, als jemand in die Küche kam. Ich setzte mich zurück an den Tisch und tat, als setzte ich mein Badteln oder Zeichnen fort. In Wirklichkein war ich innerlich sehr aufgewühlt. Ich sah nur, wie jemand Kohle oder Holz oder etwas anderes nachlegte ins Feuer.
Ich weiß nicht mehr warum, aber ich musste in einen anderen Raum gehen. Erst am Abend kam ich wieder in die Küche zurück. Als ich einen Moment allein war, schaute ich in den Herd. Das Feuer war nahezu aus, nur ein paar rot glühende Reste lagen noch drin. Von meiner Lederhose war die Form noch gut zu erkennen. Sie lag aufgerollt im hinteren Teil des Feuerlochs, komplett schwarz und an manchen Stellen hauchdünn wir Transparentpapier. Der metallene Seitenknopf war noch gut zu erkennen.
Ich hatte also miterlebt, wie meine alte, geliebte, zu klein gewordene Lederlatzhose zum Verfeuern in zwei Hälften zerrissen wurde (das Zerreißen selbst hatte ich nicht gesehen) und wie sie einfach als begehrter Brennstoff im Küchenherd verheizt wurde. Am Ende blieb noch ein "Hauch" von ihr übrig, eine schwarze Siluhette aus Asche im Ofen.

Wie anfangs schon geschrieben, erwähne ich hier nur die Lederhosen, die ich halbiertem Zustand erlebt habe. Die waren unter den anderen zerrissenen Kleidungsstücken nur eine Minderheit, aber eben mein Blickfang.
Ich habe noch mehr, von denen ich gern noch schreibe, wenn Interesse besteht...
peekee
Schade um jede abgelegte Lederhose, die nicht liebevoll gerippt wird.
jeanslover
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Re: Das Land der halbierten Lederhosen

Beitrag von jeanslover »

Geile Geschichte 😃
Ich habe es auch schon mehrfach gesehen dass und Lederhosen im Ofen verbrannt worden - allerdings ist das noch nicht so lange her ;)

Ich selbst habe auch schon einige verbrannt :oops:
peekee
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Re: Das Land der halbierten Lederhosen

Beitrag von peekee »

Das kam gar nicht so selten vor, denn nichts brennbares wurde einfach in den Müll gegeben.

Seither ist das aber sehr selten geworden, finde ich. Wer hat überhaupt noch einen Ofen?
Ich habe diese Erinnerungen auch schon nachempfunden und Lederhosen genüsslich verbrannt. Das ist der schönste Abschied, den eine Lederhose am Ende bekommen kann:-)
peekee
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anorakzerfetzer
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Re: Das Land der halbierten Lederhosen

Beitrag von anorakzerfetzer »

Hast du denn auch mal miterlebt, wie deine Klamotten zerrissen wurden?
jeanslover
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Re: Das Land der halbierten Lederhosen

Beitrag von jeanslover »

peekee hat geschrieben: Mo 19. Mai 2025, 13:51 Das kam gar nicht so selten vor, denn nichts brennbares wurde einfach in den Müll gegeben.

Seither ist das aber sehr selten geworden, finde ich. Wer hat überhaupt noch einen Ofen?
Ich habe diese Erinnerungen auch schon nachempfunden und Lederhosen genüsslich verbrannt. Das ist der schönste Abschied, den eine Lederhose am Ende bekommen kann:-)
Ich habe noch ein paar Öfen 8-)
peekee
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Re: Das Land der halbierten Lederhosen

Beitrag von peekee »

anorakzerfetzer hat geschrieben: Mo 19. Mai 2025, 16:13 Hast du denn auch mal miterlebt, wie deine Klamotten zerrissen wurden?
Ja, das habe ich. Wenn Klamotten zum verfeuern reif waren, mussten sie meistens zerrissen werden, um gut in den Ofen zu passen. Natürlich auch Teile, die von mir waren. Das war manchmal ein komisches Gefühl, wenn ich zufällig zusah. Ich hatte am Anfang meiner Schulzeit eine Jacke aus Kunstleder, blau mit Gummibündchen. Vom Schnitt her mit einer Bomberjacke oder Windjacke vergleichbar, nur eben in kleiner Größe. Ich hatte sie ziemlich lange, dann war sie mir irgendwann zu klein, und irgendwann zu einem noch späteren Zeitpunkt tauchte sie bei den Brennmaterialien wieder auf. Ich war dabei, wie sie zerrissen worden ist, als sie zu den Brikett oder aufs gekackte Holz kam. Das Material war stabiler, als gedacht und wollte nicht einreißen. Schließlich wurden an den Schultern die beiden Arme herausgerissen, die ja bloß angenäht waren. Die Arme waren auch aus diesem blauen Kunstleder und kamen zuerst in den Ofen. Von dem derben Ziehen war das Kunstleder am Rücken ziemlich in Mitleidenschaft gezogen voller Dehnfalten und hatte sich vom Trägerstoff gelöst. Aber dieser Teil meiner ehemaligen Lederjacke wurde kurze Zeit später auch mit verheizt. Das war schon ein sehr kribbeldes Gefühl, sowohl beim zerreißen, wie auch beim Verbrennen.
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anorakzerfetzer
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Re: Das Land der halbierten Lederhosen

Beitrag von anorakzerfetzer »

peekee hat geschrieben: Mo 19. Mai 2025, 22:38 [quote=anorakzerfetzer post_id=54830 time=<a href="tel:1747664033">1747664033</a> user_id=4698]
Hast du denn auch mal miterlebt, wie deine Klamotten zerrissen wurden?
Ja, das habe ich. Wenn Klamotten zum verfeuern reif waren, mussten sie meistens zerrissen werden, um gut in den Ofen zu passen. Natürlich auch Teile, die von mir waren. Das war manchmal ein komisches Gefühl, wenn ich zufällig zusah. Ich hatte am Anfang meiner Schulzeit eine Jacke aus Kunstleder, blau mit Gummibündchen. Vom Schnitt her mit einer Bomberjacke oder Windjacke vergleichbar, nur eben in kleiner Größe. Ich hatte sie ziemlich lange, dann war sie mir irgendwann zu klein, und irgendwann zu einem noch späteren Zeitpunkt tauchte sie bei den Brennmaterialien wieder auf. Ich war dabei, wie sie zerrissen worden ist, als sie zu den Brikett oder aufs gekackte Holz kam. Das Material war stabiler, als gedacht und wollte nicht einreißen. Schließlich wurden an den Schultern die beiden Arme herausgerissen, die ja bloß angenäht waren. Die Arme waren auch aus diesem blauen Kunstleder und kamen zuerst in den Ofen. Von dem derben Ziehen war das Kunstleder am Rücken ziemlich in Mitleidenschaft gezogen voller Dehnfalten und hatte sich vom Trägerstoff gelöst. Aber dieser Teil meiner ehemaligen Lederjacke wurde kurze Zeit später auch mit verheizt. Das war schon ein sehr kribbeldes Gefühl, sowohl beim zerreißen, wie auch beim Verbrennen.
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Ich kenne das, und das Geräusch was beim Zerreissen des Materials ( bei mir war es Nylon) entsteht, hat irgendwie meinen Fetish ausgelöst.
peekee
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Re: Das Land der halbierten Lederhosen

Beitrag von peekee »

Ja, das stimmt. das Geräusch, wenn das Material reißt, ist schon "aufwühlend". Zumal es bei mir meine eigene Jacke war, die ich ziemlich gern getragen hatte... Das ächzende Geräusch, wenn das Material der zerstörerischen Zugkraft nachgibt und schließlich zu reißen beginnt, hieß für mich, unwiederbringlich Abschied zu nehmen von der Jacke. Nun würde ich sie niemals mehr tragen können. (war mir sowieso viel zu kein, aber daran dachte ich in dem Moment nicht.)
Das andere aufwühlende Geräusch war das des stärker lodernden Feuers, wenn so ein Stück Kleidung im Ofen all seine Energie freisetzte... In dem Moment kann man nur daran denken, was da gerade brennt...
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jeanslover
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Re: Das Land der halbierten Lederhosen

Beitrag von jeanslover »

Ich finde ja dieses Video total heiß:

https://youtu.be/pKexacV74nQ?si=6Ljtq2UoAzARFIpV
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