Und nun das Finale.
Dies erwies sich als sehr praktisch, weil sodann der Partner meiner Mutter mit dem ausrangierten Metallschuhschrank kam und diesen auf dem hauseigenen Müllberg drapierte. Als er die alten Schuhe sah, nahm er sie aus dem Dreck und steckte sie verschmitzt in eine der Laden mit dem Kommentar: da gehören sie doch eigentlich hin.
Nach einiger Zeit waren die Schuhe unter dem weiter angesammelten Müll und Dreck begraben.
Im Folgenden wurde später der Müllberg nach Papier, Metall und Restmüll getrennt. Die metallischen Bestandteile kamen in die Garage, das Papier/die Pappe in einen großen Karton und der Rest in Müllsäcke. Also kamen die Pikes in ihrem großen Blechsarg so in die Garage zum Altmetall.
Am folgenden Samstagvormittag saß ich nichts Böses ahnend in einem Zimmer und arbeitete an einem Konzept für meinen Praktikumsbericht. Ganz leise vernahm ich eine Melodie, in die der Luft lag. Die Intensität dieser Melodie steigerte ich immer weiter. Es bestand kein Zweifel die Musik kam aus der weiteren Umgebung und wurde immer ein klein wenig lauter. Irgendwann war sie nah genug, um beurteilen zu können, dass sich keineswegs um eine schöne Melodie handelte, sondern vielmehr um ein elektronisch erzeugtes Gedudel, mit dem über Lautsprecher die Gegend beschallt wurde. Irgendwann war der Punkt erreicht, wo die Grenze zur Erträglichkeit überschritten wurde und langsam, aber sicher der Bereich der Lärmbelästigung begann.
Bisweilen zweimal pro Woche ringen neuerdings gleich mehrere Schrottsammler um das angesammelte Altmetall in unserer Gegend. Jeder dieser Sammler mit einer anderen Melodie, aber keine ist besser, als die andere. Inzwischen wurde der Krach durch weitere Geräusche, die aus unmittelbarer Nähe stammen mussten, unterstützt. Verdammt - hat man denn hier niemals seine Ruhe? Der Freund meiner Mutter hatte damit begonnen, den Metallschrott aus der Renovierungsaktion an den Straßenrand zu verfrachten. Inzwischen stand er wild gestikulierend und winkend auf der Straße, um den Fahrer der Sammelmobils auf sich aufmerksam zu machen.
Dann tauchte ein dunkelgrünes Führerhaus mit orangener Fahrertür auf. Es war ein MAN Transporter, der mit Sicherheit noch vor meiner Geburt vom Band gelaufen war. Total verbeult und sehr verschmiert machte das Fahrzeug keinen sonderlich vertrauenserweckenden Eindruck. Also damit wurde nicht bis zur Côte d' Azur fahren. Die Ladefläche war mit Metallstangen und Rohren, alten Dachrinnen, einer Waschmaschine und diversen Fahrradfragmenten bestückt. Die Besatzung bestand aus zwei Typen, aus denen hätte man gewichtsmäßig bestimmt drei oder vielleicht auch vier Kerle machen können.
Während der Fahrer die Scheibe herunterkurbelte und mit etwas Beschleunigung zielstrebig zu unserer Einfahrt fuhr, wartete der Beifahrer nicht mehr ab, bis dieses Vehicle zum Stillstand gekommen war, sondern sprang heraus und donnerte die Beifahrertür zu. Dann inspizierte er den Schrott in unserer Einfahrt, in dem mit seinem Fuß gegen einige Gegenstände trat. Der Schmierlapp in der Fahrerkabine bedeute seinem Kollegen, die Sachen aufzuladen. Obwohl ihm ein bisschen Bewegung auch ganz gut getan hätte. Immerhin hatte er endlich dieses "Muss i denn.....“ abgeschaltet.
Inzwischen krachten die ersten Regalteile auf die Ladefläche. Jetzt packte der Mitfahrer mit seinen ausgeleierten und völlig versifften Arbeitshandschuhen nach weiteren Teilen, die dann ebenso laut krachend aufgeladen wurden. Nun griff er den in diesem Moment von Martin angelieferten Blechschuhschrank, drehte ihn und hob ihn dabei über seinen Kopf, um den Schrank aus dieser Position mit ausgestreckten Armen auf die Ladefläche zu werfen. Bei diesem Manöver öffneten sich die obere und untere Klappe, die mittlere Klappe wurde durch seine Hände gehalten. Etwas erschrocken zuckte der schwergewichtige Typ zusammen und erschrak kurz darauf ein weiteres Mal, als ihm einer meinen guten alten Pikes vor die Füße fiel. Irritiert drehte der Kerl mit dem Schrank über dem Kopf eine Pirouette und trat dann mit seinem groben Arbeitsschuh auf den Schuh. Dadurch kam er fast ins Straucheln und konnte deswegen seine Luftfracht nicht auf die Ladefläche werfen. Vielmehr setzte er den Schrank auf dem Gehsteig ab. Worauf der Fahrer seinen Astral-Körper aus dem Führerhaus quetschte, um irritiert nach dem Kollegen zu sehen.
Während der Fahrer mit seinen groben Handschuhen die wieder ins Magnetschloss gefallenen Klappen öffnete, barg er den zweiten Schuh und hielt ihn wie einen mit bloßer Hand gefangenen Fisch und druckte das weiche Leder und die dünne, sehr nachgiebige Sohle mühelos zusammen. Inzwischen fiel der mehrere Zentimeter zur Asche gerauchte Tabak seiner Zigarre aus der Kippe und zerfiel auf dem Schuh in der Hand. Es packte den Schrank und behielt dabei den Schuh in seiner Hand. Dann wuchtete der den Schrank auf die Ladeflache, den Schuh immer noch in seiner Hand. Der andere Experte bückte sich ein weiteres Mal nach den Utensilien in unserer Einfahrt. Darauf warf der Fahrer den Schuh in Richtung seines Mitfahrers. Der verbeulte Schuh hatte wenig Zeit sich zu regenerieren, denn er traf das Hinterteil des Zielobjektes. Blitzschnell und mit lautem Getöse entleerte der Getroffene an Ort und Stelle seine Hände, griff das Geschoss, das ihn getroffen hatte und schleuderte es voller Rache zu seinem Kollegen. Der duckte sich, so landete mein alter Pikestiefel scheppernd auf der Ladefläche. Wie die Kinder, dachte ich.
Dann hob der Fahrer den ersten Pike vom Boden auf, entdeckte dabei die an der Spitze abgelösten Sohle und bog sie mit seinen klobigen Fingern in den dreckigen Handschuhen prüfend auseinander, nahm einen kräftigen Zug an seiner Zigarre und steckte dann den hell aufglimmenden Stumpen seiner Zigarre so zwischen die Sohle und dem Oberleder, dass er dort gut eingeklemmt war. Dann betrachtete er sein Werk und erfreute sich lachend wie der Zigarrenrauch unter der Schuhspitze hervorqualmte. Wir nehmen keine qualmenden Mauken mit. Und so komische schon gar nicht. Dann stellte er den wohl einzigen Zigarre rauchenden Pike der Welt auf den Bordstein und überließ ihn seinem Schicksal. Mit einer verrosteten Metallstange stach er mehrfach den Schuh auf der Ladefläche. Als er ihn endlich an der Angel hatte, schleuderte er ihn hinter dem Transporter auf die Straße. Die beiden Typen stiegen ein. Das Auto wurde gestartet und nachdem der Fahrer ordentlich das Gaspedal traktiert hatte, bildete sich eine schwarze Rauchwolke aus dem Auspuff. Es erklang "Muss i denn…“ Oh nein. Und dann fuhren sie weiter.
Aber es wurde nicht leiser, Ganz im Gegenteil das Gejabbel kam wieder näher. Mit hoher Drehzahl aber geringer Geschwindigkeit tauchte das Fahrzeug aus der anderen Richtung wieder auf. Der Fahrer machte einen Schlenker und überfuhr den auf der Straße liegenden Schuh. Dieser kam von den stinkenden Abgasen betäubt nach einigen Kapriolen auf dem Asphalt wieder zum Liegen. Jetzt wurde es endlich wieder leiser.
Wenig später kam Martin um zu sehen, ob die Schrottsammler alles mitgenommen hatten. Dabei entdeckte er meine alten Schuhe. Auf den einen trat er herum, um die glimmende Zigarre zu löschen und den anderen sammelte er von der Straße auf. Die Pikes standen zunächst noch draußen neben der Mülltonne. Es stank bestialisch nach einer Mischung aus Zigarren und verbranntem Leder. Meine Mutter, die keine Ahnung hatte, bat mich energisch darum, diese schrecklich muffelnden Schuhe endlich wegzuwerfen.
Ich nahm die Pikes und stellte fest, dass der rauchende Schuh immer noch entsetzlich nach Zigarre roch, obwohl die Zigarre schon lange aus war. Dann flogen sie Schwups in die Restmülltonne, aus der sie bestimmt niemand mehr herausholen wollte, denn einbettet in den nachfolgend aufgeschütteten Inhalt der Katzentoilette entwickelten sich die Pikes zu einem ganz außergewöhnlichen Geruchsträger, für den nur die Hitze und die Flammen in der MVA eine wirksame Erlösung sein konnten.
Herzlich grüßt das
Pointy-Girl