Anna

Geile Erlebnisse und Kurzgeschichten.
AnnasMama
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

„Wie? Jetzt sag bloß, Du hast deswegen Deine coolen Latzhosen einfach so mit weggeschmissen?“ Anna kuschelte sich ganz dicht an Tia, weinte bitterlich und schluchzte: „Ja, die sind weg – alle drei und der Lederanorak auch. Selbst die kurze von Marie – Kurzschlussreaktion, alles in Müllsack! Und Mama hat’s noch rausgetragen, am Samstag! Scheiße, ich weiß, ich hab‘ nen Fehler gemacht, ich hätte es nicht machen sollen – ich bereu‘s so sehr, am liebsten würde ich …“ – „Was jetzt?“ grinste Tia. „Ich bin zu allem bereit!“ – „… das wieder rückgängig machen, Tia! Zumal auch Alex mich so unter Druck gesetzt hat – schmeiß die Scheißdinger endlich weg, meinte er noch letztens und als ich die dann nochmal zur Schule anziehen musste, hat er’s noch mal mit Nachdruck gesagt. Ich wollte doch nur, dass er mich endlich in Ruhe lässt – deswegen hab‘ ich doch alles gemacht, was er wollte. Ich hab’s verbockt, vermasselt, alles falsch gemacht! Ach könnte ich doch bloß die Zeit zurück drehen …“

„Du bist auch echt bekloppt – die schönen Dinger!“ lästerte Tia. „Sag nur, die kurze Lederhose auch?“ Anna nickte traurig. „Alles weg!“ – „Die sind doch viel zu schade für’n Reißwolf! Ich hab‘ die immer gut leiden können bei Dir – saßen zwar alle ‘nen bissel knapp –gingen aber doch noch ganz gut – ich hätte die an Deiner Stelle nicht weggeschmissen!“ – „Ich bereue es doch auch – hätte ich doch bloß nicht und nun ist es zu spät!“ – „Noch nicht ganz!“, grinste Tia, „oder fangen die etwa am Samstag direkt mit dem Sortieren und Schreddern an? Die kippen doch bestimmt nur die ganzen Säcke und Tüten bei denen auf den Hof …“ – „Meinst Du wirklich?“ fragte Anna neugierig. „Weißt Du denn, wo die Sachen hingegangen sind? Wenn die da sind, wo die sonst immer hin gehen, machen die samstags nichts mehr außer Abladen. Dann dürften die noch da sein …“ – „Und selbst wenn …“ erwiderte Anna traurig, wie soll ich denn da wieder dran kommen. „Hinfahren und nachschauen, vielleicht?“ meinte Tia trotzig.

„Klar, wir können hinfahren – ein Zelt aufschlagen, dort übernachten und warten bis die Morgen aufmachen und anfangen zu sortieren. Aber ob die die Sachen dann wieder rausrücken?“ – „Bestimmt nicht“ Tia grinste frech und ein wenig schadenfroh. „Aber ich hab‘ da ‘ne andere Idee! Du hast doch eh heute nichts mehr vor, oder?“ Anna war einverstanden und ließ sich auf Tias Plan ein. So ganz geheuer war es ihr nicht, aber wenn sie eine Chance haben wollte nochmal an ihre Latzhosen heranzukommen, musste sie schnell sein. Wenn nicht alles sowieso schon zu spät war und sie am Samstag schon mit dem Aussortieren und Schreddern begonnen hatten. Dann wäre es wahrscheinlich zu spät.

Kevin verbrachte den Nachmittag bei Emma, die sich für Sonntags fein gemacht und ein Kleid angezogen hatte. Die Moonwashed-Latzjeans lag zusammengeknubbelt in einer Ecke ihres Zimmers zusammen mit alten Pullis, die sie für zu Hause an hatte. Die Weste, die sie gestern zum High Five an hatte, hing dagegen ordnungsgemäß an der Garderobe. „Hi, ich bin Kevin“ war die kurze und knappe Vorstellung ihren Eltern gegenüber. Emmas Mama schien nicht begeistert. „Wegen dem Kerl also der ganze Aufwand mit der Latzhose“ dachte sie sich – denn sie hatte Kevin mal an der Schule in Latzhosen gesehen und konnte durchaus eins und eins zusammenzählen. Sie war sich sicher, dass sie Kevin in der Latzhose eine Freude machen wollte – ein anderer Grund fiel ihr jedenfalls nicht ein. Sie hoffte, dass der Spuk möglichst schnell vorbei sein würde, Emma in Latzhosen war für sie genauso unvorstellbar wie Emma mit einem Freund. „Nicht dass sie nachher noch auf krumme Gedanken kommt …“ Dass sie längst auf solche gekommen war, kam ihr nicht in den Sinn.

Kevin war natürlich nicht begeistert davon, Emmas Latzhose einfach so in der Ecke liegen zu sehen. Lieber hätte er es natürlich gehabt, wenn Emma sie angezogen hätte, doch selbst wo er jetzt da war und sie es sich in ihrem Zimmer gemütlich gemacht hatten, machte sie keine Anstalten sich umzuziehen. Immerhin sah er die Hose nochmal, was in ihm das altbekannte Jucken im Genitalbereich hervorbrachte. Er überlegte und zögerte, ob er Emma drauf ansprechen sollte. Auf der einen Seite hatte sie gestern auf dem High 5 auch alles von ihm über seine Sachen wissen wollen, warum und weshalb Heike so rigoros seine Sachen verschenkt und entsorgt und alles und überhaupt. Bei all der Fragerei hatte er völlig vergessen, auch nach ihren Sachen zu fragen. Jetzt wo er seine Latzhose nicht mehr hatte, wo Mama sie so gefühlslos entsorgt hatte und Emma im Kleidchen da sag, wusste er auch nicht, was er machen sollte. Zu groß war seine Befürchtung Emma würde nun auch ihre Latzhose nicht mehr anziehen wollen, weil er seine auch nicht mehr hat. Nur dann wäre der ganze Aufwand umsonst gewesen. Ob er Emma drauf doch einfach drauf ansprechen sollte?

Emma war so anders als gestern, wo sie die Initiative ergriff, wo sie einfach so schönen Sex miteinander hatten. Kein Kuscheln, keine Nähe, keine Wärme – nichts. Wie ausgewechselt, als wenn irgendwas passiert wäre. Nur was? Er war sich unsicher – sollte das gestern nur ein One-Night-Stand gewesen sein? Emma war komisch drauf, antwortete nur kurz auf seine Fragen und allem, was sich um Latzhosen auch nur vom Ansatz her drehen konnte, wich sie aus. „Emma, was ist denn los mit Dir?“ Kevin ließ nicht locker. „Alles scheiße – ich hab‘ gestern was Entscheidendes vergessen … Ich hatte vor zwei Wochen meine Tage, und wir haben gestern ohne. Na, dämmerst? Ich hab‘ solche Angst – nicht jetzt schon …“ – „Nimmst Du denn nicht die Pille, so wie die anderen in Deinem Alter auch?“ – „Nö, die vertrag ich nicht – außerdem Mama springt im Dreieck, wenn ich sie danach frage! Hoffentlich ist nichts passiert, Kevin! Ich hab‘ solche Angst …“

Auf einmal war Kevin schlagartig klar, was passiert ist. Er hatte sich – da sie ja nun schließlich die Initiative ergriffen hatte – völlig auf sie verlassen, war davon ausgegangen, dass sie natürlich die Pille nimmt, oder ihm ein Gummi überzieht, wenn sie es schon einen Tag vor dem Eisprung mit ihm treibt! Wie kann man nur so blöd sein – er fühlte sich von ihr beschissen, dabei wollte sie doch einfach nur ihm nahe kommen und Sex mit ihm haben. Das Risiko, dass was dabei passieren könnte, hatten beide komplett unterschätzt. Und nein, Kevin wollte jetzt auch keine große Klappe haben – auch er hatte Angst und ihm war mulmig, auf was er sich da eingelassen hatte. Dagegen war Annas kaputte Latzhose echt harmlos – und wenn Emma ihm jetzt eine Scheuern würde, er hätte es sicherlich auch verdient. „Nur: kein Wort zu Mama!“ mahnte Emma. „Wenn’s passiert ist, dann ist es halt passiert – dann kann ich auch nichts mehr dran ändern! Nur dann wird sie es noch früh genug erfahren!“

„Versprochen!“ sagte Kevin tapfer, wohlwissend, dass auch er mit seiner Angst in den nächsten Tagen allein sein wird. Denn auch Heike würde im Dreieck springen, wenn sie erfahren würde, dass die beiden am Tag vor dem Eisprung ungeschützten Sex miteinander hatten und Emma möglicherweise jetzt schwanger werden könnte. Das würde alles durcheinander bringen und die Schläge, die er dafür kassieren würde, wären bestimmt nicht ohne. Da würde alles, was er bislang erleben musste, echt harmlos gegen sein. Jetzt also bloß nicht sich in einem dummen Moment verbabbeln, weder bei Emma, noch zu Hause noch sonst wo. Eigentlich wollte er Emma noch ein wenig zu ihrer Latzhose fragen, aber das war ihm gehörig vergangen. Latzhosen waren für den Rest des Tages einfach kein Thema mehr. Die Stimmung war auf dem Nullpunkt.

Alex war gegen Mittag wieder zu sich gekommen, er war glücklich und zufrieden, so wie die Party verlaufen war. Dass Anna ihn zum guten Schluss noch oral befriedigt hatte, empfand er als persönlichen Triumph, auch wenn er sich sicher war, im Zweifel hätte auch Tia das für ein paar Gramm, die er immer im Hause für den Eigenbedarf hat, das gerne übernommen. Er spürte seine Macht, seine Attraktivität und überlegte schon, wer die nächste sein wird, die er für sexuelle Gefälligkeiten belangen könnte. Sarah fand er auch süß, sie war gut gekleidet und hatte bereitwillig beim Asi-Wichteln mitgemacht. Er war sich sicher, sie bei nächster Gelegenheit nicht lange bitten zu müssen. Er war mit sich zufrieden, drehte sich nochmal um und schlief wieder ein. Erst zum Nachmittag hin wurde er wieder wach.

Saskia hingegen war happy, dass Mama am Samstag doch endlich Kevins ungeliebten Kapuzennicki in die Mülltüte gepackt und mit an den Straßenrand geworfen hatte. Dass dabei ihr Lieblings-Adidas-Hoodie ebenfalls den Weg in die Verwertung angetreten war, hatte sie noch gar nicht bemerkt. Ehrlich gesagt hätte sie ihrer Mama diese Gemeinheit auch nicht zugetraut, aber in der Beziehung war sie halt gründlich. Ihr war es egal, was Saskia montags zum Kunstunterricht angezogen hatte, Hauptsache irgendwas Altes, Verbrauchtes – was bei nächster Gelegenheit mit weg kann. Nur nicht allzu dreckig oder kaputt, sowas geht nicht mal mehr für zu Hause. Und der Adidas Hoodie war aus ihrer Sicht schlimmer dran als der Nicki, beides saß zwar knapp, aber der Adidas war deutlich fertiger. Sie war sich noch nicht sicher, was sie ihr für Morgen rauslegen würde, in der Tüte, die sie letztens von ‚‘ner Freundin mitbekommen hatte, wird schon was passendes drin sein, was zum Auftragen und kaputt machen gut genug ist. Muss ja nicht lange halten, kann ja bei der nächsten Lumpensammlung schon wieder mit weg, braucht ja nur bis dahin zu halten. Alte, abgetragene Pullis hat sie immer genug, nein eigentlich sogar mehr als genug. Von daher war es auch nicht weiter dramatisch, den Kapuzennicki mit abzugeben, sie hat ihn getragen, damit hatte er seine Schuldigkeit mehr als getan. Auch Heike würde ihr das nicht übel nehmen, denn gerade dieser Nicki war auch schon vorher nichts wirklich besonders schönes mehr. Verbrauchsmaterial, nicht mehr und nicht weniger.

Es war schon spät geworden, da klingelte es endlich an der Türe: Zwei Herren in Uniform, freundlich aber bestimmt – und in der Mitte Anna, Tränen im Gesicht, am ganzen Körper zitternd. „Ist das Ihre Tochter?“ fragte einer der Polizisten. „Wir haben sie aufgegriffen, als sie im Industriegebiet gerade über den Zaun vom Textil-Recycler klettern wollte! Das andere Mädchen, was mit dabei war, konnte gerade noch abhauen! Haben Sie eine Ahnung, was die Mädchen dort wollten?“ – „Kommen Sie doch erstmal ins Wohnzimmer!“ – „Nicht nötig, wir haben die Personalien von ihr bereits aufgenommen, sie hören dann von uns! Schönen Abend dann noch und passen Sie drauf auf, dass sie nicht wieder unerlaubt über irgendwelche Zäune klettern …“

Fast hätte ich Anna eine gescheuert, als die Herren Polizisten wieder fort waren, doch ich konnte mich gerade eben noch zurückhalten. „So, Fräulein, ich glaub‘ Du hast mir jetzt ein wenig zu erzählen!“ schrie ich sie wütend an, weil aus dieser Aktion konnte ich mir so überhaupt keinen Reim machen konnte. Ausgerechnet beim Textil-Recycler, ich hatte nicht die leiseste Ahnung warum ausgerechnet dort.
lhwmatz
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Re: Anna

Beitrag von lhwmatz »

ich grüße Dich herzlich Annas Mutter
da Du ja gerne eine Reaktion auf deine weiter geschreibene Geschichten von Anna haben möchtest möchte ich dir mitteilen das ich deine Fortsetzungen einach super finde besonders darum das es wieder um Lederhosen geht wie sie strapaziert werden entsorgt wreden und wie dubeshcreibst wie Anna iher Lederhose besonders de kurzen hinterher weint und dogar des Nachts über den Zaun der Textilfabrik klettern will umihre kurze Lederhose wieder zu finden.
Auch das mal wieder von Peter und seiner Kniebundlederhose wieder einmal berichtest finde ich schön

Du hast an deiner Art und Weise wie du schreibst und erzählst an nichts eingebüßt wie im richtigen Leben und ich wünsche mir noch mehr Erfahrungen mit und über Lederhosen und wünsche Dir das deine schriftstelleriche Phantasien nach der einen oder andreen Schafenspause immer wieder neu angeregt werden .
Für Dich persönlich und deiner Tochter Anna wünsche eich euch beiden für die Zufunft Gesundheit und Glück die nötige Harmonie zwischen Mutter und Tochter und dir die Kraft deine Tochter schrittweise los zu lassen und erwachsen werden zu lassen.

Glg..lhw-matz
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AnnasMama
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Anna und ich wünschen Euch allen frohe Ostern und viel Spaß beim Eiersuchen :!:

Anna rannte Türen knallend in ihr Zimmer – schloss ab und machte dicht, nicht nur die Türe, sondern auch innerlich. Sie ließ mich nicht an sie heran, keine Chance. Du die geschlossene Zimmertüre hörte ich sie weinen, das war laut und deutlich zu erkennen. Ich hatte mich nach dem ersten großen Schreck wieder einigermaßen beruhigt, obwohl ich natürlich innerlich immer noch auf 180 war. Sie war älter geworden, ja sie war nicht mehr das kleine niedliche Mädchen, was als Kind eine schwarze Kunstlederhose trug – nein, sie war jetzt endgültig mitten drin in der Pubertät, mit all den Themen, mit all den Problemen, die Mädchen in dem Alter haben, wenn sie sich das erste Mal richtig verliebt haben, wenn’s geknistert und gefunkt hat, aber auch wenn’s Zoff und Liebeskummer gab. Ich ahnte, dass mir da was bevorstand, und ich wusste ja von Katrin, der Azubine bei uns in der Firma durchaus, was das ab einem gewissen Alter alles bedeuten würde, nur offenbar hatte es Anna früher, dafür aber umso heftiger erwischt.

Katrin konnte auch immer ganz gut rumzicken, seit sie jedoch ihre Ledersachen nicht mehr trug (bzw. besser gesagt nicht mehr zu tragen brauchte) war sie deutlich entspannter geworden. Sie trauerte den Sachen kein bisschen hinterher, hatte auch nie nachgefragt, ob ich die Lederlatzhose auch wirklich in der Tonne entsorgt hätte. Auch ihre Fruit of the Loom Hoodies trug sie – obwohl das Wetter dafür durchaus passend gewesen wäre – immer seltener zum Büro. Und wenn war es meist der blaue, den sie trug – der aber zugegebenermaßen am langweiligsten aussah. Den dunkelroten, der mir an ihr immer am besten gefiel, hatte ich seit Wochen schon nicht mehr gesehen, genau wie den grünen, der auch schon lange nicht mehr dran war. Wenn ich mal wieder in meiner Nubuk-Lederjeans ins Büro kam, gab’s von Katrin ein kleines Grinsen, aber auch keine weiteren Kommentare. Insgeheim wunderte sie sich wohl darüber, warum ich die hin- und wieder doch noch zur Arbeit anziehe, obwohl ich kein Moped fahre und es daher doch eigentlich nicht erforderlich wäre.

Ich ließ Anna in Ruhe, wobei mich doch interessiert hätte, was da heute Abend vorgefallen war. Doch sie verharrte in ihrem Zimmer, machte nicht auf und sagte nichts weiter. Mitternacht war schon lange durch, als auch ich endlich ins Bett ging. Am nächsten Morgen erschein alles wieder wie immer – Anna war spät dran, hatte eine rote Cordhose und ein graues Sweatshirt angezogen, was ich noch nicht an ihr kannte. „Ist alt – von Marie“ grummelte sie – die neue 501 ist kaputt …“ Ich wollte gerade die Chance nutzen und sie auf gestern ansprechen, da schnappte sie sich ihr Brötchen, biss hinein während sie sich gleichzeitig Schuhe und College-Jacke anzog. „Wie war’s eigentlich bei Alex auf der Party?“ – Anna schaute mich völlig entgeistert an, sagte keinen Mucks und ging wortlos aus der Wohnung. Sie hatte dicht gemacht, was ich so in der extremen Art her von ihr nicht kannte.

Kurze Zeit später war ich auch auf den Weg zur Arbeit und ich freute mich sogleich schon auf den Feierabend – ich hatte mir etwas Geld zusammen gespart und wollte endlich mal wieder shoppen gehen. Gestern als ich mit Frankie spazieren ging während Peter auf dem Spielplatz war, war ich am Sportgeschäft vorbeigekommen und die hatten Adidas Anoraks im Sale. Wunderbare Retro-Dinger, unten dunkelblau, die Ärmel auch und obenrum weiß/hellblau/knallrot gestreift und mit roter Kapuze, wobei der Reißverschluss pfiffiger Weise bis zum Ende der Kapuze ging. Der könnte durchaus ein würdiger Nachfolger für meinen alten C&A Anorak sein, der es so langsam aber sicher doch hinter sich hat. Zumindest müsste ich mir mal die Mühe machen, die eine oder andere Naht an der Schulter nachzunähen und reif für die Waschmaschine wäre er auch schon lange mal wieder. Wobei eigentlich ist der schon lange reif für die Tonne, warum ich so an dem ollen Ding hänge, weiß ich auch nicht so recht. Vielleicht liegt’s daran, dass ich immer wieder gekämpft habe, wenn Mama ihn mit abgeben wollte.

Wenn die also tatsächlich den Anorak in meiner Größe haben, könnte es bei mir in den Händen nochmal kribbeln, den alten wegzugeben. Aber vielleicht schnappt Anna mir ihn auch weg, mal sehen. Preislich ist der neue durchaus attraktiv: Um die Hälfte reduziert, und dann noch dazu einen fetten Rabatt – die wollen die wohl echt loswerden und niemand kauft die. Aber wer trägt schon noch Retrosachen? Würde mich auch nicht wundern, wenn die Geschäfte zum Saisonende massenweise Neuware in die Entsorgung geben die sie selbst im Schlussverkauf nicht mehr losgeworden sind. Aber dieser coole Adidas Anorak im Textil-Recycling? Möglich, aber ihn nächsten Winter dort zu erwarten und zu suchen wäre die Nadel im Heuhaufen. Zumal ich da ja auch nicht jeden Tags sein kann und „Vorbestellungen“ auch nicht angenommen werden. Was man an dem Tag wo man dort ist abgreifen kann ist gut, der Rest geht halt in den Verkauf (wobei ich bei solch exotischen Sachen da auch nicht dran glaube – denn was neu schon wie Blei in den Regalen liegt, ist gebraucht meist auch nicht viel beliebter).

Apropos Verwerter – da wird sicherlich heute und in den nächsten Tagen wieder Hochbetrieb sein, wenn die Klamotten, die Samstag angeliefert worden waren sortiert und geschreddert werden sollen. Ich denke ich werde auf dem Weg zum Sportladen auch da mal vorbeischauen, nein, nicht dass ich etwa neugierig wäre – aber immer wenn neue Ware ankommt, lohnt sich das stöbern umso mehr, zumal dann durchaus auch erlaubt ist in die noch verschlossenen Säcke zu schauen. Die Kilopreise steigen zwar von Mal zu Mal immer wieder etwas an, aber da ich inzwischen einige von den Sortiererinnen kenne, darf ich auch zwischen den Recyclingsachen schauen. Im Endeffekt sind die froh, wenn sie was verkauft bekommen und nicht alles in den Schredder muss. Wobei der Laden wo die Altkleider von Samstag wieder hingegangen sind deutlich kleiner ist als UsedTex – aber immerhin wird dort auch sofort unbrauchbares geschreddert. „Lässt sich besser verkaufen – kann dann sofort weiterverarbeitet werden“ meinte eine der Sortiererinnen beim letzten Mal.

Der Tag auf der Arbeit verlief ruhig, keine besonderen Vorkommnisse, keine außergewöhnlichen Klamotten bei Katrin – fast schon langweilig. Die Gore-Tex Klamotten, die sie immer zum Moped fahren und damit zwangsläufig auch zur Arbeit anzog waren zwar unauffällig und dezent, sahen aber immer noch aus wie neu – langweilig also, gerade für jemanden wie mich, der gerne zusieht wie Klamotten langsam aber sicher abgenutzt und abgeliebt werden. Je öfter getragen desto schöner sind solche Sachen einfach – wobei ich in letzter Zeit immer mehr den Eindruck hatte, dass die meisten Sachen insbesondere bei jungen Mädchen und Frauen gar nicht mehr so richtig alt werden wollten. Vieles sah ich im Bekanntenkreis ein oder zweimal, wenn’s neu war und dann vielleicht noch ein zweites Mal, von so Standardsachen wie Jeans oder Turnschuhe mal abgesehen. Ich hatte einfach den Eindruck die meisten kaufen viel und billig – und schmeißen die Sachen genauso schnell wieder weg. Nicht umsonst hatte ich den Eindruck, dass am Samstag viel mehr Altkleidersäcke draußen standen, als sonst für gewöhnlich.

Nur zu gerne erinnerte ich mich an die Zeit zurück, wo Katrin in den alten Lederhosen zur Arbeit kam. Sie hatte sich seitdem verändert, war erwachsener geworden, selbstständiger auch in ihrem Tun und Handeln. Und ja, auch ein Stückchen Selbstbewusste, spürte ich doch manches Mal Unbehagen bei ihr, insbesondere wenn sie die antikbraune Lederlatzhose trug. Da hatte ich immer den Eindruck sie wolle, nein sie müsse etwas verstecken und das war nicht nur der Latz, den sie so liebend gerne unter dem Kapuzenpulli verschwinden ließ. Ich konnte mir sie immer noch gut in Latzhosen vorstellen, war überzeugt sie sieht da immer noch total klasse drin aus. Wobei ich mir aber auch sicher war, Katrin in nächster Zeit nicht mehr in Lederhosen anzutreffen. Nein, da brauchte ich mir keine Hoffnung zu machen. Selbst bei Anna war ich mir nicht sicher, ob ich es nochmal erleben würde. Ich fürchtete, dass diese Zeit vorbei sein würde – wobei, Anna ist immer für ‘ne Überraschung gut und Rückfälle in kindliches Verhalten oder unkonventionelle Klamotten hatte ich bei ihr seit sie so richtig in der Pubertät ist, öfters mal erlebt.

Emma war immer noch sauer auf Heike – hatte sie all den Aufwand mit ihrer Latzhose doch nur wegen Kevin getrieben. Sie mochte ihn – fand ihn süß in seiner Latzhose, aber auch das war nun Geschichte – wobei sie nun auch nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte. Die Latzhose die sie bekommen hatte war alt und gut gebraucht und eigentlich schon mindestens eine Nummer zu eng. Von der Länge ging sie so gerade eben noch, aber jetzt, wo sie wusste, dass Kevin auch keine mehr hat, hatte sie auf einmal den richtigen Spaß daran verloren. Kevin hatte sich zwar gefreut, dass sie die am Samstag extra für ihn angezogen hatte, sie merkte aber auch wie sentimental und nachdenklich er in Bezug auf seine eigene Latzhose wurde. Und so richtig interessiert hatte er sich auch nur für seine eigene, nicht für Emmas. Keine Fragen, wo hast Du die denn her oder ist die neu (obwohl man deutlich sehen konnte, dass sie eben nicht neu war), noch nicht einmal ein nettes Kompliment hatte er ihr deswegen gemacht. Nun gut, er ließ sich von ihr verführen, sie hatten tollen Sex miteinander, aber einen Kommentar, einen Spruch oder einfach nur eine Bemerkung das hatte sie schon von Kevin erwartet.

Ja, Emma wurde mehr und mehr bewusst dass Kevin sich überhaupt nicht zu ihrer Latzhose geäußert hatte. Traute er sich nicht, weil auch sie ihn dann sofort als Feti abstempeln würde? Oder gefiel ihm ihre Latzhose nicht, fand er sie an ihr zu eng und deplatziert? Emma war nachdenklich geworden und ließ die Latzhose erstmal links liegen, als sie sich zur Schule fertig machte – wo sie wie so oft in letzter Zeit wieder im langweiligen Blümchenkleid erschien, was so gar nicht zu einem pubertierenden Mädchen passen wollte. Und auch plagte sie am Morgen danach die Angst, beim Sex mit Kevin doch ungewollt schwanger geworden zu sein, weil sie vor lautet Freunde an alles gedacht hatte, nur nicht, sich und Kevin zu schützen. Hoffentlich war nichts passiert, dachte sie immer wieder, während sie auf dem Weg in die Schule war. Sie setzte sich wie jeden Morgen wieder neben Kevin, der außer einem kurzen „Hallo“ auch nichts aus sich herausbrachte. Sie sah, wie er sie musterte, als wolle er sagen „Och man was siehst Du wieder langweilig aus …“. Ob er sich doch gewünscht hätte, dass sie die Latzhose zur Schule angezogen hätte? Sie traute sich nicht zu fragen. Oder wünschte sich Kevin insgeheim doch was ganz was anderes? Was war es, was er wirklich wollte und vor allem, was auch Emma wollte. Auch sie fühlte sich unsicher und wusste nicht so recht, wie es weitergehen sollte. Ob sie Kevin was Schönes zum Anziehen besorgen sollte? Etwas, was er nur für sie tragen wird? Etwas, von dem Heike nichts wissen darf, weil es sonst eh gleich in den Müllsack wandert? Sie grübelte und überlegte, ob sie nochmal eine Telefonaktion bei ihren Tanten starten sollte.
AnnasMama
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

In der Schule schien alles so normal zu sein, so wie jeden Tag. Nur mit einer großen Ausnahme: Anna würdigte Alex mit keinem Blick – nein, so hatte sie sich doch den Ausgang der Fete am Samstag nicht vorgestellt. Sex mit Alex – schön und gut, aber bitte nicht gleich auf diese Art und Weise. Da war er wohl offensichtlich doch etwas zu weit gegangen – und sie hatte sich auch noch drauf eingelassen. Alex ließ Anna ebenfalls links liegen, hatte er doch seinen Triumph und mit Anna eine weitere Trophäe im Schrank. Anna war für ihn erledigt, abgehakt und seinetwegen könne sie auch wieder in Latzhosen rumlaufen, ihm war sowieso alles egal, was Anna anging. Längst schon war er auf den Suche nach etwas Neuen, etwas reizvollerem, etwas, was sich auch nicht genierte, wenn er Oralsex oder irgendeine andere Art der Befriedigung suchte. Aber er hatte alle Zeit der Welt dabei, denn er wusste genau, dass Tia ihn – wann immer er wollte – für ein paar Gramm befriedigen würde, und er hatte noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei.

Der Unterricht war Business as Usual, keine Klassenarbeiten, keine Rückgaben – oder kurz zusammengefasst einfach langweilig. Kevin hätte sich gefreut, Emma in Latzhose zu sehen, war etwas enttäuscht darüber, dass sie wiedermal nur ein langweiliges, kindliches Kleidchen an hatte – und Emma dachte genauso: Sie hatte sich wohl unbemerkt auch ein wenig in Kevins Latzhose verliebt und war enttäuscht, ihn nie wieder so sehen zu können. Sie wusste aber auch, dass Kevin da eigentlich nicht für konnte und dass Heike Wurzel allen Übels wäre. Immerhin hatte sie noch ihre Latzhose, wobei sie sich auch sicher war, sie nicht mehr allzu oft tragen zu können. Zum einen empfand ihre Mami es als ziemlich albern, sich für einen Kerl wie Kevin – den sie offensichtlich nicht wirklich gut leiden konnte – in alter Latzhose zu zeigen und zum anderen hatte sie auch schon die besten Tage hinter sich. Für den Garten ok, für zum Altkleider sammeln auch – aber für Freizeit oder Schule? Nein, dafür sicherlich nicht und genauso wenig um Kevin zu imponieren. Dabei empfand sie die an ihm immer cool – aber jetzt, wo sie offenbar die einzige in der ganzen Klasse, wenn nicht gar auf der ganzen Schule wäre, die noch Latzhosen tragen würde, sähe sie die Sache wohl auch etwas lockerer.

Beim Textil-Verwerter war inzwischen Hochbetrieb – in der Tat, am Samstag hatten sie nur die Sachen angenommen und noch nicht mit dem Sortieren begonnen. Zum Glück hatte es am Wochenende nicht weiter geregnet, so dass die Säcke, die alle draußen auf dem Hof lagerten, wenigstens trocken geblieben waren. Doch irgendwie waren die Säcke anders als sonst – einfach hingeworfen werden die sonst ja auch nur, aber diesmal wirkte alles wie noch einmal durchgewühlt – so, als wenn jemand etwas gesucht hätte. Insbesondere bei den blauen Müllsäcken waren mehr als sonst welche aufgerissen, der Inhalt davon hatte sich auf dem Hof verteilt. Ärgerlich war das schon, aber auch nicht wirklich dramatisch – durch den Großauftrag vom Dämmmattenhersteller ging eh weitaus mehr auf direktem Wege in den Reißwolf als für Gewöhnlich, wo man geneigt war, auch etwas weniger gute Sachen in die Behälter zu werfen, die dann später zu Ballen gepresst in den Export gehen würden.

So machte sich also das Team, was vorwiegend aus Frauen mittleren Alters bestand auf den Weg, die Säcke in die Halle zu tragen und dort mit dem sortieren zu beginnen. Und wie üblich ging es schnell, sehr schnell – die Bewegungen und Griffe tausend Mal geübt, zielsicher wurde der richtige Behälter getroffen. Diesmal gab’s vorher keine besonderen Anweisungen von der Cheffin, außer „Sortiert nur die richtig guten Sachen aus, alles was auch nur den kleinsten Fehler hat, kann weg! Im Zweifel füttert lieber den Reißwolf, der freut sich auch Mal, wenn er was zu tun bekommt …“ Gesagt, getan. „Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ so lautete also für heute die Devise, was dazu führte, dass die Sachen, die schon lose auf dem Hof lagen, kaum mehr Beachtung fanden, sondern gleich in Richtung Reißwolf wanderten. Kurzes Innehalten war nicht, dafür war es diesmal einfach zu viel, was angeliefert wurde. Und so funktionierten die Sortiererinnen fast wie Maschinen, wenn man sie Abends fragen würde, was war denn heute „Besonderes“ dabei, würden sie wohl arg ins Grübeln kommen. So wanderten der rote Kapuzennicki mit Emmas deutlich sichtbarem Fußabdruck und dem doch etwas größeren Loch auf dem Bauch genauso ohne groß Aufhebens in Richtung Reißwolf wie auch Kevins Latzhose, obwohl an ihr – außer dass sie nicht frisch gewaschen war – keine Fehler erkennbar waren.

Der jungen Praktikantin, die einzig und alleine die Aufgabe hatte, den Reißwolf mit unbrauchbaren Sachen zu füttern, störte das genauso wenig. Sie wunderte sich zwar ab und zu über die Entscheidungen der Sortiererinnen, fragte Anfangs auch nochmal neugierig nach, warum denn das ein oder andere Teil jetzt in den Schredder solle, aber nachdem meist immer die gleiche Antwort „Kauft doch eh niemand mehr …“ warf sie kommentarlos auch aus ihrer Sicht noch tragbare Stück in den Reißwolf, die dann kurze Zeit später bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt in kleinen Stückchen zur Weiterverarbeitung zu Dämmmaterial unten herauskamen. So ergriff sie im Laufe des Tages auch den roten Kapuzennicki, bei dem sie sich nur leise murmelte „Welcher Trottel hat denn da draufgetreten – der sah doch sonst noch ganz akzeptabel aus!“ – „Den hättest Du auch ohne Fußtritt und Loch im Bauch dabei gehabt!“ beruhigte sie eine der Sortiererinnen, „Wer kauft denn heute noch alte Nickis? Die will doch auch niemand mehr …“

Lieblos packe sie also all das, was die Sortiererinnen ihr zugeteilt hatten, in den Reißwolf. Sie machte halt ihren Job, hatte sich daran gewöhnt, dass Nachfragen und Diskutieren nichts bringt und sie ja schließlich auch mal fertig werden wollte. So gab’s auch nur noch ab und zu ein dezentes Kopfschütteln, immer dann wenn Sachen dabei waren, die sie sicherlich aussortiert hätte. Aber das geschulte Auge fehlte ihr noch und der Sinn für Verkaufbarkeit – denn um nichts anderes ging es hier. Tragbar wäre bestimmt noch das ein oder andere gewesen, aber den Preis, den man hätte zahlen müssen, wenn die Sachen in den Weiterverkauf gegangen wären, wäre niemand mehr bereit gewesen zu bezahlen. So wanderten viele aus ihrer Sicht durchaus noch tragbare Klamotten auf direktem Wege in den Schredder, insbesondere Kinderkleidung – die allerdings eh recht selten war. Die meisten Mamis gaben wohl die Anziehsachen ihrer Kids woanders ab – zumindest die guten Sachen, denn was hier an Kinderkleidung ankam, war eh schon meist offensichtlich durch verschiedene Kinderhände gegangen.

Der Schredder arbeitete auf Hochtouren und verschlang alte Jeans und Pullis genauso schnell und sicher wie Anoraks, Unterwäsche, Socken, Sportzeugs und alles, was man sonst noch so in den Säcken findet. Alte Sachen im Regelfall, oftmals viele Jahre alt und völlig aus der Mode gekommen. Das meiste schien so. als hätte es über Jahre hinweg im Schrank gelegen – nach dem letzten Mal tragen noch einmal frisch gewaschen und dann weg gelegt, entweder weil’s den Kids zu klein geworden war oder die Erwachsenen sich was Neues gekauft hatten, ohne sich gleich von dem Alten getrennt zu haben. Und ja, das meiste was in ihrer Größe dabei war, hätte sie selber nicht mehr angezogen. Solche Sachen waren selbst ihr zu unmodern. Nur eines war ihr jetzt schon nach ein paar Tagen klar, das ist kein Job für sie – den ganzen lieben langen Tag alte Klamotten in den Schredder befördern, nein das wäre auf Dauer viel zu aufregend für sie. Da hätte sie bestimmt jeden Abend ein kleines Päckchen für sich an die Seite gelegt – legal zwar, weil sie durchaus zum günstigen Kilopreis das ein oder andere noch hätte retten dürfen, aber dann die Frage, was anstellen mit Klamotten, die niemand mehr will? Die selbst auf dem Flohmarkt keine Abnehmer mehr finden und dort abends auch nur noch den Weg in den Container antreten.

Nach der Arbeit machte ich auf dem Weg zum Sportgeschäft, wo sie den Adidas Anorak im Angebot hatten, einen Zwischenstopp bei Textil-Recyclingladen. Ich stöberte durch die Sachen. Insgeheim hoffte ich natürlich, dass schon eines der verwöhnten Teenies den Anorak, den ich mir ausgeguckt hatte, bereits mit in die Altkleidersammlung gegeben hätte – oder zumindest einen vergleichbaren, aber Fehlanzeige. Keine coolen Anoraks, eh kaum Wintersachen und ehrlich gesagt, nichts wirklich Gescheites. Also nichts, was ich hätte bedenkenlos für Anna oder Peter kaufen können. Ich schaute mir noch ein wenig das Treiben der Damen an, das Sortieren und das gleichzeitige Füttern des Schredders durch die Praktikantin, die vielleicht etwas älter als Anna war. Ich blieb noch eine Weile dort, fand aber wie gesagt nichts. Lederhosen fand ich diesmal genauso wenig, wie Latzhosen – nachfragen wollte ich jetzt auch nicht, so wichtig war es mir nicht. Ich musste zwar kurz an Annas Latzhosen denken, sah aber nichts dergleichen. Entweder waren sie also heute Morgen unverrichteter Dinge bereits im Schredder gelandet, oder sie liegen noch irgendwo in den Müllsäcken, falls Anna sie überhaupt am Samstag mit abgegeben haben sollte. Und je mehr ich drüber nachdachte, desto klarer wurde mir warum sie am Sonntag hier über den Zaun geklettert war – ich hoffte nur, dass sie gefunden hatte, wo sie nach suchte.

Ich zog weiter zum Sportladen wo der Adidas Anorak tatsächlich noch in meiner Größe vorhanden war. „Wenn Sie Ihren alten Anorak gleich hier lassen, bekommen Sie nochmal 15% Rabatt!“ – Ein verlockendes Angebot, in der Tat, aber ich lehnte dankend ab. Nein, wenn Anna mich ganz lieb fragt, dann darf sie ihn mal ab und zu anziehen aber ihn einfach so hier lassen, dafür dass er dann doch nur irgendwo im Recycling landen würde, nein das wollte ich nicht. Der neue Adidas Anorak passte wie angegossen und er gefiel mir richtig gut. Ich hatte mich spontan in ihn verliebt – der hatte durchaus Chancen, mein neuer Lieblingsanorak zu werden. Wobei ich doch auch meinen alten in liebevoller Erinnerung halten werde und nein, so einfach abgeben, ihn zerschreddern lassen – nein das kam nicht in Frage. Ich zahlte und fuhr frohen Mutes nach Hause. Endlich hatte auch ich mir mal wieder was Neues gegönnt, und das war auch lange, lange überfällig.

Als Anna Schulschluss hatte, wartete Tia schon am Tor auf sie. „Hier, Dein Rucksack, ist alles drin was ich gestern gefunden habe!“ Anna grinste, lächelte und sagte „Danke! Hast einen gut bei mir, Tia! Sehen wir uns heute Nachmittag noch?“ – „Gerne!“ antwortete Tia, als hätte sie nur drauf gewartet. Anna nahm ihren Rucksack, schaute nicht hinein, weil sie eh wusste, was drin war und hatte wieder ihre Zweifel: War die Aktion gestern all das wert? All den Ärger, der ihr noch bevor stand, dem Tia zum Glück ausweichen konnte, weil sie schnell genug wegflitzen konnte. Als Anna nach Hause kam, war sie wieder so schweigsam, wie die Tage zuvor. Sie ging in ihr Zimmer, schmiss die Klamotten in die Ecke und kam erstmal nicht wieder raus. Ich klopfte an, wollte mit ihr reden, wissen, was Sonntag nun wirklich alles passiert war und was Anna so alles auf dem Herzen hatte. Doch Anna öffnete nicht, sie wollte für sich alleine sein, was ich irgendwie auch gut verstehen konnte. Noch nicht mal meinen neuen Anorak, der mit an der Garderobe hin, hatte sie zur Kenntnis genommen.
AnnasMama
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Emma kam nach Hause und verkrümelte sich ebenfalls auf ihr Zimmer. Die schwarze Moonwashed-Latzhose lag immer noch zusammengeknubbelt in der Ecke, von Emma auch nicht weiter beachtet. Sie war irgendwie enttäuscht, hatte sich das mit Kevin alles ganz anders vorgestellt, hatte gehofft, ihn in seinen richtig coolen Sachen wieder zu sehen und nicht in langweiligen Jeans, so wie sie die alle trugen. Kevin in kurzer, enger Lederhose, das hatte noch was – oder auch in schwarzer Latzjeans, die ihm so richtig toll stand, aber nun wo das alles weg war? Wo auch keine Chance mehr bestand, Kevin irgendwann noch einmal in solchen Klamotten erleben zu dürfen? Emma wusste nicht so recht. Na klar, sie hatte wenigstens noch ihre Latzhose – aber mal ehrlich: Sollte sie die überhaupt nochmal anziehen? Sie als – vermutlich – einzige in der Klasse? Wo sie sich auch sicher war, dass selbst Anna ihre Latzhosen nicht mehr anziehen würde? Sie ahnte es jedenfalls, ohne wirklich konkret zu wissen, ob – oder ob nicht. Und selbst wenn, wie würden sie Anna noch passen? Und würde es noch aussehen – und würde sie dann nicht wieder Kevin ansprechen?

Sie wurde auf einmal eifersüchtig auf Anna, sah in ihr durchaus die Gefahr, dass sie sich doch nochmal an Kevin heranmachen könnte, dass sie ihm doch alles verzeiht und sie dann die wahre Verliererin sein könnte. Und sie hatte Angst, Angst vor den nächsten Tagen und Wochen, Angst davor, dass ihre Periode ausbleiben würde und sie ungewollt von Kevin schwanger geworden wäre – das wäre eine echte Katastrophe, nein – nicht schon in ihrem Alter, nicht jetzt, nicht so Gott verdammt früh. Emma schaute traurig in die Ecke, wo ihre Latzhose lag. „Du bist alles schuld!“ sagte sie und ignorierte sie, als wenn sie keine Antwort erwarten würde. Ja, Emma hatte einen Schuldigen ausgemacht – nicht Kevin, nicht sie selber, nein diese scheiß Latzhosen, die sie früher nie leiden mochte und jetzt auf einmal unbedingt haben musste, nur weil Kevin sie trug und sie sich bei ihm Chancen ausrechnete, wenn sie auch welche anziehen würde. Dass nun alles so und damit ganz anders gekommen war, nein, damit hatte sie nicht gerechnet. Auch Emma wusste nicht mehr weiter, hatte sie doch niemanden, dem sie sich anvertrauen konnte.

Kevin legte sich nachdem er zu Hause war erstmal auf’s Bett – traurig und frustriert, denn alles, was ihm einfach an Klamotten wichtig war, gab es nicht mehr: Keine kurze Lederhose, kein roter Kapuzennicki und auch keine schwarze Latzhose – selbst der alte Adidas Jogger war inzwischen Opfer von Heikes Aussortieraktionen geworden. Das, was ihm nun noch geblieben war, war aus seiner Sicht langweilige, herzlose Alltagskleidung – nichts, was er vermissen würde, wenn es auf einmal nicht mehr im Schrank läge. Wobei, doch – er wurde nachdenklicher: Die anderen in der Klasse trugen fast alle schon die Glanzshorts mit dem Schlitz an der Seite, die so groß und weit waren und nur noch einige wenige die „echten“ so wie er sie bezeichnete, die in Kindergröße – ohne seitlichen Schlitz und ohne Innenfutter. Er hatte Glück, Heike hatte ihn die beim letzten Mal noch gekauft, ob aus Unwissenheit oder Gleichgültigkeit – er wusste es nicht. Ihm war jedoch klar, dass er beim nächsten, allerspätestens beim übernächsten Mal auch diese langweiligen, viel zu weit sitzenden Shorts mit Seitenschlitz und Innenfutter bekommen würde. Heike würde seine als zu eng empfinden und abgeben, wenn er Glück hat, an Saskia – wenn nicht, dann würden sie seiner Lederhose sicherlich folgen.

Für zu Hause darin herumzulaufen traute er sich nicht, damit fielen sie auch zum Onanieren aus – fortan würde er (obwohl Sport derzeit nicht zu seinen Lieblingsfächern gehörte) jede einzelne Sportstunde genießen und darauf achten, welche der Mädchen ebenfalls noch in Sprintershorts kommen würde. Von Anna wusste er, dass sie auch noch welche hatte, obwohl sie in letzter Zeit auch ab und zu schon mal in engen, schwarzen Radlerhosen zum Sportunterricht erschienen war. Hoffentlich hat sie nicht schon ihre mit abgegeben, nachfragen wollte er ja schließlich auch nicht, denn dann würde Anna ihn ja sofort wieder als Feti sehen. Nein, er war happy, dass er noch eine schwarz-/weiße und eine weiß-/schwarze hatte – wobei ihm Annas in knallrot mit den drei weißen Streifen am besten gefiel, was sicherlich auch daran lag, dass sie bei ihr hauteng saß, während seine durchaus noch etwas lockerer waren. Vermutlich waren ihre eine Nummer kleiner, vielleicht auch zwei – mehr aber keinesfalls. Und wie gesagt, er war sich nicht mal sicher, ob sie ihre überhaupt nochmal wieder zum Sport anziehen würde. Wobei: Kevin wurde auf einmal kribbelig, sprang vom Bett auf und riss die Tür von seinem Kleiderschrank auf. Zum Glück, die beiden Shorts waren noch da! Heike hatte sie also am Samstag noch nicht mit in die Entsorgung gegeben – zugetraut hätte er es ihr durchaus schon!

Schon hatte er es sich auch schon wieder auf seinem Bett gemütlich gemacht – sein Glied war steif geworden bei all seinen Gedanken. Er dachte an Anna – der Gedanke daran, dass er sie vielleicht nie wieder in Latzhosen sehen würde, machte ihn ganz wuschig. Ja, ihre Latzhosen waren eigentlich am Ende, sie waren eng und saßen knapp – zur Schule in dem Alter durchaus grenzwertig, aber dennoch einfach geil. Er mochte diesen Anblick und hoffte natürlich darauf, gerade jetzt wo er selber nicht mehr durfte und auch nicht mehr zu hoffen wagte, selber noch einmal eine Latzhose anziehen zu können, geschweige denn eine coole Lederhose. Nein, da bräuchte er Heike erst gar nicht drauf anzusprechen, denn selbst wenn er irgendwo nochmal eine in seiner Größe finden würde, sie würde sie ihm sowieso nicht kaufen. Und selbst wenn er eine geschenkt bekäme, er dürfte sie nicht anziehen, das hatte er ja bei seiner Kunstlederjeans so schmerzlich erfahren dürfen. Schenken durfte ihm höchstens Oma irgendetwas und die war voll auf Linie mit Heike, also war auch aus dieser Richtung nichts mehr zu erwarten. Selbst wenn er also Oma auf einen Nicki oder eine Latzhose ansprechen würde, sie würde direkt Mama fragen und dann wäre der Ärger wieder vorprogrammiert, weil er bei Oma „gebettelt“ hätte. Nein, das wollte er nicht riskieren, zumal er mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür von Mama eine gescheuert bekommen hätte. Hoffentlich kommt Emma nur nicht irgendwann auf blöde Gedanken und schenkt ihm etwas, was Heike nicht leiden kann. Denn wie sollte er ihr dann erklären, dass er das dann vielleicht wenn er Glück hat ein einziges Mal anziehen darf, aber sicherlich nicht öfter.

Gegen Nachmittag zog Anna wieder los – sie hatte die Cordhose und das graue Sweatshirt, was sie morgens bereits zur Schule angezogen hatte an behalten, dazu allerdings die Nike Airforce 1. Während ich kurz fragte „Sind die auch von Marie?“ zog sie sich ihre College-Jacke an, schüttelte wortlos den Kopf und zog los. Sie traf sich mit Tia, irgendwo in der Stadt und war ihr durchaus dankbar für den Einsatz den sie gestern gezeigt hatte. „Ist doch Ehrensache“ meinte Tia, die sich einerseits freute ihre abgelatschten Nike Stiefel an Anna zu sehen, auf der anderen Seite jedoch etwas anders erwartet hätte, als eine rote Cordhose, ein graues Sweaty und eine College Jacke. Sie sagte allerdings nichts, ließ Anna auch nicht ihre Enttäuschung spüren. Sie selbst trug wieder ihre schwarze Lederjeans und das schlabberige weiße Sweatshirt dazu. An den Füßen trug sie Annas alte Winterstiefel und war froh, dass sie die beim Wichteln ergattert hatte. Sie passten wenigstens, auch wenn sie alt und abgetragen waren. Anna hatte sie halt oft angezogen.

„Hast Du wenigstens mal reingeschaut in den Rucksack?“ fragte Tia neugierig. „Hab‘ ich alles erwischt?“ – Anna schüttelte den Kopf. „Liegt alles noch unberührt bei mir im Zimmer! Ich weiß auch nicht so recht …“ erwiderte sie nachdenklich, während sie Tia ein Scheinchen als Danke schön zusteckte. „Hey Kleines, Danke! Wär‘ doch nicht nötig gewesen!“ Zumindest hatte sie schon fast das Geld für die paar Gramm zusammen, die sie so am Tag brauchte. Anna förderte das – unbewusst zwar, aber schließlich hatte Tia ihr ja auch durchaus geholfen. „Ich weiß auch wirklich nicht, ob das alles so richtig war – und vor allem, ob ich da echt nochmal was von anziehen kann …“ Anna schaute traurig drein, worauf Tia nur trocken meinte „Na klar kannst Du – ich trag doch auch Leder! Warum solltest Du das nicht auch können?“ Anna fühlte sich ertappt „Deine ist ja auch keine Latzhose, und vor allem Du kennst Kevin nicht – der hat mir den ganzen Spaß daran verdorben! Und Alex natürlich auch – ich hab‘ Angst, wenn der mich so sehen würde, der würde mir sofort die Klamotten vom Leibe reißen!“

„Ach was – völliger Blödsinn!“ Tia sah das alles etwas lockerer. „Dann ziehst‘e halt im Notfall ‘nen Pulli drüber, dann sieht man den Latz doch nicht! Das Feeling in so ‘ner Latzhose muss doch einfach nur geil sein!“ Anna war erstaunt über Tias Einstellung – konnte sich aber bislang keinen Reim darauf machen. „Und warum trägst Du dann keine Latzhosen?“ stichelte Anna direkt hinterher. „Erstens gibt’s die kaum noch in meiner Größe, hab‘ jedenfalls lange schon keine mehr gesehen – und zweitens stehen die Typen mehr auf echtes, sauenges Leder! Alles eine Frage der Kohle! Die wollen schnellen Sex, da wollen die Dich nicht erst noch komplett auspacken!“ Das war also der wahre Grund, warum Tia in der abgewetzten Echtlederjeans rumlief – Berufsbekleidung könnte man es positiv formuliert nennen, aber ja, sie steckte halt schon zu tief in der Scheiße drin, als dass sie dort von alleine wieder rauskommen würde. Und für Anna bestand durchaus die Gefahr, dort auch hineinzurutschen, jedenfalls war diese größer als die Chance, Tia helfen zu können oder sich zumindest bei ihr zu revanchieren.

Tia hatte schwere Zeiten hinter sich – schon seit sie noch zur Grundschule ging waren Gewalt und Streitereien waren an der Tagesordnung und Tia bekam davon stets reichlich ab. Und dann eines Morgens die Katastrophe: Papa hatte am Abend zuvor wieder ordentlich gesoffen, wollte Mama zur Arbeit, die kleine Schwester in den Kindergarten und sie zur Schule bringen. Die ganze Fahrt über waren die beiden vorne am Streiten, Tia war auf dem Rücksitz kurz weggedöst weil sie einfach noch viel zu müde war und schlecht geschlafen hatte. Immer wieder wurde sie aufgeschreckt durch ein „Pass doch auf!“ – „Musstest Du den jetzt noch überholen?“ – „Ras nicht so!“. Das letzte an was sie sich noch erinnern konnte war ein lautest „Willst Du uns umbringen?“ von Mama – danach ein dumpfer Aufprall, Schreie, Kreischen und dann Stille – endlose Stille, bis sie nach Stunden im Krankenhaus aufwachte – auf der Intensivstation, mit gebrochenen Knochen, inneren Blutungen und Verletzungen, die beinahe tödlich gewesen wären. Mama und die kleine Schwester überlebten den Unfall nicht, waren auf der Stelle tot – wie sie viel später erst erfuhr – der seitliche Aufprall des alten Kleinwagens gegen den Baum gab beiden keine Überlebenschance. Papa blieb nahezu unverletzt, eine Blutprobe wurde natürlich nicht entnommen und vor Gericht konnte sein Anwalt alles als tragischen Unglücksfall darstellen. Er kam mit einer Geldstrafe davon – Tia hat ihn seit dem nie wieder gesehen. Das alles hatte sie aus der Bahn geworfen, so verständlich es auch war umso weniger kam man an sie heran. Sie lebte einige Zeit bei Oma, hatte aber auch nur ständig Streit mit ihr – weil sie die Schuld natürlich beim Vater sah, während Oma ihm die Nummer mit dem tragischen Unglücksfall abkaufte. Mit Anna hatte sie seit langen zum ersten Mal wieder jemanden, dem sie all das anvertrauen konnte.
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Da die Pipeline gerade gut gefüllt ist, gibt es heute schon den nächsten Teil. Viel Spaß beim Lesen und einen schönen, entspannten Abend :!:

Der Winter war kurz und dafür heftig, diesmal mit verhältnismäßig viel Schnee. Usselige Tage, die zum Glück wie im Fluge vergangen waren. So schnell wie in diesem Jahr war es gefühlt lange nicht mehr. Die Tage wurden wieder länger, es war merklich Frühling geworden und Kevin wartete immer noch vergeblich darauf, Emma in Latzhosen zu sehen. Auch Anna trug ihre nicht mehr – zumindest hatte Kevin sie nicht mehr in welchen gesehen. Für ihn also absolute Langeweile, wenn gleich er sich darüber gewundert hatte, dass sie ab und dann in völlig abgelatschte Nike Airforce 1 zur Schule kam, was er aber gar nicht großartig zur Kenntnis genommen hatte. Der einzige Lichtblick für ihn waren die zwei Tage in der Woche, wo sie Sportunterricht hatten und zumindest er seine engen Adidas Sprintershorts anziehen durfte. Anna trug ihre auch nur noch sehr selten, um nicht zu sagen fast überhaupt nicht mehr – doch da traute sich Kevin nicht groß nachzufragen. Auch bei Emma – die in den langweiligsten Sportklamotten die man sich nur vorstellen konnte erschien – traute er sich nicht zu fragen, obwohl sie beide doch viel Zeit miteinander verbrachten. Wobei vielleicht sollte er sie doch einfach mal drauf ansprechen, mal ganz blöd nachfragen – denn zumindest bei ihr war er sich gar nicht mal sicher, ob Emma überhaupt Adidas Shorts hat.

„Übrigens“ meinte Emmas Mama eines Nachmittags zu ihr „Tante Melanie und Lena kommen heute Nachmittag zu Besuch! Du könntest ruhig mal wieder Deine Latzhose anziehen – die beiden freuen sich doch bestimmt, wenn Du die trägst! Oder soll ich die bei nächster Gelegenheit mit wegschmeißen?“ Emma wurde verlegen – hatte sie die Latzhose doch seit der letzten Altkleidersammlung und dem Besuch am High 5 noch nicht wieder getragen. „Wegschmeißen?“ fragte Emma und schüttelte den Kopf. „Ja – wegschmeißen! Frag‘ doch nicht so blöde sonst ist die schneller weg, als Du gucken kannst!“ grinste Mama und wusste genau, dass sie Emma auf dem richtigen Fuß erwischt hatte. „Entweder anziehen oder wegschmeißen – kannst Du Dir ja überlegen! Nur wenn Du sie nicht mehr magst, kommt sie weg! Verstanden?“ Emma war in der Zwickmühle – einerseits wollte sie die Latzhose eigentlich erstmal ‘ne Weile lang nicht mehr anziehen, zumindest wartete sie auf ein deutliches Signal von Kevin, andererseits das Ding einfach so wegzuschmeißen kam auch nicht in Frage. Gut, Tante Melanie würde es ihr sicherlich nicht übel nehmen, zumal sie bei ihr ja auch fast im Altkleidersack gelandet wäre.

Emma hasste es, anziehen zu müssen, was Mama wollte und sie hasste es umso mehr, Klamotten von Lena anziehen zu müssen, wenn Tante Melanie dabei war. Sie genierte sich, fast war es sogar ein wenig sich schämen, denn die meisten Sachen die sie sonst von Lena geerbt hatte waren zwar alle in passender Größe, aber meist dann doch nicht ihr Geschmack. Und es dann quasi der Tante vorführen zu müssen, nein das mochte sie noch nie. Wobei sie heute mal eine Ausnahme machen würde, denn schließlich hatte Tante Danny ja Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, dass sie noch mal an eine Latzhose kommen würde. „Und was soll ich zur Latzhose anziehen, Mama?“ fragte Emma mit dennoch leicht genervtem Unterton. Schließlich hatte sie ja zur Schule wieder eines ihrer Blümchenkleider getragen, so wie so oft in letzter Zeit. Emma und Hosen – das ging irgendwie nicht. Warum eigentlich nicht? Vielleicht sollte sie doch mal wieder öfters Hosen tragen, vielleicht sogar auch die Latzhose – oder was anderes, was Kevin gefallen könnte.

„Nimm einen von den ollen Jogger-Pullis, hier den alten grau/gelben Victory – für zu Hause geht der noch …“ „Ausgerechnet den? Na gut, wenn’s sein muss!“ – „Passt der noch, oder ist der auch schon wieder zu klein?“ Emma schlüpfte hinein und in der Tat, der passte noch. Jogginganzüge waren immer das „Lieblingsgeschenk“ von Tante Melanie – entweder gab’s die neu zum Geburtstag oder zu Weihnachten, oder gebraucht mal so zwischendurch, wenn gerade aussortiert wurde und die Hosen noch nicht durch waren. Oftmals gab’s auch nur noch die Pullis, die Lena eigentlich schon fast aufgebraucht hatte, die dann aber meist doch nochmal im Waschkorb für Emma anstatt in der Altkleidersammlung (wo sie eigentlich eigentlich hingehört hätten). Tante Melanie meinte zwar jedes Mal „Was nichts mehr ist, kannst Du ruhig sofort mit wegschmeißen“ wobei Mama dann doch im Regelfall davon keinen Gebrauch machte und alles auf dem „Altkleiderpäckchen“ in Emmas Kleiderschrank wanderte, wo die Sachen für zu Hause oder für im Garten zum Aufbrauchen lagen. Alte Klamotten hatte sie eigentlich immer reichlich, wobei solche Päckchen auch mit schöner Regelmäßigkeit ausgetauscht und durchsortiert wurden. Emma hatte da keinen Einfluss drauf, von der großen Schwester kam immer viel Nachschub, genauso von Lena – und für die kleine Schwester wurde so gut wie nichts mehr verwahrt. Das Nesthäkchen bekam dann doch meist neues Zeug, zu Emmas Enttäuschung, weil irgendwie bekam die Kleine immer viel mehr als sie selber.

Emma hatte also den alten Victory-Pulli und die schwarze Jinglers Latzhose dazu angezogen. „Der Pulli geht doch noch ganz gut – der passt zur Hose!“ Emma schmunzelte – und das einzige was sie passend fand war, dass beides alt und abgetragen aussah. Den Pulli mochte sie noch nie groß leiden, der billige Synthetik Stoff hatte vom vielen Waschen deutliche Spuren abbekommen, der war fusselig geworden und die Knötchenbildung war deutlich zu sehen. Nur vor allen Dingen war es eben einer von Victory, der Hausmarke einer großen Schuhkette, und eben kein Adidas oder Nike. Nein, die waren als Jogginganzug viel zu teuer – die sind doch eh ruckzuck durch, die lohnen sich doch überhaupt nicht, war immer das, was sie zu hören bekam, wenn sie mal danach fragte. So wartete sie also in gezwungenem Outfit auf Tante Melanie und Lena, die auch beide kurze Zeit später vor der Tür standen.

„Hi“ wurde sie freundlich begrüßt. Der liebevollen Umarmung von Tante Melanie folgte sobald die Frage „Jetzt sag bloß, der Pulli passt Dir immer noch? Den hast Du doch jetzt auch schon ‘ne ganze Weile! Aber die Latzhose steht Dir ja total klasse – gut dass ich die nicht mit weggeschmissen habe! Die ziehst Du doch bestimmt oft an, oder?“ Emma wurde verlegen – weil jetzt was Falsches sagen könnte die positive Stimmung direkt wieder kaputt machen. „Die ist für zu Hause!“ antwortete sie wahrheitsgemäß und etwas ausweichend. „Die ist doch noch richtig toll – die kannst Du ruhig auch zur Schule anziehen!“ meinte ihre Tante. „Aber dann nicht mit dem Pulli – der ist schon reichlich knapp!“ erwiderte Emma und streckte die Arme weit aus um zu zeigen, wie kurz die Ärmelchen doch in der Zwischenzeit geworden sind. „Dann nimmste halt meinen Ringel-Nicki dazu, der passt mir auch kaum noch“ mischte sich Lena ein. „Oder hattest Du den beim letzten Mal schon mit wegschmissen, ich meine nicht, oder?“ „Nee, der ist noch da – den wollte ich zwar in den Sack stecken, weil der eigentlich nicht mehr ganz so schön war – aber Du hast den doch unbedingt nochmal anziehen wollen! Von mir aus kann Emma den haben, wegschmeißen kannst Du ihn dann ja immer noch, wenn er Dir nicht gefällt …

Emma strahlte wie ein Honigkuchenpferd – endlich könnte sie von Lena mal was Gescheites abgreifen. Und wo sie gerade so schön beim Thema Klamotten waren, traute sich Emma nachzufragen: „Du sag mal, Tante Melanie ...“ – „Was ist denn?“ – „Du sag mal …“ Emma druckste herum und brachte kaum ein Wort aus sich raus. „Nur nicht so schüchtern, kleine Maus, watt iss?“ – „Was hältst Du eigentlich von Lederhosen?“ Tante Melanie schaute überrascht, Emmas Mama auch und Lena polterte aus sich heraus: „Hatte ich früher auch mal – die war blöde, hab‘ ich nie so richtig gemocht …“ Emma hakte nach: „Was denn für eine?“ – „Knallrotes Kunstleder!“ grinste Lena. „Wo ist die überhaupt?“ – „Schon lange in der Altkleidersammlung – nachdem Du die auf dem Spielplatz an hattest, war die sowas von zerkratzt, dass ich die nicht mehr verschenken wollte. Außerdem hast Du die ja nie gerne getragen! Und wenn Du die nicht damals geschenkt bekommen hättest, gekauft hätte ich Dir keine – und ehrlich gesagt, ‘ne Lederhose in dem Alter muss eigentlich nicht sein, da bist Du doch noch etwas zu jung für!“ Und Mama ergänzte kurz und knapp: „Gibbet nich – brauchse auch gar nicht quengeln – da kann Anna noch so oft ihre anziehen! Ich weiß auch nicht, warum Du ausgerechnet jetzt wieder davon anfangen musst …“

Das war nun wirklich nicht das, was Emma hören wollte. Lenas Lederhose war also irgendwann mal im Altkleidersack gelandet und so wie sie die beschrieben hatte, hätte ihr die durchaus gefallen können. Schließlich war es etwas ruhig geworden um Kevin, sie war zwar zum Glück nicht von ihm schwanger geworden und mochte ihn auch ohne Latzhosen ganz gut leiden, aber irgendwie vermisste sie die an ihm doch. Und sie vermisste auch seine kurze Lederhose, in der doch so süß aussah – die so richtig schön knackig eng saß. Vielleicht sollte sie einfach doch noch mal wagen, ihre Latzhose beim nächsten Treffen wieder anzuziehen, ob ihm ihr „neuer“ Nicki gefallen wird – oder ob sie damit nur noch mehr alte Wunden bei ihm aufreißt? Jedenfalls hatte nie gefragt, was aus ihrer Latzhose geworden ist und warum sie die bisher nicht mehr wieder angezogen hat. War es Desinteresse oder einfach nur Bammel davor, dass sie tatsächlich kurzen Prozess gemacht haben könnte und sich einfach für „Tonne auf – Latzhose rein – Tonne zu“ entschieden haben könnte. Oder dass ihre Mama … Nein, Emma war sich mehr und mehr sicher, wenn das nochmal Schub in die Kiste bringen sollte, müsste sie wieder aktiv werden – ewig warten, bis er sie doch auf die Hose anspricht, nein das wollte sie nicht – zumal Tante Melanie ihr unmissverständlich mit auf den Weg gegeben hatte, dass sie in der Latzjeans richtig gut aussieht, jedenfalls tausend Mal pfiffiger als in den langweiligen Blümchenkleidern, die sie sonst für gemeinhin anzog.

Anna hingegen war zum Glück wieder etwas aufgetaut – der ganze Rummel um Alex, Tia und die letzte Altkleidersammlung hatte sich wieder gelegt. Sie hatte mir eines Abends alles gebeichtet und sich gewundert, wie verständnisvoll ich doch auf all das reagiert hatte. „Ich hatte solche Angst, dass Du mir richtig eine gescheuert hättest …“ meinte sie traurig und in der Tat, sie stand wirklich kurz und knapp davor, aber nicht wegen dem Scheiß, der passiert war, nein weil sie nur noch zickig, bockig und trotzig war und mir dabei das ein oder andere böse Wort an den Kopf geschmissen hatte. Ich konnte es nachempfinden, obwohl ich Anna nie wirklich oft geschlagen hatte – aber die paar Male, wo mir die Hand ausgerutscht und unverrichteter Dinge auf ihre Wange eingeschlagen war, waren wohl doch prägender in Erinnerung geblieben als befürchtet. Ihre Latzhosen lagen also alle wieder bei ihr im Schrank – zwar unten auf dem Altkleiderpäckchen, der Lederanorak und die kurze Lederhose auch. Angezogen hatte sie seitdem nichts davon, obwohl Tia immer wieder stichelte und nachfragte – aber nein, und da sie in den letzten Wochen und Monaten kaum gewachsen und auch nicht an Gewicht zugelegt hatte würden sie definitiv noch passen, knapp zwar aber ich denke schon und war doch letztlich guter Hoffnung, dass sie die irgendwann in nächster Zeit mal wieder vorkramen würde. Denn sie meinte letztens ganz trocken zu mir: „Mama – wenn wir nächstes Mal zum Griechen Essen gehen, darfst Du Dir wünschen, was ich anziehe!“
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Ich war erleichtert, dass Anna ihre Sachen beim Textilverwerter wiedergefunden hatte – bzw. genauer gesagt Tia war es ja, die ihr hilfsbereit – wenn auch nicht ganz legal – zur Seite gestanden hatte. Und ich konnte es nachvollziehen, dass sie auf der einen Seite die Schnauze voll hatte und sich von Alex hatte beeinflussen lassen – auf der anderen Seite war ich Tia aber auch dankbar für ihren Einsatz. Denn obwohl Anna seitdem nichts mehr von den Klamotten angezogen hatte, war ich mir sicher, dass sie sich heftigste Vorwürfe gemacht hätte, wenn sie sich nicht zusammen mit Tia die Sachen wiedergeholt hätte, zumal wo sie ihr durchaus noch passen – wenn zwar knapp und bei der kurzen nicht sicher, ob sie auch noch passen wird, wenn die Temperaturen es wieder zulassen kurzes Zeugs zu tragen. Obwohl die dicke bunte Ringelstrumpfhose bestimmt auch gut dazu aussehen würde.

In einem war ich mir jedenfalls sicher – wenn die Sachen dort geblieben wären, sie hätten keine Chance mehr auf Weiterverwertung gehabt. Ich glaube, sie wären nicht mal eines Blickes gewürdigt worden sondern auf direktem Wege im Reißwolf gelandet. Und selbst die Praktikantin, die hin und wieder mal nachgefragt hatte, hätte bei den Sachen bestimmt keine Nachfragen mehr gehabt. Denn schließlich hatte ich sie ja selber schon vor dem Schreddern bewahrt – etwas, was Anna zum Glück nie so richtig bewusst geworden war. Oder vielleicht doch? Ich war mir zunehmenst unsicherer. War das etwa der wahre Grund, warum sie die Sachen so lange nicht mehr getragen hatte? Wobei es ihr eigentlich immer egal war wo die Sachen her kamen, wobei natürlich immer am liebsten von Marie. Dann bestünde also am ehesten die Chance, sie in der kurzen Lederhose zu sehen, denn die kam ja schließlich gerade dort her. Jedenfalls nahm ich mir fest vor, ihr nicht mehr in Klamottenfragen reinreden zu wollen – irgendwann werden ihr die Sachen zu klein sein und dann kann sie immer noch entscheiden, was draus werden soll. Wobei ich die selbst Peter nicht mehr zumuten würde, ist halt doch noch mal ein Unterschied, ob’s das eigene Kind ist oder jemand „fremdes“.

Emma wartete mit Spannung auf den Ringelnicki, den sie von Lena bekommen sollte. Und sie fasste sich ein Herz, zog eines Morgens den alten, verwaschenen Victory Pulli und die schwarze Moonwashed-Latzhose zur Schule an. Dazu weiße Billig-No-Name-Turnschuhe und ihre dünne, rote Regenjacke. Was Kevin wohl dazu sagen würde? Mama jedenfalls schmunzelte schon sehr am Frühstückstisch – sagte aber nichts. Auch von beiden Schwestern keine dummen Bemerkungen – wobei sie in Mamas Augen ein „muss das wirklich sein“ ablesen konnte. Und ja, das musste sein – wenn der kleine doofe Kerl schon nicht die Zähne auseinander bekommt und ihr klipp und klar sagt, was er von ihr erwartet dann halt zwei Gänge zurückschalten und volle Pulle nach vorne. Wer weiß, wie lange ihr die schwarze Latzjeans überhaupt noch so einigermaßen passen wird. Denn das war auch Emma klar, ist sie irgendwann zu eng, ist sie auch ganz schnell weg – denn für die kleine Schwester würde Mami die Hose bestimmt nicht mehr verwahren wollen, und den Pulli auch nicht. Wobei der Pulli halt mehr ‘ne Notlösung war bis sie endlich den erhofften Ringelnicki dazu anziehen könnte. Dann wäre ihre Welt wieder einigermaßen in Ordnung – denn schließlich war auch der Mangel an einem richtig coolen Sweatshirt Grund dafür, dass die Latzie in letzter Zeit kaum Beachtung fand. Denn der Pulli den sie zur Altkleidersammlung und auf dem High 5 getragen hatte, hatte inzwischen das zeitliche gesegnet. Ansonsten war Fehlanzeige, was coole Sweatshirts und Pullis angeht – da bahnte sich durchaus Shoppingbedarf an.

Sarah übrigens verstand es auch immer wieder mit ihren Nike-Sweatshirts für Überraschungen zu sorgen. Kevin hatte die zwar noch nicht in sein Beuteschema integriert, war aber durchaus fasziniert, wenn sie mal wieder mit einem bis dato unbekannten Exemplar zur Schule auftauchte. Auch er war – genau wie Anna – mehr der Adidas Typ, so dass ihm ein vergleichbares Adidas Shirt wohl mehr aus der Reserve gelockt hätte, zumal sein durchaus noch einigermaßen erhaltener Adidas Jogger bei der letzten Altkleidersammlung so sang und klanglos mit verschwunden war. Natürlich machte er sich auch darüber Gedanken und ob er vielleicht dort noch einmal aussortiert worden wäre – wobei er sich fast sicher war, auch der ist Futter des nimmersatten Reißwolfs geworden. Wenn Mami ihn schon nicht mehr an Saskia zum Auftragen weitergibt, dann soll das schon was heißen. Ihm selbst war das bei Tragen alles nicht bewusst, für ihn waren all die Anziehsachen geile Stücke, die schon beim Betrachten und erst recht beim Tragen zur Erregung führten. Und jetzt, wo sie nicht mehr da sind spürte er genau diese Erregung beim Zurückdenken daran, insbesondere wenn er sich vorstellte, dass die Sortiererin das gute Stück in den Händen hält, kurz und knapp begutachtet (denn viel Zeit bleibt dabei nie) und dann die Entscheidung fällt: Tod durch Schreddern im Reißwolf – Höchststrafe – vollstreckt von der jungen Praktikantin, die eine Berufung oder gar ein Revisionsverfahren gar nicht erst zulässt.

So fiel Kevin auch nicht weiter auf, dass Sarah zur Jeans und Collegejacke heute ein mittelblaues Nike Sweatshirt trug, das bereits seine besten Tage lange hinter sich hatte. Er schaute vor Schulbeginn öfters als sonst zu ihr rüber, trug sie doch bei dem schönen frühlingshaften Wetter die Jacke offen, so dass jeder – aber auch wirklich jeder – das Shirt deutlich erkennen konnte. Inzwischen war auch Emma auf dem Hof angekommen, ob es ihr gelingen würde, Kevin zu beeindrucken? Ob Kevin heute endlich mal was sagen würde? Und was, wenn er plötzlich anfing über sie zu lästern – wenn ihm ihr Outfit einfach nur blöd vorkäme? Ach was, egal – dickes Fell, da muss sie jetzt durch. War halt ein Versuch – ein letzter, vielleicht sogar allerletzter – denn wenn Kevin jetzt immer noch nichts sagt, dann würde sie ihm die Freundschaft endgültig kündigen, nach der Schule ihr Sparschwein töten und von Mama etwas Geld für neue Anziehsachen erbeten. Und die Latzjeans sowie den Pulli würde sie eigenhändig in die Tonne werfen – so viel wäre sicher! Aber noch war sie guter Dinge, noch hoffte sie Kevin mit ihrem Outfit endgültig überzeugen zu können.

Obwohl das Wetter in den letzten Tagen stürmisch und regnerisch war, traute sich Anna immer noch nicht wieder in Ledersachen zur Schule. Auch ein liebevoll gemeintes „Schatz – es ist echtes Schmuddelwetter …“ brachte sie nicht auf die richtige Fährte. Die schokoladenbraune Lederlatzhose und der dazu passende Anorak mit Teddyfutter und fester Kapuze blieben im Schrank. Ich wollte natürlich auch nicht allzu sehr aufdringlich sein– immerhin hatte sie mir ja versprochen, beim nächsten Restaurantbesuch beim Griechen dürfte ich mir ihr Outfit wünschen. Wobei ich mir überhaupt nicht sicher war, was ich mir nun wünschen sollte: Durfte ich tatsächlich von ihr erwarten, dass sie meinetwegen nochmal ihre alten Ledersachen anzieht? Sollte ich mir stattdessen lieber etwas wünschen, wo auch sie sich drin wohlfühlt? Oder brauchte sie einfach nur den Stups um nochmal über ihren Schatten zu springen? Ich denke, ich werde sie einfach kurz vorher drauf ansprechen und ihr dann die endgültige Entscheidung überlassen – wahrscheinlich ist das eh das Beste. Denn was nützt es, wenn Mama ihren Willen bekommt und Tochter trotzdem den ganzen Tag lang mies drauf ist? Da wäre auch niemandem mit geholfen.

Peter jedenfalls freute sich auf den kommenden Sommer – wohl wissend, dass es im Sommer eigentlich zu warm ist für seine Kniebundlederhose, die er in letzter Zeit fast ständig trug. Frankie war es nur recht, war doch sein Sohnemann nun auch die Woche über mehr bei ihm als bei seiner Ex. Der orangene Hoodie, den er von mir zur Hose geschenkt bekommen hatte, war immer noch seine Nummer 1. – den Druck auf der Vorderseite zwar vom vielen Waschen total verblasst und die Bündchen an den Ärmeln vom vielen Hochschieben total ausgeleiert, aber was soll’s. Toll, wenn Kinder so wunderschön unkompliziert sein können, aber in dem Alter geht das ja noch. Warten wir mal zwei, drei Jahre ab – dann wird auch er seine Lederhose hassen und sich dafür verfluchen, dass er jemals eine angezogen hat. Von daher genoss ich jeden einzelnen Tag mit ihm und war stolz, dass er so problemlos alles mit machte. Und Frankie war happy – sparte er doch jede Menge Geld, was er sonst für Jeans und andere Hosen hätte ausgeben müssen.

Ob ich ihn für eine kurze Lederhose begeistern könnte? Für so eine, wie Anna sie hat? Aber sie würde ihre bestimmt dafür nicht hergeben wollen, nicht mehr jetzt, wo Tia sie auf letzter Minute noch für sie zurückgeholt hat. Nein, Anna wird sich wenn das Wetter besser wird wieder hineinzwängen, garantiert zumindest mal Tia zu Liebe um ihr zu zeigen, wie geil sie in den knappen Ledershorts doch aussieht. Und außerdem wären mir Annas kurze Lederhose doch zu abgewetzt, nicht dass sie nicht noch für ein weiteres Kind halten würden, aber Peter hätte durchaus auch eine nagelneue verdient, zumal sie eh nach ein Tagen ziemlich heruntergekommen aussehen wird. Da war es wieder, das Problem verbunden mit der Frage, was mutest du deinem eigenen Kind zu und was fremden Kindern, denn trotz aller Vertrautheit war Peter halt nicht mein Sohn. Und Müll verschenke ich halt nicht – schlimm genug, dass ich für Anna „Müll“ gekauft habe, aber was tut man als Mami nicht alles für sein Kind. Und klar, viel lieber wäre ich auch nach H&M gegangen und hätte ihr die Latzhosen nagelneu gekauft und nicht bei UsedTex vor dem Schredder gerettet – aber wenn H&M Gott verdammt nochmal keine im Programm hat, wenn man welche sucht? Was dann? Dann greifst du nach dem letzten Strohhalm und nimmst auch die, die ein paar Minuten später in tausend kleine Fetzten zerrissen worden wären (auch wenn das durchaus gerechtfertigt gewesen wäre). Aber finde erstmal die Klamotten, die du suchst und für Dein Kind gerne hättest, wenn kein Laden sie hat. Von daher würde auch die Suche nach einer gescheiten kurzen Lederhose für Peter durchaus eine Herausforderung.

Ich war jedenfalls froh, dass ich mich für den neuen Adidas Anorak entschieden hatte. Preislich war er durchaus ok, Anna fand ihn dann doch cool – aber viel zu Retro. Zum Glück, denn sonst hätte sie ihn mir wahrscheinlich direkt weggeschnappt, auch wenn er ihr noch zu groß gewesen wäre. Nicht einmal der Wunsch kam auf zu schauen, ob er auch in einer für sie passenden Größe verfügbar gewesen wäre. Der Anorak sah cool aus, passte wunderbar zur Latzjeans und zur Nubuk Lederhose – selbst Katrin, die ja auch nicht allzu sehr auf Retro steht gefiel er gut. Von ihr gab’s jedenfalls nur positives Feedback, wobei mir auffiel, dass sie die einzige war, die mich auch direkt auf meinen alten Anorak ansprach. „Was machst Du denn jetzt mit Deinem alten Anorak?“ wollte sie neugierig wissen. „Den behalt ich erstmal und dann mal sehen – vielleicht geht der bei der nächsten Altkleidersammlung mit weg oder Anna schnappt sich den! Ich weiß es noch nicht, der frisst ja kein Brot!“ Und bis dahin ist ja noch etwas Zeit, zumindest hatten wir schon seit langem keine Altkleiderzettel mehr im Briefkasten.
AnnasMama
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Re: Anna

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Kevin war erstaunt über Emmas Outfit – sah sofort, wie sie ihm bereits auf dem Schulhof zuzwinkerte. Natürlich hatte er sofort die Latzhose erkannt, die Emma zugegebenermaßen noch etwas schüchtern unter der Regenjacke versteckt hielt. Emma in Jeans war in der Tat eine Seltenheit und Emma in Latzhose erst recht. Kevin war durchaus klar, dass er jetzt schon irgendwie was sagen musste, wenn er es sich nicht fortan völlig mit Emma verscherzen wollte. Er war aufgeregt und nicht nur das, er spürte auch sichtlich seine Erregung: Sollte Emma also wirklich noch einmal ihre Latzhose vorgekramt haben? Sollte also echt unter der Regenjacke gleich der so schmerzlich vermisste Latz zum Vorschein kommen? Oder wird die den Pulli drüber tragen und das Leckerli verstecken? Er ging langsam – aber zielsicher auf Emma zu, umarmte sie so wie er es schon lange nicht mehr gemacht hatte und Emma spürte sofort „Chacka – alles richtig gemacht!“ Sie schaute zu ihm rauf und gab‘ ihm unverrichteter Dinge einen dicken Kuss mitten auf den Mund. Na siehste, geht doch – das Eis war jetzt wieder gebrochen und Kevin flüsterte ihr beim Reingehen ins Klassenzimmer leise in Ohr „Ich hab‘ Dich lieb …“ – worauf ihn Emma mit ganz großen Augen ansah: „Wirklich?“ – „Ja, wirklich …“

„Übrigens, geiler Pulli – der sieht ja mal richtig cool aus zur Latzi! Ich freu‘ mich so, dass Du die mal wieder an hast!“ strahlte er und man konnte ihm seine Freude echt ansehen. „Ich hatte schon befürchtet, Du hättest die wegschmissen. Wo hast Du die eigentlich her?“ Endlich fragte er mal nach, endlich zeigte auch Kevin Interesse, das wo Emma so lange schon drauf gewartet hatte. „Ach, die ist schon uralt, von meiner Cousine, wär‘ fast auch mit weggeschmissen worden …“ – „Wie jetzt? Echt?“ fragte Kevin erstaunt während sich seine rechte Hand langsam aber sicher zwischen Rückenlatz und Pulli schob um sie zu streicheln. Das war es, was Emma so lange vermisst hatte und was zum Glück doch noch da war. Sie war rollig, er wuschig – nur diesmal hatte sie das Gummi schon in der Hosentasche. In der großen Pause würde sie mit ihm – wobei, warum bis zur großen Pause warten? Sie war heiß, heiß wie so lange nicht mehr – und Kevin spürte das auch. So gab’s nach dem Vorspiel in der ersten Unterrichtsstunde, wo beide in der letzten Reihe sitzend heiß miteinander flirteten für beiden in der kleinen Pause kein Halten mehr: Ab auf die Toilette, diesmal an alles gedacht und kurzer, intensiver, aber nicht minder zärtlicher Sex! Sie hatte ihn zurückerobert und obwohl er nur ‘ne normale Jeans an hatte war er für Emma immer noch attraktiv und liebevoll. Und Kevin hatte seine Emma endlich so, wie er sie am meisten leider mochte: In alter, enger, verwaschener Latzjeans und ‘nem coolen Pulli, der für ihn weit mehr war, als nur eine Verlegenheitslösung!

Und diesmal brauchte Emma wirklich nicht zu fragen, die Komplimente zur Jeans und zum Pulli sprudelten nur so aus Kevin heraus. Dazu immer wieder seine rechte Hand streichelnd zwischen Rückenlatz und Pulli – ja, der frische Morgen war ganz nach Emmas Vorstellungen. Dazu kam noch, dass Kevin ihr durchaus zu verstehen gab, dass er sie doch eigentlich auch ohne Latzhose total süß finden würde und dass er sie natürlich mit tausendmal süßer findet (was er aber lange Zeit nicht so richtig zu sagen wusste). Er hatte halt Angst, sie ausschließlich auf die Latzhose zu reduzieren, was natürlich völliger Quatsch wäre. Nein, es war wirklich Emma, was er mochte und wollte, und nicht nur diese Hose – wobei im Gesamtpaket Emma einfach nur endgeil aussah. Diese knappe, enge Jeans – in der sie (man verzeihe den Ausdruck) einen richtig knackig geilen Arsch hatte und dann dieser stramm sitzende Latz, der wirklich kaum mehr Spielraum hatte, all das passte zu ihr – das machte sie attraktiv und für Kevin begehrenswert. Aus dem Mauerblümchen war eine richtig geile, kleine, scharfe Ratte geworden, die es für sich verstand mit ihren Reizen zu punkten, was ihr voll und ganz gelungen war. Sie hatte endlich erreicht, was sie schon lange erreichen wollte und sich insgeheim geärgert, warum sie nicht einfach schon viel früher und öfters diese olle Latzhose angezogen hatte, denn hätte sie sich eher getraut, wäre manches sicherlich viel einfacher gewesen. Emma war glücklich und zufrieden, da war es auch gar nicht schlimm, dass sie sich in der Mathearbeit eine fünf plus eingefangen hatte. Das würde zwar zu Hause Ärger geben, aber was sollte schon passieren?

Und wie selbstverständlich hatten sich Kevin und Emma für Nachmittags verabredet. „Ich kann Dir ja ein bisschen bei Mathe helfen …“ meinte er schelmisch und nicht ohne Hintergedanken. Denn er wäre nicht er, wenn er nicht versuchen würde, jede Minute in der er Emma in der Latzhose und dem völlig fertigen Joggerpulli sehen könnte, auszunutzen. Denn ihm war klar, selbst wenn Emma morgen wieder in Latzhose und Joggerpulli zur Schule kommen würde, sind die Tage wo sie beides anziehen wird gezählt. Länger als zwei, drei Tage hintereinander hatte sie nie das gleiche Zeug zur Schule an, das hatte er durchaus bereits abgecheckt. Aber ja, er wünschte sich das natürlich und ließ es Emma auch unmissverständlich wissen: „Die kannst Du jetzt ruhig mal wieder öfters anziehen!“ ermunterte er sie. „Echt? Meinst Du wirklich?“ fragte Emma etwas unsicher, wobei nicht so ganz klar war, ob sie ihn nicht nur foppen wollte – denn ihr war längst klar geworden, dass sie nicht umherkommen wird, die Sachen öfters zu tragen. Zum einen fühlte sie sich ungemein wohl in der eng sitzenden Jeans, und zum anderen gab es erstaunlich wenig „Gegenwind“ – will heißen, von den anderen komischerweise überhaupt keine blöden Kommentare.

Anna hatte das alles natürlich volles Rohr mitbekommen. Nein, sie hatte Kevin natürlich immer noch nicht verziehen, dass er einfach so ungefragt ihre Kunstlederlatzhose anprobieren müsste, aber ein wenig eifersüchtig war sie schon auf Emma. Sie hatte sich wirklich gemausert, sah in der knackigen Latzjeans echt scharf aus – so scharf hätte Anna sie niemals vermutet. Aber wie heißt es so schön „Stille Wasser sind tief“ und „Hunde, die bellen, beißen nicht“ – wobei Kevin geradezu angebissen hatte. Anna war froh und glücklich darüber, dass sie ihre alten Latzhosen noch einmal zurückgeholt hat und dass sie im Kleiderschrank auf den nächsten Einsatz warteten. Emma hatte ihr das Gefühl gegeben längst noch nicht zu alt zu sein für Latzhosen und dass sie die – jetzt wo der Frühling vor der Tür stand und das Wetter zunehmend besser würde – eigentlich auch mal wieder vorkramen könnte. Nicht etwa um damit Kevin zu imponieren oder in Konkurrenz zu Emma zu treten, aber irgendwie war sie ja auch Tia noch etwas schuldig. Denn schließlich schaute sie immer gespannten Blickes auf Anna, wenn sie in verwaschener, blauer Jeans oder schwarzer Cordhose erschien ob es nicht vielleicht doch eventuell unter Umständen ja die Latzhose sein könnte, die sie trägt. Und immer wieder Tias enttäuschte Blicke, wenn dann unter der Jacke doch kein zur Hose gehörender Latz zum Vorschein käme.

Andererseits kam wieder Annas Unsicherheit durch: Wie würde Kevin reagieren? Würde sie ihm nicht doch unbewusst falsche Hoffnungen machen, wenn sie wieder eine ihrer Latzhosen zur Schule tragen würde. Und wie würde Emma reagieren – ob da ein schnippisches „Musst Du mir alles nachmachen …“ kommen würde (obwohl Anna ja durchaus diejenige war, die zuerst in Latzhose zur Schule kam). Wer also wem was nachmachen würde wäre ja damit eigentlich außer Frage. Vielleicht würde sie sich nach der Schule mal trauen, die alten Sachen wieder vor zu kramen und vorsichtig ausprobieren, was da überhaupt noch von passt. Denn schließlich war ja eine Weile ins Land gezogen, auch wenn sie weder großartig gewachsen und deutlich zugenommen hatte. Aber auf eng folgt ja bekanntlich „zu eng“ und so waren ihre Sorgen durchaus berechtigt. War die ganze Rettungsaktion am Ende doch für die Katz? War all der Ärger umsonst, weil sie inzwischen doch nicht mehr in die Sachen passen würde? Anna konnte sich nur noch schwer konzentrieren und das Ende der letzten Schulstunde kaum abwarten. Endlich war es soweit – das erlösende Klingeln und nur nichts wie nach Hause. Sie war gespannt, was Emma denn morgen wieder zur Schule anziehen würde. „Emma wird wohl wieder die Latzhose und den Jogger-Pulli anziehen, so wie Kevin heute abgegangen ist“ dachte sie. Jedenfalls würde sie es so machen, wenn sie an Emmas Stelle und wieder mal frisch verliebt in Kevin wäre.

Wobei – war die Sache mit Kevin und ihr wirklich schon so glasklar durch? Was fiel ihr so schwer, ihm zu verzeihen, wo er doch derjenige war, der von sich aus den ganzen Scheiß gebeichtet hatte! Wo er doch so ein kleiner, liebevoller Kerl war – gut, zwar mit ‘nem ausgeprägten Fetsch als Macke – der einfach unverkennbar war. Aber war das wirklich so schlimm? Hatte Anna nicht mindestens genauso eine Macke und war von alten Latzhosen mindestens mal genauso fasziniert wie er? Hatte sie nicht auch einen ganz kleinen Fetisch, obwohl das Thema ja eigentlich ‘ne Jungs Angelegenheit ist. War sie nicht auch ganz verrückt nach alten Lederhosen und freute sich ein Loch den Bauch, als Kevin in den sauengen kurzen Lederhosen zur Schule erschien? Auf einmal wurde alles was zuvor so absolut und statisch war relativ und dynamisch – wobei die Dynamik schlagartig zunahm je länger sie darüber nachdachte. Eigentlich war Kevin doch gar nicht so ein schlechter Kerl – und eigentlich hätte er auch durchaus eine zweite Chance verdient. Auch wenn sie sich immer noch nicht ganz im Klaren darüber war, ob oder ob nicht – jedenfalls sehnte sie sich danach, auch mal wieder liebevoll zwischen Rückenlatz und Pulli gestreichelt zu werden. Vor allem aber sehnte sie sich nach Liebe, nach echter, wahrer Liebe und intensiver Zuneigung. Alex hatte da wirklich alles vermasselt, was man nur im Ansatz vermasseln konnte.

Als Emma nach Hause kam, lag das Überraschungspäckchen von Tante Melanie (respektive von Lena) schon auf dem Küchentisch. Der Ringelnicki lag als oberstes auf dem Haufen und sah durchaus noch passabel aus. Gut, wenn wir ehrlich sind, ‘ne Altkleidersammlung hatte auch er vermutlich nicht mehr überlebt, dafür war er halt doch schon durch einige Kinderhände gegangen, war schlabberig und ausgeleiert und auch die Bündchen an den Ärmeln und am Bauch waren schon in Mitleidenschaft geraten. Dafür gefiel Emma die Farben: dunkelrot – dunkelblau und weiß, schöne, breite Querstreifen. „Querstreifen machen dick“ hieß es zwar immer, „aber wer zum Teufel isst schon Querstreifen?“ Emma musste laut lachen, als sie an den Spruch dachte. Obwohl das Größenschildchen vom Pulli genau der Größe entsprach, die sie zur Zeit brauchte und der Victory eine ganze Nummer kleiner war, fiel der Nicki – den sie natürlich sofort unter der Latzhose anprobieren musste – erstaunlich knapp aus. Emma schaute etwas enttäuscht und Mama kommentierte „Autsch, der ist aber doch schon reichlich knapp – gekauft hätte ich den jetzt nicht mehr, aber so kannst Du ihn die nächste Zeit noch mit auftragen! Dann kommt ja eh erstmal der Sommer und zum Herbst hin schauen wir dann mal weiter – wenn Du dann überhaupt noch Bock auf so’n Zeugs hast!“ Emma hasste es, wenn sie schon gebrauchtest Zeugs tragen musste (oder durfte – je nachdem, wie man es sieht), dass die Sachen von Anfang an schon knapp saßen. Und ausgerechnet dann auch noch die Sachen, die sie wenigstens einigermaßen leiden konnte, denn natürlich waren auf dem Pullihaufen auch wieder solche dabei, die sie am liebsten direkt in die Entsorgung gegeben hätte – manche Farben und Aufdrucke waren einfach nicht mehr ihrs. Und alte, aufgebrauchte Jogging-Oberteile empfand sie immer als das unterste der Pulloverkette, die trug sie eigentlich nur dann, wenn es sich nicht anders vermeiden ließ. Wobei sie sich wunderte, wie voll cool Kevin den alten Victory-Pulli fand, den sie heute Morgen zur Latzjeans angezogen hatte. Der wird sicherlich noch einmal zum Einsatz kommen.
AnnasMama
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Re: Anna

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Als Anna mittags nach Hause kam war sie so vollkommen anders wie in den letzten Tagen. Sie verschwand zwar wie immer als erstes in ihr Zimmer – jedoch zog sie Hose und Pulli, die sie zur Schule an hatte sofort aus und warf sie in die Ecke. „Was Emma kann, das kann ich doch auch“ dachte sie trotzig, riss den Kleiderschrank auf und griff nach dem Päckchen Anziehsachen, das Tia zusammengerafft und vor dem Reißwolf gerettet hatte. Sie spürte, sie war Tia etwas schuldig – und da sie sich für heute Nachmittag verabredet hatten und das Wetter sonnig, aber dennoch kühl war, war die Entscheidung bereits in der Schule gefallen: einmal noch die alten Lieblingssachen anziehen, einmal noch die schokobraune Latzhose aus Kunstleder, die ich ihr von UsedTex mitgebracht hatte und dann, ja was dann? Anna wurde nachdenklich und in sich gekehrt. Tia würde begeistert sein, das war klar – sie mochte die Ledersachen auch am besten leiden, doch warum nur? Anna hatte keinen blassen Schimmer.

Und so ergriff sie zielsicher die alte braune Latzhose, nahm sie wehmütig in die Hand und strich mit der rechten Hand über das abgenutzte Kunstleder. Sie betrachtete die Hose äußerst intensiv und nahm sie spürbar mehr wahr als sonst, wo sie sie einfach nur angezogen hatte – reingeschlüpft war, die Knöpfe zugemacht und den Latz eingehakt hatte. Nein heute gab’s erstmal eine Runde Streicheleinheiten und wie sie so über das Material fuhr, spürte sie ihre Geilheit – sie wurde feucht im Schritt und genoss es förmlich, dass dieses Gefühl und Verlangen intensiver wurde, je mehr sie die Hose berührte. Alleine diese Hose nochmal in den Finger halten zu dürfen war schon richtig geil. Nur, das war ja noch nicht alles – nein, sie würde sie gleich anziehen, langsam, vorsichtig – bloß nicht das gute Stück noch beim Anziehen kaputt reißen, denn sie wusste durchaus wie knackig eng sie nunmehr sitzen würde. Eine falsche Bewegung und eine der Nähte würde kurzerhand nachgeben, oder der Latzknopf wieder auseinander bröseln, fürchtete sie.

Sie schaute diesmal besonders intensiv, sah die zahlreichen Macken und Kratzer, die zum Teil schon vorhanden waren, als sie die Hose zum ersten Mal angezogen hatte. Kunstleder halt, das kannte sie ja schon von der schwarzen, die sie von Marie mitgebracht hatte. Am Po sah sie besonders mitgenommen aus, das Hin- und Her rutschen auf ihrem groben Schreibtischstuhl hatte mehr als eine Macke hinterlassen. Dagegen sahen die Knie noch einigermaßen brauchbar aus – zum Glück hatte sie sich nie wirklich damit langgelegt, so dass dort größere Schäden sichtbar gewesen wären. Aber Gebrauchsspuren war auch dort zu erkennen und dreckig war sie, wo sie sie im Herbst doch viel draußen im Wald an hatte, wo sie sich auch mal im Dreck gewälzt hatte und nur den grobem Schmutz zu Hause mit dem Schwamm abgewischt hatte. Anna war sich sicher: „Die ist eigentlich völlig fertig …“ und sie mochte gar nicht dran denken was passiert wäre, wenn sie den Frauen vom Textil-Recycling in die Finger gefallen wäre – denn sie war sich absolut sicher, das wäre es dann gewesen – null Chance auf Rettung.

Nein, ihre Entscheidung war gefallen – nur was dazu anziehen? Einfach einen alten Joggerpulli, so wie Emma? Warum eigentlich nicht – irgendwo hatte sie doch auch noch einen alten Victory, aber einen der noch älter war, als Emmas, in der Grundfarbe gelb und nur an der Ärmeln in grau abgesetzt, also quasi umgekehrt wie ihrer war. Auch so ein echtes Altkleiderteil, eines war eigentlich schon lange mit hätte weggekonnt, aber gleichzeitig auch eines, was sie sich immer verwahrt hatte für den Fall, dass sie mal was brauchte, was den Tag nicht zwingend überleben musste. Heute war sie froh, dass der Pulli noch da war – und dass heute nicht ein Tag war, den er nicht überleben würde. Nein, wenn sie schon einen coolen Nachmittag mit Tia verbringen wollte, dann auch in dem richtigen Outfit. Das hatte Tia verdient, die sich so für sie eingesetzt hatte, die mit ihr zusammen die Müllsäcke beim Textil-Recycler durchwühlt hatte auf der Suche nach ihren alten Sachen. Anna schlüpfte vorsichtig in den Pulli, der ganz hinten und unten bei den Pullis im Schrank gelegen hatte, in der hintersten Ecke quasi – kurz vor dem Weg in den Altkleidersack oder zur Eigenverwertung als Putzlappen. Doch bevor es dazu irgendwann mal kommen sollte war es noch lange hin – denn zum Glück passte er noch, wenn auch knapp und an den Ärmeln etwas kurz (was so ältere Pullis halt an sich haben) und sicherlich auch nichts mehr für den nächsten Restaurantbesuch beim Griechen (oder vielleicht doch extra), aber für den Nachmittag mit Tia bestimmt das Highlight.

Der große, spannende Augenblick kam näher und näher: Wie wird die Kunstleder-Latzhose noch passen? Denn das sie noch passen würde, das war für Anna außer Frage – nein, daran war überhaupt nicht zu denken. Die Seitenknöpfe waren noch offen, die beiden Schnallen rasch aus den Latzknöpfen ausgehakt und dann der Moment, den sie so lange unterdrückt hatte, den sie nicht zulassen konnte oder wollte, oder warum auch immer – das war jetzt alles egal: Sie saß auf der Bettkante, linker Fuß ins linke Hosenbein, rechter Fuß ins rechte und dann soweit hochgezogen wie es im Sitzen nur ging. Vorsichtig aufstehen, dann langsam die Hose hochziehen – ging doch erstaunlich gut, nur ob die seitlichen Knöpfe auch noch zugehen würden? Na klar, sie gingen – ein wenig eng, aber das war ihr ja schon vorher klar, dass die nicht mehr locker schlabberig sitzen wurde, sondern eher knackig eng. Die Trägerchen waren schnell eingehakt und saßen ähnlich eng, aber auch hier wiederum nicht zu eng – allzu viel hatte Anna also dann doch nicht in den letzten Wochen, seit dem sie die Hose nicht mehr getragen hatte, zugelegt.

Wobei von der Länge her musste sie schon die Airforce One von Tia dazu anziehen, die Hosenbeine gingen nur ganz knapp über die hohen, weißen Turnschuhe, was aber auch nicht weiter tragisch war, denn die Hose saß untenherum inzwischen so knapp, dass sie auch nicht mehr weiter über die Schuhe gepasst hätte. Gut, sie hätte auch ihre Superstars dazu anziehen können, aber hätten die roten Söckchen ein gutes Stück zwischen Hose und Schuhe hervorgeschaut – das muss ja dann doch nicht sein. Die Lederhose passte also immer noch, wenn auch straff – aber das war gar nicht mal so tragisch – ganz im Gegenteil: Diese wohlige Enge empfand auch Anan als durchaus angenehm, sie spürte ein Kribbeln in sich, das sie sonst nur von Kevin vermutet hätte. Aber ihr war durchaus auch klar, dass es genau dieses Gefühl sein muss, was er auch verspürte und das die Neugierde in ihm dann doch so groß wurde, diese Hose einfach anprobieren zu müssen. Sie konnte ihn auf einmal verstehen, wo sie doch bislang jegliches Verständnis für ihn nicht mal im Ansatz zulassen wollte (oder konnte, wie man es halt nimmt).

Nun saß sie also da, in knackig enger Kunstleder-Latzhose und hoffte innig, dass es eben nicht „Knacks“ machen würde und die Hose auf einmal komplett aufplatzt. Denn dann wäre sie definitiv nicht mehr zu retten, dann bliebe ihr nur noch der kurze Weg zur Mülltonne, denn dann würde die nächste Altkleidersammlung überhaupt keinen Sinn mehr machen. Sie hatte sich inzwischen hingelegt, auf den Bauch, in ihrer zwischenzeitlich doch so verhassten Lederhose und es umkam sie mehr und mehr das Gefühl der Geilheit, wie sie es schon früher immer mal wieder erlebt hatte, als sie diese Hose trug – was sie aber auch oft genug verdrängt hatte. Heute ließ sie es zu, ganz bewusst und bereitwillig begann sie zu masturbieren – und sie hatte Spaß dabei, fühlte sich wohl und vor allem bestätigt darin, dass dieses geile Teil viel zu schade dafür war, um beim Textil-Recycler einfach so im Reißwolf zu verschwinden. „Wie konnte ich nur so blöd sein …“ murmelte sie immer wieder vor sich hin. Und sie empfand große Dankbarkeit, nicht nur für Tia, sondern auch für mich, die ihr nach der Entsorgungsaktion mit der schwarzen Kunstlederjeans überhaupt noch mal die Gelegenheit gegeben hatte, so herumlaufen zu dürfen, denn die meisten in Annas Alter brachten es wenn überhaupt zu einer Lederjacke, aber Lederhosen in Jeansform oder gar als Latzhose waren die absolute Ausnahme, auch wenn sie durchaus von Zeit zu Zeit mal wieder „modern“ wurden, so waren sie eigentlich stets immer sehr selten. Sicherlich lag das auch daran, dass viele qualitativ so minderwertig waren, dass sie bereits nach wenigem Tragen soweit verbraucht oder gar zerrissen waren, dass es im Regelfall nicht mehr für die zweite Runde reichte. Hier hatte ich wohl für sie ein besonders gutes und haltbares Exemplar erwischt was zumindest bei Anna jetzt schon den zweiten Winter überlebt hatte. Ob’s jedoch für den dritten reichen würde, da war sie sich längst nicht mehr so sicher.

Anna genoss das Masturbieren sichtlich und hatte Spaß daran, sich selbst zu befriedigen. Für einen Augenblick war ihre Welt wieder in Ordnung, freute sich auf den Nachmittag mit Tia und verdrängte dabei Kevin, der nach der Schule eiligst zu Emma rüber war. Und so saß er mit Emma zusammen am Küchentisch, sie in schwarzer Latzjeans und Ringelnicki und ihm formlich das Wasser im Mund zusammen laufend. Er hatte eine mordsmäßige Latte, die er spürte und die steifer und fester wurde mit jedem Blick zu Emma rüber. Ja, er wollte ihr doch bei Mathe helfen, wobei er jetzt viel lieber Bio mit ihr gemacht hätte. Er spürte dieses Verlangen in sich, er wollte sie – am liebsten jetzt, hier und sofort – so wie sie ihn heute Morgen in der Pause wollte. Wenn da nicht immer Emmas Mama durch die Wohnung wuseln würde und die kleine Schwester sich mit Emma das Zimmer teilen würde, ja dann ging es hier richtig zur Sache – aber so? So musste er dieses geile Gefühl beim Anblick von Emma Klamotten noch eine Weile unterdrücken, denn einfach kurz auf Toilette verschwinden kam natürlich auch nicht in Frage. Und natürlich hatte er auch den Nicki kommentiert, Emma war stolz auf ihren Kevin denn das war genau das, was sie sich von ihm gewünscht hatte. „Geiler Nicki!“ und das mit einem breiten Grinsen von einem knuffigen Kerlchen, der bis vor kurzem selber noch Nickis tragen dürfte. Was wünscht man sich mehr?

Gewitter zog auf, es wurde kühler und fing an zu regnen, was Kevin dazu veranlasste etwas länger wie ursprünglich geplant bei Emma zu bleiben. Langsam aber sicher taute auch Emmas Mama mehr und mehr auf, sah und erlebte, was Kevin für ein netter Junge war und musste sich auch eingestehen, dass Emma – lange von ihr ignoriert – einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht hatte. Das Mauerblümchen war zu einer attraktiven, jungen Blume gereift – die kindlich gekleidet zwar etwas merkwürdig, in Latzhose und Nicki aber durchaus rattig und scharf aussah. Im Gegenteil, gerade die Latzhose wirkte bei ihr so gar nicht kindlich, vielleicht etwas maskulin, aber extrem attraktiv, was nicht nur daran lag, dass die Hose auch knapp und eng saß. Emma hatte ihren Stil gefunden, genauso wie Anna. Emma war froh und glücklich darüber, dass sie Kevin genauso gefiel, wie sie aktuell herum lief – und vor allem, dass er sie nicht als kindlich sondern als rattenscharf empfand, denn das sicherte Emma jederzeit und überall geilen Sex mit ihm zu. Und was wollte sie denn mehr? Noch vor ein paar Wochen hätte sie nicht im Traum daran gedacht, überhaupt einen der Jungs aus ihrer Jahrgangsstufe abzubekommen – und nun hatte sie ausgerechnet Kevin, der so wunderbar anders war, als die anderen und für den sie da sein und glücklich machen konnte. Nur allzu gerne hätte sie ihn auch in geilen Klamotten gesehen, ihm noch einmal eine Latzhose organisiert oder so eine richtig schöne geile kurze Lederhose, wie er sie zum letzten Herbst hin zur Schule getragen hatte. Im Geiste ging sie schon den durchaus großen Verwandtschafts- und Freundeskreis durch und dachte drüber nach, wer mal sowas gehabt haben könnte, aber Fehlanzeige. Vielleicht sollte sie die Tage mal in alten Fotoalben blättern.
AnnasMama
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

So, ich hab' dann heute Abend nochmal was für Euch - ich wünsche allen ein schönes und vor allem friedliches Wochenende :!:

Anna war kurz eingedöst, aber schon bald darauf wieder wach geworden. Ein kurzer Blick aus dem Fenster verriet nichts Gutes: Das Gewitter war vorbei, der kurze, aber umso heftigere Regenschauer niedergeprasselt was jedoch mit einer deutlichen Temperaturabsenkung einherging. Sie öffnete das Fenster und spürte, dass es ohne Jacke bzw. Anorak doch noch etwas zu frisch sein könnte für das Treffen mit Tia. So zog sie den zur Lederhose passenden Anorak an, der inzwischen ebenfalls mehr als nur knapp saß. Aber immerhin, der Reißverschluss ging noch problemlos zu und die Ärmel war noch lang genug. Ein letzter prüfender Blick, Anna gefiel sich in ihrem Outfit, huschte an mir vorbei, sagte kurz „Tschüss“ und war zur Tür heraus verschwunden. Ich hatte gar nicht wirklich wahrnehmen können, was sie angezogen hatte, jedoch vermutete ich schon am Rascheln, dass es sich eigentlich nur um ihr altes Lederzeugs handeln konnte. So freute ich mich für sie, dass sich sich endlich mal wieder getraut hatte, in dem Outfit vor Dir Türe zu gehen. Immerhin machte so Annas Rettungsaktion wieder Sinn, wäre ja schade gewesen, wenn sie die Sachen so lange im Schrank hätte liegen gelassen, bis sie überhaupt nicht mehr gepasst hätten.

Tia und Anna trafen sich in dem kleinen Café unweit des Bahnhofs. Ein Café was man so in seiner Art heute kaum noch findet – es schien, als sei dort die Zeit stehen geblieben und man hatte den Eindruck, dass es den Gästen gefiel und viele genau aus diesem Grunde das Café frequentierten. Tia hatte es sich schon im Obergeschoss bequem gemacht, in ihrer engen schwarzen Lederhose und dem weißen Schlabberpulli fiel sie durchaus auf zwischen all den älteren Damen und Herren, die sich nachmittags dort auf Kaffee und Kuchen trafen. Zu der Lederhose trug sie Annas Winterstiefel, die inzwischen noch deutlich gammeliger aussahen als zu Beginn, wo sie die beim Wichteln erwischt hatte. Tia hatte eine Weile auf Anna warten müssen, eine feste Uhrzeit hatten beide zwar nicht ausgemacht, aber der Gewitterregen hatte Tia dazu bewegt, sich schon etwas eher in das trockene Café zu begeben und sich an einer Tasse Tee zu erwärmen. Gespannt wartete sie, zumal sie bei dem Mistwetter tatsächlich darauf spekulierte, Anna wie lange ersehnt endlich mal wieder in den geretteten Lederklamotten zu sehen. Denn bislang hatte Anna sich immer geziert, war nie um eine Ausrede verlegen, warum und weshalb sie dann doch lieber in Jeans oder Cordhose kam. Und nein, unter Druck setzen wollte sie Anna auch nicht, gut Ding braucht Weile tröstete sie sich immer wieder darüber hinweg.

Wobei auch sie natürlich die Befürchtung hatte, dass diese ganze Rettungsaktion beim Textil-Recycler eigentlich was für die Katz war, denn auch sie hatte durchaus erkannt, wie knapp und eng die alten Sachen bei Anna saßen und auch, dass das Kunstleder schon gut abgewetzt war. Sie hatte da etwas mehr Glück, ihre Hose war aus echtem Leder – wunderbar weiches Nappa – zwar auch mit Tragespuren, was beim täglichen Gebrauch nicht weiter ausbleibt, aber immerhin noch so, dass sie die Hose und den Schlabberpulli ohne größere Bedenken anziehen konnte. Und im Gegenteil: Ihre Kunden möchten ihr Outfit, kamen am Straßenstrich gerade deswegen gerne zu ihr. Sie hatte durchaus den einen oder anderen Typen, der auf Leder stand und genau deswegen zu ihr kam. Und sie hatte Glück, denn die anderen Mädels trugen meist enge Jeans oder Miniröcke um ihren Kunden zu gefallen – in Lederhose war sie weit und breit die einzige. Mal abgesehen von Antoinette, die bürgerlich Erika hieß und mit Mitte 50 die gute Seele und Mami des Straßenstrichs war – sie trug Sommer wie Winter ihre knallrote enge Lederjeans, ihr Markenzeichen, ihr Erkennungsmerkmal. Sie passte ein wenig auf die Mädels auf, schaute nach dem Rechten und war auch das ein- oder andere Mal für ein paar kurze, persönliche Worte zu haben.

Nach einer gefühlten Ewigkeit des Wartens kam Anna endlich ins Café, worauf hin Tia sie sofort entdeckte und aus dem Grinsen nicht mehr heraus kam: Ihre völlig versifften, dreckigen, ehemals weißen Nike Airforce One passten traumhaft perfekt zu Annas Lederklamotten. Tia sprang auf, lief auf Anna zu und umarmte sie mit einem herzlichen „Boar Kleines, was siehst Du geil aus! Meine Nikes passen ja wie Faust auf’s Auge zu Deiner Lederhose! Bei Dir sind die an guten Fußen (was eigentlich nichts anderes heißen sollte wie „in guten Händen“ – aber Tia war halt immer für einen Gag zu haben)! Man, ich freu mich so richtig, dass Du die Klamotten endlich mal wieder an hast – hat ja echt lange gedauert, aber steter Tropfen höhlt den Stein!“ – „Ich weiß auch nicht, warum ich die Klamotten so lange nicht mehr an hatte, aber ich fühl mich sau wohl darin!“ – „Na, dann ist ja alles gut! Auch ‘nen Tee oder lieber ‘nen Kaffee?“

Für Kevin war es indes Zeit zu gehen, er hatte den ganzen Nachmittag bei Emma zugebracht und musste sich dann doch so langsam auf den Heimweg machen. Schließlich hatte auch er noch einiges an Hausaufgaben zu erledigen. Er war sichtlich zufrieden und erfreulicherweise war Emmas Mama auf einmal nett und freundlich zu ihm – was er kaum noch für möglich gehalten hatte. Während er so unterwegs war hoffte er natürlich auch morgen wieder Emma in diesen supergeilen Klamotten erleben zu dürfen – wenn schon er nicht mehr in den Genuss einer geilen Latzhose kommen sollte, dann wenigstens sie! Das gönnte er ihr von ganzem Herzen, wobei er durchaus immer noch ein wenig sauer auf seine eigene Mama war, die so einfach mir nichts dir nichts seine Latzi in die Lumpensammlung gegeben hatte. Er hatte keine Chance, er fühlte sich nach wie vor von ihr mehr als verarscht, aber den Kampf gegen sie anzutreten – sich irgendwoher eine halbwegs passende Latzhose zu organisieren – nein, das traute er sich nicht. Dafür war Heike zu mächtig und er hatte den prägenden Satz „Solange Du Deine Füße unter unseren Tisch stellst …“ nur allzu oft gehört. Wenn es doch nur bei dem Satz geblieben wäre, nein – im Regelfall folgten darauf eine kräftige Ohrfeige (oft genug auch mehrere hintereinander) oder er wurde von Mama übers Knie gelegt und ordentlich durchgeprügelt.

Auch wenn Heike ihn in letzter Zeit zum Glück nicht mehr geschlagen hatte und durchaus etwas verändert wirkte, so bestand immer noch die Gefahr, dass sie rückfällig werden könnte. Gut, Anna in Latzhose – und dann noch in einer aus Kunstleder – hatte sie irgendwie akzeptiert und sie hätte sich auch durchaus gefreut, wenn aus Anna und ihm etwas Festeres geworden wäre, aber wie würde sie auf Emma reagieren? Könnte Kevin es wagen, Emma in Latzhose zu Hause vorzustellen? Er war sich unsicher, so unsicher wie so oft in letzter Zeit. Wenigstens war zwischen ihm und Emmas Mama das Eis gebrochen – Mütter müssen ja auch nicht immer alles wissen. Und so versteckte er erstmal wieder seinen Wunsch, sein Verlangen nach geilen Klamotten, denn nach wie vor fehlten ihm all die Sachen doch sehr. Zumal er auch immer wieder daran denken musste, meist nachmittags, nach der Schule, wo er sich auf’s Bett legte und seinen Erinnerungen und Gefühlen freien Lauf ließ. Wie schön war doch die Zeit, wo er die kurze Lederhose noch zur Schule anziehen dürfte und wie spannend war es, Saskia montags zu beobachten, ob sie wieder seinen roten Kapuzennicki zur Schule an hatte. Nein, das war jetzt alles Vergangenheit – in seinen Gedanken war er bei seinen Lieblingen, in den letzten Sekunden bei Aussortieren und auf dem unweigerlicher Weg in den Reißwolf, wo er sich sicher war, dass keine andere Option möglich gewesen wäre.

Ach, könnte er doch die Zeit noch mal zurück drehen – er würde vieles anders machen, mehr kämpfen, aktiv mitbestimmen, wer seine Sachen wann bekommen würde und sich nicht einfach von Heike alles auf diktieren lassen. Wobei: Ob dann wirklich alles ganz anders gelaufen wäre? Oder sollte er vielleicht sogar Heike dankbar sein, dass sie ihn überhaupt noch einmal in den Klamotten hat herumlaufen lassen? Irgendwie hatte er ja zumindest positiv gesehen das wahnsinnige Glück, lange Zeit diesen kuscheligen, roten Kapuzennicki tragen zu dürfen. Und genau genommen war Heike ja auch kein Unmensch in der Beziehung, schließlich hatte sie das Teil ja an Saskia weiter gegeben, statt direkt im Müllsack für die Altkleidersammlung verschwinden zu lassen. Gut, die Lederhosen waren dann trotzdem im Sack gelandet, aber wahrscheinlich auch nur deswegen, weil sie nichts für Saskia waren und sonst keine anderen Kids im Bekanntenkreis in Frage gekommen wären. Zu Hause angekommen schluckte er seinen Frust herunter, bloß nicht auffallen, bloß nicht Heike zeigen, wie sehr ihn das alles in letzter Zeit mitgenommen hat. Irgendwann wird Heike Emma vielleicht sehen, und wenn sie an dem Tag zufälligerweise ihre Latzhose trägt, so what – mehr als den Arsch voll wird es für ihn sicherlich nicht geben.

Emma war glücklich und zufrieden über den wunderschönen Nachmittag, den sie mit Kevin verbringen durfte. Sie hatte zwar von all dem, was er ihr in Mathe beibringen wollte, kaum etwas verstanden, aber das war jetzt für sie nicht wichtig. Viel wichtiger war ihre schwarze Latzjeans, die Kevin so sehr an ihr gefiel – und es war der Ringelnicki, der als Überraschung mittags auf dem Kleiderpäckchen lag. Sie freute sich über all das, realisierte aber, dass sie in Mathe besser werden müsste, denn sonst hätte das „ernsthafte Konsequenzen“ wie ihre Mama durchaus androhte. Was das sein würde, war Emma unklar – denn Schläge gab’s so gut wie nicht, nicht mal ‘ne Ohrfeige oder was auf den Hintern. Meist wäre das auch gar nicht erforderlich, denn sie war für ihr Alter ein ungewöhnlich pflegeleichtes Mädchen, wenn auch manchmal etwas faul und träge, aber immerhin bereit, Aufgaben im Haushalt zu übernehmen, mal auf die kleine Schwester aufpassen oder im Garten helfen. Wobei sie sich in der Rolle etwas unwohl fühlte, da vieles bei ihr hängen blieb. Die große Schwester fühlte sich für diesen „Kinderkrams“ schon zu alt, die kleine Schwester war auch nicht überall eine Hilfe – dazu kam, dass die Kleine von den Eltern nach Strich und Faden verwöhnt wurde, was Emma am meisten zu schaffen machte.

Denn neue Markenklamotten im Kindergarten gab’s für Emma nicht, für die Kleine sehr wohl – selbst heute bekam sie kaum etwas neues zum Anziehen, meist mit der Begründung „Du hast doch genug!“ – das aber genau diese Sachen dann nicht mehr von der kleinen Schwester getragen wurden, wurmte sie – nicht um der Klamotten wegen, sondern mehr weil vieles dabei war, was sie ungerne trug aber dennoch anziehen musste. Aber sie arrangierte sich so gut es ging mit dem Thema, wobei ihr jedoch jetzt schon bewusst war, dass sie ihre geliebte Latzjeans sicherlich nicht mehr eines Tages an der kleinen Schwester sehen würde – nein, dass sie die später mal weitertragen würde war nahezu ausgeschlossen. Gegen Abend kam ihre Mama ins Zimmer und meinte „Ich glaub, der Kevin ist ganz ok – von mir aus darfst Du gerne die Latzhose wieder öfters zu Schule tragen! Der freut sich bestimmt, wenn Du die trägst!“ Emma nickte zustimmend und ihr war klar, dass sie morgen im Kuschelnicki und Latzhose zur Schule kommen würde. Wobei – morgen ist Sport, was also, wenn Kevin doch wieder auf’s Klo verschwindet? Denn natürlich hatte Emma die ganze Aktion mit Annas Lederhose mitbekommen. Aber nein, das würde er nicht – und selbst wenn, vielleicht sollte Emma ihm das einfach mal „offiziell“ anbieten (wobei ihr hundertprozentig klar war, dass ihm die Hose überhaupt nicht passen würde, dass er sie nicht mal bis zum Po hochgezogen bekäme). Selbst der Nicki wäre ihm wohl zu klein, da trägt er normalerweise eine ganze Größe mehr als sie, zumal das Ding doch etwas arg knapp ausfällt. Sie ging langsam aber sicher ins Bett, die kleine Schwester, die sich mit ihr das Zimmer teilte, war bereits lange eingeschlafen. Emma hingegen lag noch einen Augenblick lang wach, dachte an Kevin und daran, womit sie ihm vielleicht eine Freude machen könnte. Wobei: Ob der pingelige Kerl überhaupt was Gebrauchtes anziehen würde? Oder dürfte? Denn für was Neues reichte ihr Taschengeld nicht aus, da war ja selbst für sie kaum was drin.
AnnasMama
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Und weiter geht's - danke an Schlampenmuelle und wetdk für's Kommentieren im Kommentar-Thread. Ganz lieben Dank dafür, Ihr seid spitze :!:

Im Café war die Stimmung heiter und flockig. Tia hatte immer noch ein extrem breites Grinsen im Gesicht und freute sich komplett über Annas Outfit. Sie kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus – so sehr war sie aus dem Häuschen. Und Anna freute sich über Tias Zustimmung. „Komm, lass Dich mal knuddeln“ meinte Tia und schon hatte sie ihre Arme über Annas Schulter und streichelte zärtlich ihren Rücken. Tia fand Gefallen daran, überhaupt mal wieder jemanden in die Arme nehmen zu dürfen, ein lange und schmerzlich vermisstes Gefühl seit dem Mama und ihre kleine Schwester tot waren. Sie hatte einfach niemanden mehr – denn zu Papa, der an allem Schuld war, hatte sie jeglichen Kontakt abgebrochen. Außerdem, wie sollte sie jemals wieder einem männlichen Wesen trauen können, wo es doch er war, der die halbe Familie ausgelöscht hatte? In all den Gedanken versunken umklammerte sie nun Anna, Tränen kullerten ihr die Wange hinunter. Sie war Anna so dankbar, dankbar dafür, dass es sie überhaupt gab, vor allem aber, dass sie Anna nochmal in den geilen Lederklamotten sehen dürfte, die ihr so sehr an ihr gefielen.

Und Anna – obwohl fast einen ganzen Kopf kürzer als Tia – fing sie auf, schaute hinauf zu ihr und meinte nur: „Alles wird wieder gut – mach‘ Dir mal keine Sorgen!“ Worte, die Tia gut taten – endlich mal jemand, der zu ihr hielt, der ihr nicht wehtun und mit Brachialgewalt für ein wenig Geld tief in sie hineindringen würde. Und wenn sie das Geld nicht für ihre Sucht bräuchte, würde sie das auch gar nicht erst zulassen – aber um das alles hinter sich zu lassen, wäre ein kompletter Neustart erforderlich. Doch wo anfangen? Alleine – das war ihr jedenfalls klar – wäre das alles nicht zu schaffen. Einen Job, das wär‘ was – oder zumindest mal ein Praktikum, aus dem heraus sie sich für einen Ausbildungsplatz bewerben könnte. Anna fühlte sich unwohl in der Situation – wusste noch nicht so recht, was sie zulassen sollte und was nicht. Auch sie empfand mehr und mehr „Männer sind Schweine!“, aber sollte sie sich deswegen auf Tia einlassen? Mit ihr zusammen das erleben, was sie zuvor mit Kevin erlebt hatte? Und wenn ja, wie würde all das funktionieren – denn schließlich fehlte Tia ja etwas Entscheidendes. Anna spürte das die Umarmung etwas ganz was Besonderes war – aber waren es bei Tia wirklich Gefühle für sie oder war es eher wieder erstarkte Erinnerung an Mama und ihre verstorbene, kleine Schwester?

Inzwischen war die Kellnerin, die eher zu der jüngeren Generation gehörte, gekommen und hatte die Bestellung aufgenommen. Anna entschied sich für einen Milchkaffee, Tia bestellte sich noch einen Tee. „Ob die wohl auch Latzhosen trägt?“ munkelte Tia. „Oder Lederhosen?“ grinste Anna frech zurück. „Wobei, nee, glaub‘ ich jetzt nicht! Wer trägt denn heute noch so’n altmodisches Zeugs …“ Tia musste laut los lachen und hatte damit natürlich die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich und Anna gelenkt, worauf auch gleich das Gemurmel an den Nebentischen losging. „Die Jugend von heute ....“ war noch das harmloseste, was die beiden zu hören bekamen. Nein, die Omi- und Opi-Generation lästerte über die beiden jungen Hühner, die es allerdings sehr mit Humor nahmen. „Also wenn meine Enkelin so herum laufen würde – das sieht ja verboten aus!“ – „Stimmt, Trude, hast recht – also meine dürfte so auch nicht herumlaufen! Lederhosen in dem Alter – nee, das geht ja überhaupt nicht …“ murmel, tuschel, schwätz. „Lasst Euch bloß nicht von denen kirre machen!“ meinte die junge Kellnerin, als sie den Milchkaffee und den Tee brachte. „Ich find‘ Ihr beiden seht total cool in Euren abgefahrenen Klamotten aus – ich wär‘ auch gerne so wie Ihr!“ Also dann wenigstens doch noch ein Kompliment und dann noch ein durchaus ernst gemeintes.

„Weißt Du eigentlich, Anna, was ich so richtig geil finde?“ – „Nee, was denn?“ – „Dass Deine Mama Dich so herumlaufen lässt! Das hätte ich in Deinem Alter nicht gedurft, obwohl Mama auch immer schon Lederhosen getragen hat! Hast ‘ne ganz liebe Mami, Anna!“ Anna nickte verlegen. „Ja, stimmt! Die hat mir ja extra noch die Hose hier organisiert, weil sie meine schwarze Lederjeans im Müll entsorgt hatte! Mama ist schon spitze!“ – „Warum duftest Du denn früher keine Lederhosen tragen?“ – „Mama war immer dagegen, hab‘ im Geschäft ein paar Mal welche gesehen aber für sie waren die immer tabu. Brauchst‘e gar nicht erst gucken – meinte sie immer! Auch Oma konnte ich nie so richtig überzeugen – meine kleine Schwester hatte übrigens auch nie welche. Die gab’s einfach nicht für mich – immer nur für andere, so wie für Dich. Wo hattest Du Deine erste eigentlich her? Bin mir sicher, die auch schon mal woanders gesehen zu haben!“ – „Die war von Marie – keine Ahnung, wo sie die her hatte, die war auf jeden Fall auch schon reichlich getragen, als ich die bekommen hatte. Wobei das auch Glück war, denn die wäre damals fast schon mit weggeschmissen worden. Wenn ich nicht zufälligerweise bei ihr gewesen wäre, hätte ich diese geile Erfahrung nie machen dürfen. Wobei Maries Mami ist aber auch ‘ne ganz töffte – die lässt auch immer alles an Klamotten zu – find ich auch total stark!“

„Jetzt mal was ganz was anderes: Hast Du eigentlich noch Kontakt zu Kevin?“ fragte Tia neugierig. „Nö, im Moment nicht! Du denn zu Alex?“ – „Hin und wieder, aber ich geh‘ ihm auch lieber aus dem Weg – und wenn dann treffen wir uns rein geschäftlich, wenn Du weißt, was ich meine!“ Anna schluckte und war traurig da drüber, dass ausgerechnet er noch zu ihren Kunden gehörte. „Der zahlt halt gut …“ und genau das machte Anna noch wütender. „Naja, der lässt mich zum Glück in Ruhe – wobei ich noch nicht weiß, wie er reagiert, wenn ich die Sachen hier nochmal zur Schule anziehen würde!“ – „Ach, das kannst’e ruhig mal wieder machen – ich glaub‘ da machst Du eher Kevin ‘ne Riesenfreunde mit! War das denn wirklich so schlimm, dass er die Latzhose anprobieren wollte? Gib‘ ihm doch noch mal ‘ne Chance – ihr beiden passt doch viel besser zueinander!“ – „Ich weiß nicht, ja Emma – macht mir alles nach mit ihren Latzhosen! Wobei die schwarze echt cool ist – die würde mir auch noch gefallen! Das moonwashed ist ja total geil – so eine hätte ich auch gerne noch! Zwar nicht unbedingt von Jinglers, ‘ne H&M wäre auch klasse! Aber die gibt’s ja schon lange nicht mehr – selbst Second Hand dürfte da nix zu machen sein.“ – „Da haste allerdings Recht, Kleines – ich fürchte, die gehen einfach nur noch in den Schredder! Ich denke, selbst Deine wären ratzfatz weg gewesen!“ Anna nickte zustimmend. „Das denke ich auch – und von daher: Danke, alles richtig gemacht!“

Während sich die beiden im Café vergnügten, trug Emma zu Hause noch Ringelnicki und Latzhose, als ihr Papa von der Arbeit nach Hause kam. „Du sag mal, muss meine Tochter so herumlaufen? Hat sie nichts Besseres zum Anziehen?“ – Emmas Mama schaute erstaunt drein, denn noch nie war es Papa aufgefallen, dass Emma es war, die eigentlich immer in den ältesten und gebrauchtesten Sachen herumlief. Was sicherlich auch daran lag, dass man an den Kleidern, die sie sonst trug, kaum Abnutzungserscheinungen sehen konnte und es ihrem Papa daher noch nie groß aufgefallen war. Emma hatte sich ängstlich auf ihr Zimmer zurückgezogen und hörte gespannt der Diskussion mit Mama zu, ohne sich einzumischen. „Wenn ich ihr was Anständiges kaufen soll, dann musst Du schon mal mit Kohle rüberkommen! Das meiste geht für die Kleine drauf – was von Emma übrig bleibt ist meist nur Müll! Und unsere große Tochter will auch ständig was Neues – sonst meint sie in der Schule nicht mithalten zu können – da bleibt halt kaum was für Emma übrig – zumal ich ja auch immer wieder was für Emma geschenkt bekomme! Soll ich die Sachen denn einfach wegschmeißen? Ich bin doch froh, dass Emma so pflegeleicht ist und selbst die Joggerpullis noch ohne zu murren und zu knurren aufträgt! Und glaub mal, ich hätte ihr auch lieber ‘nen neuen Nicki gekauft – aber den hat sie halt von Lena bekommen und Du hättest sie mal sehen sollen, wie sie sich darüber gefreut hat! Also lass ihr die alten Sachen, solange sie die noch trägt – und ich versprech‘ Dir, Emma wird auch immer anspruchsvoller und dann müssen wir den Gürtel noch enger schnallen!“ – „Hast ja recht, aber so geht sie mir nicht vor die Tür – zumindest nicht in der Latzhose! Die ist ja viel zu klein!“ meinte ihr Papa genervt. „Das ist aber nun mal ihre Lieblingsjeans zurzeit!“ – „Wie? Datt olle Ding? Oh mein Gott, naja, wenn’s sein muss – aber gut find‘ ich das nicht!“ – „Ich auch nicht“, meinte Mama, „Aber was soll ich denn machen? Ich kann die doch nicht einfach wegschmeißen – die ist doch auch von Lena und Emma hat doch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um überhaupt an eine Latzhose zu kommen! Wann hast Du eigentlich das letzte Mal welche in den Geschäften gesehen? Selbst im Second-Hand-Shop findest Du die Dinger nicht mehr …“ – „Ist ja schon gut – war ja nur gut gemeint, wenn Emma sich da drin wohlfühlt, dann soll’s mir auch egal sein. Nur nicht, dass sie sich wieder benachteiligt fühlt …“

Emma hatte im Kinderzimmer alles mitbekommen, und ja, sie fühlte sich benachteiligt und hätte auch lieber einen neuen Kuschelnicki genommen, am liebsten einen mit Kapuze – und nicht so ein altes, verwaschenes Teil, was schon gefühlt durch tausend Kinderhände gegangen ist und wo jeder nur grob mit umgegangen ist, weil kommt ja eh demnächst mit weg. In der Beziehung war sie etwas anders, sie ging selbst mit gebrauchten Sachen – von den billigen Joggeroberteilen mal abgesehen, die für sie auch nur Verbrauchsmaterial waren – pfleglich um und war froh, dass sie jetzt überhaupt einen Nicki zur Latzhose anziehen konnte, auch wenn Kevin den Victory-Pulli zur Latzhose als durchaus passend empfunden hatte. Wenn sie nur wüsste, womit sie Kevin eine Freude machen könnte. Etwas, was er auch anziehen dürfte und würde – wobei ihr klar war, dass sie nicht mit einer Dritthandjeans und einen Vierthandpulli bei ihm punkten könnte. Wobei, bei ihm vielleicht schon – aber bei Heike hätte sie damit keine Chance, sie würde die Sachen sofort entsorgen, sobald sie in ihrer Reichweite wären. Also was tun? Sie grübelte und grübelte und kam zu keiner Lösung. Es war auch inzwischen Zeit geworden um ins Bett zu gehen. Morgen würde sie wieder die Latzhose und den Nicki zur Schule anziehen, egal was Papa dazu sagt. Dann soll er ihr doch eine funkelnagelneue holen, am liebsten ‘ne Levis 665 und einen coolen Kapuzennicki dazu – aber wo sollten die Sachen her kommen? Denn in den Geschäften waren Latzhosen und Nickis schon seit Jahren Mangelware – jedenfalls hatte auch Emma dort lange keine mehr gesehen.

Kevin packte wie immer wenn sie am nächsten Tag Sport hatten seine engen Sprintershorts in die Tasche, bei denen er von Woche zu Woche zitterte, dass sie die Wäsche überstehen und nicht durch neuere Exemplare mit Innenfutter ausgetauscht würden. Er liebte diese engen Dinger und war sich durchaus im Klaren darüber, dass wenn Heike ihn das nächste Mal darin sehen würde – oder sie ihn bitten würde, die mal wieder anzuprobieren – dann war’s das, dann sind auch die mit weg. Mit ein wenig Glück zwar dann bis Saskia, aber auch durchaus möglich dass sie direkten Weges in den nächsten Altkleidersack gehen würden. Heike war halt unberechenbar in der Beziehung. Vielleicht bringt sie ihm ja auch nochmal welche in Kindergröße und ohne Innenfutter mit, auch das wäre denkbar – zumal sie etwas preiswerter sind, als die für die Erwachsenen und sie durchaus auch auf’s Geld schaut. Wobei Emma in Glanzshorts, das hätte auch echt mal was – das würde den langweiligen Sportunterricht auch wieder etwas attraktiver machen. Voller Zuversicht auf den morgigen Tag und sich auf Emma freuend ging auch Kevin langsam pennen.
AnnasMama
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Tia und Anna verbrachten einen netten und unterhaltsamen Nachmittag im Café. Tia war so wunderbar locker und zufrieden wie lange nicht mehr. Endlich hatte sich mal jemand Zeit für sie genommen, ihr trotz aller Aussichtslosigkeit dennoch versucht, eine Perspektive zu geben. Tia konnte sich durchaus vorstellen, die Tage mal bei UsedTex oder dem anderen Textilverwerter vorzusprechen für einen Praktikumsplatz. Wobei den ganzen Tag Klamotten sortieren für sie sicherlich auch körperlich hart werden würde – von der emotionalen Geschichte her mal ganz abgesehen. Natürlich würde auch das Füttern des Reißwolfs zu ihren Aufgaben gehören – das meinte ja auch Anna ganz offen zu ihr – und würde sicherlich eine nicht leicht zu meisternde Herausforderung. Anna war sich sicher, das wäre nichts für sie – obwohl sie auch gerne mal ein, zwei Wochen ganz neugierig zusehen würde, was da alles so angeliefert wird, was andere Mamis so aussortieren und wie der Zustand der Klamotten wirklich ist. Denn so richtig vorstellen konnte sie sich das alles noch nicht – klar, hatte sie vieles drüber gelesen und im Fernsehen anschauen können, aber da ging immer alles so wahnsinnig schnell. Am liebsten würde sie das alles Mal hinterfragen, schauen ob die Sortiererinnen wirklich so gefühlslos sind, wie sie immer tun oder ob es ihnen vielleicht doch in der Seele wehtut, wenn so alte ausrangierte Kinderkleidung, die sie selber vielleicht gerne mal gehabt hätten, sortieren und schreddern dürfen. Vielleicht sollten beide nachmittags einfach dort mal vorbeischauen und schauen, was da so alles bei rum kommt.

Abends packte Anna noch schnell ihre Sporttasche zusammen – bei dem Wetter geht’s garantiert in die Halle und eigentlich könnte sie mal wieder ihre Sprintershorts anziehen, die sie schon eine Weile nicht mehr zum Sportunterricht getragen hatte. Draußen jedenfalls war’s für kurze Hosen noch zu kalt – aber sie freute sich auf wärmeres Wetter und auf die Gelegenheit ihre kurze Lederhose mal wieder anziehen zu können. Schließlich hatte Tia die bei der Rettungsaktion ebenfalls blitzschnell aus dem Müllsack rausgezogen und in den Rucksack gepackt. Ohne noch groß bei mir vorbeizuschauen machte sie sich fertig für’s Bett und schlief in Gedanken an einen doch so wunderschönen Tag mit Tia ein. Sie war erleichtert, dass Tia ihr Outfit immer noch gefiel und glücklich darüber, dass die Klamotten noch passten. „Test bestanden“ – dachte sie und war sich im Klaren darüber, dass sie die Sachen morgen wieder zu Schule tragen könnte. Ok, von Alex würde es zwar böse Blicke geben – mehr würde sie auch nicht zulassen – und Kevin würde wahrscheinlich aus dem Staunen nicht mehr herauskommen, aber so ist das nun Mal, man kann halt nicht alles haben. Dass Emma in Latzhosen so unwahrscheinlich rattig und scharf aussah, wurmte Emma schon ein wenig – wobei sie natürlich insgeheim damit gerechnet hatte, dass auch andere Mädchen in der Klasse ihren Stil kopieren könnten. Jedoch hätte sie nie wirklich daran geglaubt, dass außer ihr noch jemand anderes Latzhosen tragen würde – die Zeit war einfach irgendwie vorbei, auch wenn Anna das nicht gerade wahr haben wollte.

Und um ehrlich zu sein, die Zeiten dass die Kids in dem Alter noch Lederhosen tragen, waren eigentlich auch schon lange vorbei. Gut, es gab immer noch die „rühmlichen Ausnahmen“ zu denen Peter gehört oder auch Kevin, dessen kurze Glattlederhose letztens erst die letzte Reise in die Altkleidersammlung angetreten hatte, wo sie jedoch sofort und ohne großes Aufhebens mit in den Reißwolf gewandert war. Was niemand sonst mehr trägt, wird auch nicht mehr gekauft ist halt die Devise – und somit landet exotische Kinderkleidung, die dann auch noch gut gebraucht ist, zwangsläufig eher im Schredder als in den durchweg übervollen Regalen der Second-Hand-Shops. Kleidung – und insbesondere billige Kinderkleidung – ist halt zum Verbrauchsmaterial geworden. Die Kinder haben eh meist mehr als genug, gutes Gebrauchtes zirkuliert eh durch die Familien und den Freundeskreis hindurch – die Rosinen werden herausgepickt und der Rest geht mit einem zwinkernde Auge und einem liebevollen „Danke schön“ umgehend weiter – meist dann doch nicht mehr an andere Kinder, sondern kurzer Prozess und ab in den Altkleidersack, oftmals auch ohne dass die Kids selber die Chance hatten, auf die Sachen draufschauen zu dürfen. In der Beziehung waren fast alle Mamis gleich: Sie hatten ja meist die alten Sachen für ihre Kids geschenkt bekommen und nicht die Kids selber. Somit waren sie auch der Auffassung die Klamotten gehören ihnen (gerne auch mit dem Argument „Ich hab’s bezahlt – dann entscheide ich auch, wann, wo und vor allem wie lange etwas getragen werden darf“) was dazu führte, dass der „Besitz“ der Klamotten gefühlt bei dem Mamas lag. Dass der geschenkte Lieblingspulli der Tochter eigentlich ihr gehört und nicht der Mami wurde stets geflissentlich ignoriert und Nachfragen meist mit „Stell Dich nicht so an!“ beantwortet, meist mit Ergänzungen wie „Ist doch egal …“ , „Nerv jetzt nicht …“ oder „Was willst Du denn noch damit?“ Man verwahrt halt keinen Müll und für die meisten Mütter die ich so kenne sind alte, abgetragen Klamotten schlicht weg Müll, wie der Küchenabfall, der sich im Laufe der Woche ansammelt oder die Tageszeitungen, die einmal gelesen reif für’s Altpapier ist.

Anna jedenfalls kam am nächsten Morgen gut gelaunt im alten, gelben Victory-Joggerpulli in die Küche, den sie unter ihrer schokoladenbraunen Kunstleder-Latzhose trug. Sie gefiel mir nach wie vor in dem Outfit, obwohl doch der Zustand immer mehr der schwarzen glich, die damals im Müll gelandet war. Nur zum Glück passte die braune noch etwas besser – wenn zwar auch schon knapp und eng, dennoch längst nicht so wie die alte. Ich freute mich für Anna, dass die Hose noch so gut passte und die Rettungsaktion doch nicht für die Katz war. „Mama – was meinst Du? Kann ich die wohl Sonntag nochmal zum Griechen anziehen?“ – Ich musste lachen: „Na klar, warum nicht! Ich find‘ die Klasse!“ und freute mich jetzt schon auf das verdutzte Gesicht der jungen Kellnerin, der Anna letztens in normaler Jeans und Cashmere-Pulli so gut gefallen hatte. „Danke, Mami! Bist doch die Beste!“ hörte ich von Anna und schon lagen wir beide uns in den Armen und knuddelten wie in alten Tagen. „Dann musst Du aber auch wieder Deine Latzhose anziehen, Mama! Ja? Bitte! Versprochen?“ – „Warum eigentlich nicht“ dachte ich, Frankie wird’s auf jeden Fall gefallen und wenn ich mit so kleinen Dingen Anna eine Freude machen kann.

Auch Emma entschied sich am nächsten Morgen wieder für ihre schwarze Moonwashed-Latzjeans und den Ringelnicki, der bei ihrem Papa und den Geschwistern am Frühstückstisch doch für einiges an Erheiterung und Lästereien führte. Besonders Emmas große Schwester war verwundert darüber, dass sie jetzt Kleidungstechnisch wieder auf – wie sie so schon frotzelte – „Kindergartenniveau“ angekommen war, worauf die Kleine nur meinte „Latzhosen trägt bei uns in der Gruppe schon lange keiner mehr …“ Von Papa gab’s ein „Ausnahmsweise“ und die Frage nach dem Termin der Altkleidersammlung und ob Emma sich nicht einen Ruck geben könnte, die Sachen dann mit abzugeben, denn eigentlich müsste das doch nicht sein, dass sie so herum läuft. Nein, ihr Papa möchte offensichtlich keine Latzhosen, und vor allem keine alten Klamotten, die fast schon zu knapp waren für zur Schule. Wenigstens ließ ihre Mama sie gewähren „Lass sie – wenn sie meint, das gibt sich in ein paar Wochen bestimmt wieder und bis zur nächsten Altkleidersammlung braucht sie eh nicht zu warten, die Sachen gehen eh irgendwann in die Tonne!“

So, so – in die Tonne also! Das war ja mal eine klare Ansage – dafür hatte Emma sich so abgemüht und alles in Bewegung gesetzt, dass Mama jetzt schon ihre aktuellen Lieblingssachen in der Mülltonne sah. Wobei, wenn sie ehrlich war, vieles von den gebrauchten – oder sollte man besser sagen verbrauchten Anziehsachen, die sie immer wieder mal geschenkt bekommen hatte, waren nach ein, zweimal anziehen weg – da machte sich Mama gar nicht mehr erst die Mühe, die Sachen nochmal zu waschen und wieder sauber in den Schrank zurückzulegen. Was dreckig war, ging in den Müll oder vielleicht noch in den Altkleidersack, so ganz im Klaren darüber war sich Emma nicht, denn Mama rückte nie damit raus wo die Sachen letztlich abgeblieben waren. Von daher musste sie jetzt natürlich Mama überreden und überzeugen, dass es der Latzhose und vor allem dem Nicki anders ergehen sollte, dass beides halt keine Einwegklamotten waren, die einfach irgendwann mit weg können. Wobei das bislang zumindest mit der Latzjeans ganz gut funktioniert hatte, denn ihre Mama hatte natürlich erkannt, wie sehr Emma das Teil dann doch wieder liebte, auch wenn sie die Hose eine Zeit lang nicht getragen hatte. Immerhin fand sie ihre Tochter süß und knuddelig in der Latzhose, und selbst Tante Melanie und Lena waren immer wieder begeistert darüber, dass Emma diese olle Jeans doch so sehr in ihr kleines Herz eingeschlossen hatte.

Nur Kevin fühlte sich wie der Verlierer des Tages – hatte er doch im Vergleich zu Anna oder Emma nichts cooles mehr anzuziehen, von seinen engen Sprintershorts mal abgesehen, aber das bewahrte er sich als sein kleines Geheimnis für sich. Bloß nicht Heike einen entscheidenden Tipp geben, sich nicht verbabbeln und auf ihre möglichen Fragen einfach vorbereitet sein. Im Zweifel halt ein wenig flunkern und behaupten, die passen noch gut – und dann hoffen, dass er sie nicht vor ihren prüfenden Augen anprobieren muss, denn das gäb‘ dann garantiert richtig Ärger – weil so etwas kann Heike überhaupt nicht leiden. Also am besten erst gar keine Fragen von Heike und dann könnte er wenigstens noch bis zum Sommer hin seine engen Shorts genießen – wobei so richtig dran glauben wollte er selbst nicht. Und ja, allzu gerne würde er auch nochmal das Thema „kurze Lederhosen“ ansprechen, denn er war sich sicher, dass zumindest Anna ihre zum Frühjahr hin wieder rauskramen würde, sobald das Wetter wieder dementsprechend wäre. Und dann hätte er natürlich auch nochmal wieder gerne eine, obwohl er sich durchaus im Klaren darüber war, dass Lederhosen in seinem Alter nun mal mehr als nur ungewöhnlich waren. Zu Kindergartenzeiten waren die ja noch durchaus üblich, und dass Peter seine Kniebundlederhose immer noch zur Grundschule trug war schon die absolute Ausnahme.

Jedenfalls kannte er aus seiner Klasse außer Anna niemanden mehr, dem er eine Lederhose zuordnen konnte. Damals in seiner Kindergartengruppe gab’s noch den ein oder anderen, der so etwas getragen hatte, aber selbst in der Grundschule waren kaum noch Kinder, die dorthin Lederhosen angezogen hatten. Dass er überhaupt so lange seine Lederhose tragen durfte, war ja schon fast ein Wunder – nur was Heike mit ihrer Bestrafungsaktion bei ihm ausgelöst hatte, hatte sie längst nicht kapiert. Sie war sich auch keiner Schuld bewusst – hatte das Tragen müssen der Lederhose als Strafe gedacht und nicht als Lustgewinn für ihn. Aber über so etwas konnte er mit Heike ja nicht reden, all das war Tabu und wurde gerne mal hart bestraft, auch wenn die Strafen und vor allem die Schläge in letzter Zeit doch zum Glück stark nachgelassen hatten. Aber manchmal kam es doch wieder aus ihr heraus und es gab‘ einen Klatsch auf die Backe – der immer noch äußerst schmerzhaft sein konnte.

All das führte letztendlich dazu, dass er sich bei Heike nicht mehr traute, nach einer neuen Lederhose zu fragen. Oder nach einer Latzhose, oder nach einem Nicki. Emma spürte das natürlich und hätte ihm nichts lieber als diesen Wunsch erfüllt. Wobei sie überhaupt nicht abschätzen konnte, wie Heike dann reagieren würde. Im Worst Case würde sie sich für Kevin den Arsch aufreißen und er dafür bestraft, in dem er die Sachen direkt in die Tonne werfen müsste. Vielleicht sollte sie Heike mal drauf ansprechen? Wobei schlechte Idee, dann bekommt Kevin doch nur wieder Ärger. Oder sie doch einfach vor vollendete Tatsachen stellen und hoffen, dass sie nicht gleich ausrastet? Nun müsste sie bei alledem erstmal was Passendes für ihren Schatz finden – und so nahm sie sich vor, das Risiko einzugehen und wenigstens mal zu schauen, womit sie ihm vielleicht doch eine Freude machen könnte. Am einfachsten war es natürlich, in Latzhose und Nicki zur Schule zu gehen – da würden seine Augen eh schon wieder leuchten – das war klar. Und der rote Adidas Glanzshorts, der letztens auf dem Altkleiderpäckchen von Tante Melanie dabei war, würde ihn garantiert auch begeistern. Den trug sie diesmal schon direkt unter der Latzjeans, dann geht’s beim Sport schneller und vor allem wird er ihr dann nicht wieder von anderen gibbeligen Hühnern aus der Hand gerissen.
AnnasMama
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Schnell noch die alte, enge rote Adidas Regenjacke über die Latzhose gezogen, Schuhe an und dann ab zur Schule – ist ja schon spät. Mal gespannt, was Kevin nach dem Sport sagen würde, vielleicht würde Emma wenn das Wetter bis dahin was wärmer wurde, die kurze Hose zur letzten Unterrichtsstunde an behalten und die Latzhose in den Rucksack stecken. In Ringelnicki und knackig enge Sprintershorts würde sie sich schon wohl fühlen – aber ob Mama sie bei warmem Wetter so zur Schule lassen würde? Bestimmt nicht, dann schon eh „Och Mama, mir war nach dem Sport viel zu warm …“ wobei auch das unter Umständen zu Zoff führen könnte. Aber das alles war erst einmal egal, Emma war rattig als sie zur Schule unterwegs war und freute sich auf Kevin. Der jedoch bekam ganz große Augen, als er Anna um die Ecke kommen sah. Das Wasser lief ihm förmlich im Munde zusammen und er hatte eine Latte, wie schon lange nicht mehr. Anna in ihrer braunen Kunstleder-Latzhose, dazu der passende Anorak – beides lecker knackig eng, nein das hatte selbst Emma nicht zu bieten.

Er war hin und weg, erst recht als er erkannte, dass auch Emma wieder ihre Latzhose zur Schule an hatte. Kevin war überwältigt, Weihnachten, Geburtstag und alles, wo es sonst noch Geschenke gab an einem Tag – damit hatte er im Leben nicht mehr gerechnet. Und das alles, wo doch in der zweiten Stunde Englisch-Arbeit dran ist. Ob er sich da überhaupt richtig konzentrieren kann? Dann wird die nächste fünf wohl vorprogrammiert sein, aber das war ihm scheiß egal und er wusste nicht, ob er sich mehr über Anna oder Emma freuen sollte. Denn auch Anna sah immer noch rattenscharf aus in ihren Klamotten, da konnte Emma einfach nicht dran kommen – obwohl er sie sich durchaus auch in Ledersachen vorstellen konnte. Kevin fühlte sich zwischen zwei Stühlen, wusste, was er hatte und dass er das, was er hatte nun besser nicht auf’s Spiel setzen sollte. Er spürte immer noch den metertiefen Graben zwischen sich und Anna, aber sollte Annas Outfit vielleicht doch ein erster Schritt sein, um auf ihn zuzugehen? Seine Gefühle fuhren Achterbahn – Looping, Schraube, rauf und runter – Chaos pur. Jetzt bloß keinen Fehler machen, nichts tun, was Emma auch nur im Ansatz eifersüchtig machen könnte, denn das wär’s noch – sie deswegen zu verlieren, nein, das wäre es nicht wert.

Aber Anna war voll auf Kevin fixiert – suchte seine Nähe, warf ihm einen kurzen Blick zu als wolle sie ihm sagen „Wird schon wieder …“ Sie liebte ihre Latzhose und hatte sich von Tia durchaus bestärkt gefühlt, sie wieder zur Schule anzuziehen. „Mensch – jetzt hast Du so geile Klamotten und dann wartest Du, bis sie Dir nicht mehr passen? Los, zieh‘ die an!“ meinte Tia gestern energisch im Café zu ihr. Und dass Kevin zurückzwinkerte, ohne dass Emma etwas merkte, bestärkte sie in der Annahme, alles richtig gemacht zu haben. „Nun jetzt nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen!“ dachte sie sich und genoss es, Kevins Unsicherheit zu spüren. Ihr war durchaus klar und bewusst, dass Kevin wohl nicht für eine kleine Affäre zu haben sei und dass Emma inzwischen für ihn das war, was mit ihr einst begann – wobei auch sie einen Teil dazu beigetragen hatte, dass alles so anders wurde. Hätte sie ihn doch einfach gelassen, ihm verziehen, dass er ihre Latzhose anprobieren wollte, ja, hätte sie es ihm doch damals einfach mal angeboten, wohlwissend, dass sie ihm eigentlich nicht hätte passen können, dann wär alles nicht passiert, dann hätte er es nicht heimlich machen müssen und dann wären sie immer noch zusammen – vielleicht jedenfalls, vielleicht aber auch nicht. Hätte, wenn und aber waren jetzt fehl am Platze, denn just in dem Moment kam Alex und die Ecke.

Alex hatte Sarah im Schlepptau, die immer noch ab und zu ihren alten Nike Sweatshirts zur Schule trug – so wie auch heute unter der College-Jacke. Und natürlich gab’s von ihm einen derben Spruch: „Na! Du hast es ja wirklich nötig, was? Kannst mir gerne wieder jederzeit einen Blasen – aber nur für Umme!“ rief er kichernd, so dass jeder – aber auch wirklich jeder auf dem Schulhof mitbekommen musste, was er sagte. Anna schluckte, sie hatte ja mit vielem gerechnet, aber nicht mit so etwas und sie musste an den Abend bei ihm zurückdenken, wie ekelhaft und erniedrigend es für sie war, ihn auf diese Art und Weise befriedigen zu müssen. Und jetzt so offen auf dem Schulhof das „Angebot“ – nein, das ging echt unter die Gürtellinie, aber sie bereute dennoch nichts. Alex war nun mal ein Arsch, das hatte er gerade mal wieder in aller Deutlichkeit gezeigt – aber er konnte Annas gute Laune nicht stören, ganz im Gegenteil. Am liebsten hätte sie ihm die passende Antwort gegeben, jedoch war sie dafür nicht schlagfertig genug. Und warum auch noch weiter Benzin auf’s Feuer gießen – nein, Rache ist zwar süß aber bekanntlich nicht sofort erforderlich. Er würde schon bei Gelegenheit was Passendes abbekommen.

Die Englischarbeit in der zweiten Stunde verlief für Kevin wie befürchtet: er hatte nicht richtig geübt und natürlich kamen prompt die Themen dran, mit denen er nicht gerechnet hätte. Emma hatte sich erstaunlicherweise gut vorbereitet und versuchte Kevin hier und da aus der Patsche zu helfen, was aber offensichtlich nicht gelang. Zum Glück fielen beide nicht auf – denn Heft abgeben wegen Täuschungsmanöver hätte doch für beide ernsthafte Konsequenzen gehabt. Denn auch Emma spürte wie geil Anna doch in ihren Lederklamotten aussah – insgeheim hatte sie immer drauf spekuliert, dass die Sachen längst weg wären, aussortiert, weil doch zu klein und zu eng und bei der letzten Lumpensammlung im Müllsack entsorgt. Sie hatte gehofft, Anorak und Hose wäre längst im Reißwolf geschreddert worden, denn dann hätte sie Kevin nicht mehr so in Versuchung führen können. Sie war eifersüchtig auf Anna, wohl wissend dass sie es Kevin bislang nicht verziehen hatte, was seinerzeit im Sportunterricht geschehen war. Nein, das Verhältnis zu Anna war kein Gutes – eher im Gegenteil, gerade jetzt, wo sie auch wieder die besagte Latzhose trug und anzunehmen war, dass die kurze Lederhose noch genauso existierte und auf Kevin Eindruck hinterlassen könnte. Emma war klar, über lang oder kurz würde sie auch eine Lederhose haben wollen – nur ob Mama und Papa das erlauben würden? Bestimmt nicht, so wie Papa in letzter Zeit drauf war und die Latzhose und den Nicki auch nur mit Zudrücken beider Augen gerade noch ebenso duldete.

Wenn es nach Papa gehen würde, wäre Emmas Latzhose eh schon längst mit weg – aber zum Glück war wenigstens ihre Mami diesmal auf ihrer Seite, was wohl daran lag, dass Emma in dieser alten, verbrauchten Latzjeans extrem cool aussah und sie damit endlich auch mal eine Jeans hatte, die ihr gefiel. Auch wenn die Tage gezählt waren wo das Ding noch passen würde, Emma genoss jeden einzelnen. Auch wenn Papa lästerte und die beiden Schwestern ihr Übriges dazu beitrugen, brauchte sie wenigstens keine Angst zu haben, dass Mama die Jeans ohne ihre Zustimmung im Anfall geistiger Umnachtung in die Entsorgung geben würde. Schließlich hatte Mami es ihr versprochen, wenn Du sie anziehst, dann kannst Du sie gerne so lange wie Du möchtest anziehen, nur wenn nicht, dann kommt sie halt bei Gelegenheit mit weg. Eigentlich unterm Strich ein faires Angebot. Wenn sie doch bloß wüsste, wie sie an eine coole Lederhose kommen könnte. Oder an eine für Kevin, obwohl nein, dann würde Heike im Dreieck springen. Wobei irgendwie müsste das doch gehen – nicht das Anna ihr womöglich noch zuvor kommt.

Der Sportunterricht war der kulinarische Höhepunkt des Tages: Kevin in seinen schwarz-/weißen Sprintershorts und sowohl Anna als auch Emma in knallrot! Wobei Anna mit Emma schon in der Umkleidekabine heftig aneinander geraten war: „Musst Du mir eigentlich alles nachmachen?“ schnauzte Anna, worauf hin Emma nur grinste und meinte „Wieso? Hab‘ ich beides geschenkt bekommen! Meinst Du etwa, Du bist die einzige, die so was mag?“ Anna war also mehr als gereizt, und durchaus zu Recht, denn Emma in kurzen, knappen Shorts war einfach der Knaller, ein wahrer Leckerbissen. Kevin genierte sich ein wenig, konnte man doch nur allzu gut erkennen, dass seine Latte knallhart angeschwollen war, was ihm sichtlich peinlich war. Zur großen Freude aller wurde dann auch noch Fußball gespielt – seit langem mal wieder, denn sonst war in letzter Zeit oft Geräteturnen oder Zirkeltraining angesagt. Aber an Anna und Emma hatten heute irgendwie alle Spaß – Mädels in engen Sprintershorts waren auch immer mehr und mehr die Ausnahme. Nach dem Sportunterricht zogen beide jedoch wieder ihre Latzhosen an, Anna tippe ihr auf die Schulter und meinte „Sorry für gerade – war nicht so gemeint! Und natürlich kannst Du auch Latzhosen tragen – die stehen Dir echt gut!“ Emma empfand das als Kompliment und fühlte sich bestätigt, alles richtig gemacht zu haben. Mit Kevin verabredete sie sich für nachmittags, sie solle doch einfach mal bei ihm vorbeischauen.

Gesagt, getan – nach der Schule und den Hausaufgaben zog Emma also log in Richtung Kevin. Sie hatte die Latzhose anbehalten, trug darunter noch den roten Adidas Shorts aus dem Sportunterricht als sie im Garten auf Heike traf und sich im ersten Moment etwas ertappt fühlte. „Ist Kevin zu Hause?“ – „Nee, der ist noch kurz weg! Du musst Emma sein, Kevin hat mir von Dir erzählt. Tolle Latzhose, gefällt mir! Ich bin übrigens Heike, kannst mich ruhig duzen!“ – Emma war baff und sprachlos – sie hatte sich nach Kevins Berichten Heike immer ganz anders vorgestellt. Dass sie ausgerechnet von ihr ein Kompliment zur Latzhose bekommt, hätte sie nie im Leben mit gerechnet. „Komm rein, was möchtest Du trinken?“ – Das war ja fast familiäre Atmosphäre in die sie da hineingeraten war. Sollte Heike also doch ganz anders sein, als Kevin immer so tat. War sie vielleicht gar nicht so schlimm, wie es den Anschein hatte. Emma war vorsichtig, denn sie konnte die Situation noch nicht so richtig einschätzen. „Setz Dich – nimm Dir ‘nen Keks“ meinte Heike ganz locker, während sie für beide etwas zu trinken holte.

Emma fasste sich ein Herz – immerhin wusste sie ja, was aus Kevins Latzhose geworden war und fragte nach „Danke für das Kompliment! Ich dachte immer, Du magst keine Latzhosen?“ – „Naja, bei Mädchen schon – da find ich die richtig cool! Aber nicht bei Jungs, hätte doch nicht gedacht, dass Kevin die Latzhose so sehr gefallen würde, dass er die fast ständig trägt. Nee, Kevin in Mädchensachen geht doch gar nicht. Eigentlich hatte ich die ja für Saskia vorgesehen, aber dann war die auf dem Päckchen mit seinen Sachen gelandet und schon hatte es sie auch entdeckt! Blöderweise wollte Saskia die dann nicht und nu isse halt mit wech – auch nicht schlimm, dann bekommt die vielleicht noch ein anderes Mädchen!“ Heike erwies sich als ungewöhnlich gesprächig und ihre Argumentation erwies sich durchaus als plausibel. „Ich mag Latzhosen auch bei Jungs!“ grinste Emma zurück und forderte damit Heike etwas heraus. „Echt jetzt?“ – „Sieht doch cool aus – außerdem gibt’s die doch auch für Jungs! Seine war doch sogar ‘ne Jungenshose, oder?“ – „Kann sein, ist aber auch egal …“ erwiderte sie. „Deine jedenfalls gefällt mir, die steht Dir gut!“
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Und weiter geht's nach einer kleinen Pause, ich hoffe, es gefällt Euch immer noch und Ihr habt weiterhin viel Spaß beim Lesen :!: Einen schönen, warmen Frühlingsabend wünscht Euch AnnasMama :!:

Das erste Eis war gebrochen, Heike machte einen völlig anderen Eindruck als befürchtet. Emma fühlte sich geschmeichelt, was ihre Latzhose anging und legte nach – traute sich durchaus, auch mal etwas mehr zu fragen: „Und wie gefällt Dir der Nicki dazu?“ – Heike musste laut los lachen, hatte sie den Stress mit Kevin und seinem roten Kapuzennicki doch noch allzu sehr in Erinnerung. „Kevin wird den mögen, da bin ich sicher ...“ – „Und Du?“ hakte sie nach. „Wie gefällt er Dir?“ – Heike grinste. „Ist doch mehr was für die Kleineren, so wie Saskia …“ – „Saskia?“ – Und schon kam eine lange, ausführliche Erklärung, wer denn nun Saskia sei, und dass es die Tochter der besten Freundin sei, und dass es denen finanziell nicht so gut geht, und dass sie immer, wenn sie für Kevin was zum Anziehen kauft, direkt was für Saskia mit kauft, und überhaupt und sowieso, und sie ja selber eigentlich auch viel lieber ein Mädchen gehabt hätte und dass Kevin dann vielleicht doch kein Schwesterchen bekommen hätte, und zwei Jungs dann echt ‘ne Katastrophe geworden wären – einer reichte ja schon, der sei ja kaum zu bändigen und da müsse sie manchmal auch hart zupacken, und ja, im Zweifelsfalle bekäme er auch mal eine gescheuert oder was hinten drauf – Jungs müssen das abkönnen und nein, und nein, ein Mädchen würde sie natürlich niemals schlagen.

Emma war beeindruckt von Heikes Offenheit, verstand langsam aber sicher die ganze Problematik. Dennoch fand sie es traurig, dass sich Kevin so schnell von seinen Lieblingssachen trennen musste. Bei Heikes Einstellung wäre es zwecklos, ihn bei einer Latzhose oder einem neuen Nicki zu unterstützen. Das wäre wahrscheinlich vergebene Liebesmühe. Auf die Glattlederhose sprach Emma sie gar nicht erst an, denn das Thema würde sie wohl genauso in die „für die Kleinen“ Kategorie packen, denn bei Heikes Schwärmerei für Emmas Latzhose fiel irgendwann im Nebensatz ein „zum Glück ist Deine kein Leder ….“ – da war Emma dann auch die Einstellung zu diesem Thema klar. Aber irgendwas würde sie sich schon einfallen lassen – weil so ganz ohne richtig süße, coole Sachen wollte sie sich Kevin dann doch nicht vorstellen. Sie würde schon irgendwann was Passendes für ihn finden, und wenn’s ‘ne kurze Lederhose ist, die sonst im Reißwolf gelandet wäre. Wenn’s dann Ärger geben sollte, so what – dann aber bitte für sie und nicht für ihn.-Und übrigens, wo steckt der blöde Kerl bloß wieder? Na egal, der wird schon gleich kommen – da war sich Emma sicher.

Peter hingegen liebte inzwischen seine „neue“ Kniebundlederhose mehr als alles andere – dazu natürlich den orangefarbenen Hoodie, der vom vielen Waschen inzwischen mehr als nur abgenutzt aussah. Aber auch das machte ihm nicht aus, denn es war der einzige mit Kapuze, den er hatte und er fand die Dinger cool, der richtige Gegensatz zur Lederhose, wo er doch der einzige in der Klasse – wenn nicht gar in der ganzen Schule – war, der so etwas überhaupt noch anzog. Beides passte noch richtig gut, sowohl an der Hose als als auch am Pulli wird er sicherlich noch ein, zwei Winter Spaß haben können – wenn, ja wenn nicht die Lederhose irgendwann mal so dreckig und unansehnlich werden sollte, dass man sie nicht mehr anziehen kann. Denn für die Nachmittage auf dem Aschenplatz zum Fußball spielen war die Kniebundlederhose genau richtig – und so sah sie natürlich auch aus – die Kratzer und Macken am Po und an den Knien waren nicht zu übersehen. Aber was soll es, ‘ne Stoffhose wäre garantiert an einem Nachmittag durch und damit reif für die Tonne gewesen. Und darum beneideten die anderen Jungs ihn sogar manchmal um seine Lederhose, die alles so problemlos mit machte und wo er sich sicher war, abends keinen Ärger zu Hause erwarten zu müssen.

Ein paar Tage später …

Für Sonntagmittag hatten wir uns mal wieder für zum Griechen verabredet. Anna ließ mir die freie Auswahl, was sie denn anziehen solle und mir war klar, dass ich – nachdem sie die schokobraune Kunstleder-Latzhose schon die Woche über ein paar Mal wieder zur Schule getragen hatte – Anna in genau der Hose auch gerne beim Griechen sehen würde. Ich genoss wie sie die Tage, wo sie die Hose noch tragen konnte, denn auch ich war mir im Klaren darüber, dass ein weiterer Wachstumsschub (der allerdings schon lange ausgeblieben war – und wer weiß, ob da überhaupt noch einer kommt) oder gar zwei, drei Kilo mehr an Gewicht dazu führen würden, dass die Hose nicht mehr passt. Von daher war ich froh, dass sie zusammen mit den beiden anderen Latzhosen wieder zu Annas Tagesprogramm zählten. Die schwarze Cordlatzhose hatte sie gestern noch an, auch die passte genauso gut (oder schlecht – wie man es nimmt) wie die Lederhose. Selbst die blaue Jeanslatzhose, die an den Oberschenkeln und am Po so richtig schon hell verwaschen aussah, kam wieder vermehrt zum Einsatz. Annas Klamottenwelt schien also wieder in Ordnung zu sein, nur für die kurze Lederhose war das Wetter einfach noch nicht gut genug. Ich war gespannt, wie die diesen Sommer noch passen würde, denn auch sie war ja schon mehr als knapp, als Anna sie das letzte Mal angezogen hatte.

Emma und Kevin trafen sich regelmäßig die Woche über – wobei Emmas Latzjeans, die sie fast ständig trug, mehr und mehr in Mitleidenschaft geriet, was dazu führte, dass auch zwischendurch andere – aus Kevins Sicht total langweilige – Hosen zum Einsatz kamen. Die fand er dann total uncool – aber immerhin besser, als die Blümchenkleider, die sie sonst anzog. Die schwarze, knackig enge moonwashed Latzjeans blieb nun mal sein Highlight, und ab und zu wenn es warm genug war, lief Emma auch in der knallroten, glänzenden Adidas Turnhose auf, was bei Kevin leichte Panikattacken auslöste. Wobei – Heike und Emma verstanden sich erstaunlich gut, und da Saskia bei Kevins Klamotten durchaus wählerisch war und nicht mehr alles haben wollte, konnte man fast den Eindruck gewinnen, Heike hatte durchaus sogar Spaß an Emmas Outfit und bescheidenem Auftreten. Und da Emma ein wenig kleiner, aber etwas kompakter als Kevin war, wäre es nicht verwunderlich, wenn – zumal Heike irgendwann dann doch meinte „Wenn ich gewusst hätte, dass Du auch Latzhosen trägst – vielleicht hätte sie Dir ja sogar gepasst …“ Heike konnte so lieb sein, wenn sie wollte, konnte aber auf der anderen Seite aber auch Kevin spüren lassen, dass er eigentlich lieber ein Mädchen hätte werden sollen.

Kevins Englischarbeit war natürlich voll in die Hose gegangen, dafür hatte Emma sich eine zwei minus eingefangen, mit einer Hand voll richtig blöden und vor allem unnötigen Flüchtigkeitsfehlern – da wäre durchaus noch viel mehr drin gewesen. Aber sie war stolz, so stolz wie lange nicht mehr – denn zweien waren bei ihr die absolute Seltenheit und führten doch immer wieder zu kleinen Belohnungen seitens Mama oder Papa. Und auch das Mathe üben mit Kevin hatte zumindest dazu geführt, dass aus der fünf plus eine drei minus würde – was Eltern und sie ebenfalls zufrieden stimmen würde. Mit beiden guten Nachrichten im Rucksack gab’s von Mama die Riesenüberraschung: „Komm Emma, lass uns shoppen fahren – wir beide ganz allein!“ meinte Mama daraufhin zu ihr – und sie war glücklich und verdutzt zu gleich. Denn neue Klamotten hieß auch immer was altes kommt weg – und obwohl noch kein Zettel für die nächste Altkleidersammlung im Briefkasten gelegen hatte, hatte Emma doch ein ungutes Gefühl – aber Mama beruhigte sie: „Keine Angst, ich schmeiß Deine Latzhose und den Nicki schon nicht mit weg – kannst‘e beides solange anziehen, wie Du möchtest! Hab‘ ‘ne Überraschung für Dich …“

Emma war gespannt wie ein Flitzebogen, was Mama wohl meinte. Das erste Mal seit langem Mal wieder mit Mami alleine shoppen gehen und sie waren beide so gut gelaunt – das könnte doch mal ein richtig cooler Nachmittag werden. Auch wenn shoppen mit Mama sonst eigentlich nicht ihr Ding war (denn meist wurde das gekauft, was billig und praktisch– und nicht das, was cool – aber leider auch teuer war). Trotzdem hatte Emma das Gefühl, dass es ausgerechnet heute was Besonderes geben würde – denn Mama sprach ja von Überraschung und das hatte sie sonst nicht. Emma ließ also ihre Latzhose und den Ringelnicki an, den sie schon ein paar Tage zur Schule getragen hatte und der eigentlich schon lange reif für die Wäsche war. Dazu ein paar alte, dreckige No-Name Turnschuhe, die auch schon die besten Zeiten hinter sich hatten.

So fuhren sie also beide zusammen in das Einkaufszentrum und Mama ging zielstrebig auf den Jeansshop zu, dessen Werbeinserat sie in der Tageszeitungsbeilage gesehen und neugierig gemacht hatte. Die hatten nämlich ganz besondere Jeans im Angebot, was Papa nach dem Frühstück veranlasste, Mama für Emma zwei durchaus etwas größere Scheinchen zuzustecken „Kauf ihr mal heute Nachmittag was Schönes, dann muss sie auch nicht immer nur zurückstecken …“ doch da wussten beide noch nicht ob der guten Noten. Emma erblickte direkt am Schaufenster des Jeansladens das Objekt ihrer heimlichen, aber nie auszusprechen gewagten Begierde: Hatten die doch tatsächlich noch echte Levis 665er Latzhosen, und dann noch zu einem Wahnsinnspreis. „Die hast Du doch schon immer haben wollen, Emma, oder nicht?“ grinste Mami und schwups waren beide auch schon mitten drin im Geschäft. Emma nickte nur, zu baff was zu sagen. Die Auswahl war groß – allesamt schönes, verwaschenes hellblau und alle Größen vorrätig. Emma probierte sie an, die erste saß viel zu schlabberig und zu weit, aber die zweite war dann die passende Größe, so dass auch noch etwas Platz in der Länge und Weite war. Und komisch, das erste Mal mit Mami einkaufen, wo es keine Diskussionen gab – wo sie nicht „Nein“ sagte, oder „zu teuer“ oder „ziehst Du ja doch nicht an!“

Aber es ging ja noch weiter – die neue Latzhose war schnell gekauft, die Verkäuferin froh, einen Ladenhüter an den Mann – ähm an die Frau gebracht zu haben – als Mami meinte, „Komm, lass uns mal da drüber im Schuhladen nach ein paar coolen Sneakers für Dich schauen!“ Emma verstand die Welt nicht mehr – nicht nur dass sie jetzt einfach so mal Zwischendurch ‘ne neue Latzi abgestaubt hatte, nein jetzt bekam sie auch noch ohne wie sonst so oft bitteln und betteln müssen ein paar neue Turnschuhe, und das auch noch mit dem Kommentar: „Such Dir welche aus …“ Was war denn bloß los, Mama auf einmal so spendabel – das war ihr jetzt wirklich nicht geheuer. Emma schaute zwischen all den Turnschuhen, warf immer mal wieder einen kurzen, verlegenen Blick auf die weißen Adidas Superstars mit den roten Streifen – die fand sie cool, die hatten die anderen aus ihrer Klasse nicht, die hatten die nur mit schwarzen Streifen. Mama merkte das irgendwie und gab‘ ihr ‘nen Ruck: „Na, dann probier‘ sie halt mal an …“ grinste sie, wohl wissend, dass auch dafür das durchaus üppige Budget noch reichen würde. Emma schlüpfte hinein, die Sneakers passten auf Anhieb und ihre Mami nickte zustimmend: „Wenn Sie Dir passen …“

Emma fühlte sich wie im Traum – zwickte sich hier und dort, aber nein, das war kein Traum, das war Realität –alltags shoppen mit Mama im Einkaufszentrum. „So, und nun suchst Du Dir im Sportgeschäft noch ‘ne coole Adidas Regenjacke und dann sind wir erstmal durch für heute!“ Emma war außer sich vor Freunde, denn damit hätte sie nun wirklich nicht gerechnet. Zur neuen Latzhose nicht nur geile Superstars zu bekommen, sondern auch noch eine passende neue Jacke. Was Kevin wohl dazu sagen würde? Natürlich würde sie ihm sofort verraten, wo sie die Latzhose her hat und ihn dort zum Einkaufen vorbei schicken, dass er sich doch auch so eine holen solle – aber wie das alles Heike erklären? Am Geld würde es bei denen ja auch nicht scheitern, dachte sie, als sie noch kurz beim Lebensmitteldiscounter abbogen. Doch auf einmal traute Emma ihren Augen nicht, hatte sie doch auf dem Wühltisch noch etwas Spannendes entdeckt …
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

„Guck mal, Mami – was die hier haben! Die sind ja geil!“ – Emmas Mama grinste. „Und so schön weich! Mama, den roten oder den blauen?“ Emma war aus dem Häuschen, hatten die doch beim Discounter tatsächlich zwischen all den Billigpullis aus dem Wochenangebot auch noch kuschelig weiche Nickipullis mit Rollkragen und Bündchen an den Ärmeln und am Bauch liegen. Das war die Krönung des Tages und Mama fragte neugierig: „Zeig mal!“ Und sie bestätigte „Jau, könnte von der Größe her sogar noch passen – Preis ist auch ok, wenn Du die noch anziehst …“ – „Na klar“, grinste Emma – wobei es allerdings schnurstracks auf den Sommer zuging und die Rollis doch eher als Winterpulli gedacht waren, die aber wohl aufgrund der großen Größe kein Interesse bei den Kunden hervorgerufen hatten. Ein wahrer Glücksgriff also heute und Mami bestätigte noch: „Wenn Du Glück hast, passen die auch noch nächsten Winter!“ – „Ok! Welchen denn von den beiden? Den roten oder den blauen? Welcher gefällt Dir besser, Mama?“ – „Ach, weißte was – wenn sie Dir gefallen, nimm doch beide!“ So viel Großzügigkeit war sie von Mama gar nicht gewohnt – wobei, wenn man bedenkt, dass die Nickis noch der günstigste Posten auf der Tagesrechnung waren.

Für Emma war der Einkauf mit Mama ein wahrer Lottogewinn. Sie freute sich wie eine kleine Schneekönigin über jedes einzelne der neuen Anziehsachen und war zufrieden wie schon lange nicht mehr. Und dass sie all die Klamotten, die schon lange auf ihrem Wunschzettel standen nun endlich bekommen hatte, machte sie stolz und glücklich. Vor allem gefiel ihr, dass Mama ihr zugesichert hatte, auch die alte Latzhose und den Ringelnicki noch eine Weile anziehen zu dürfen – nein, die Moonwashed hatte durchaus auch noch ihrer Berechtigung –obwohl‘s nur ‘ne Jinglers war, war sie dennoch cool und hatte bei Emma „Kultstatus“ erreicht. Nein, das würde sie noch nicht über Herz bringen, sich davon zu trennen, genauso wenig von dem alten Ringelnicki – nein, sie war froh, die alten Sachen behalten zu dürfen, freute sich aber auch auf Kevin, wenn sie ihm am Montag stolz ihre neuen Sachen präsentieren dürfte. Und sie war gespannt was Heike sagen würde, denn so eine 665er war doch insgesamt Königsklasse – nur wenige in der Klasse konnten sich eine echte Levis leisten. Da waren die Billigmarken doch immer noch in der Überzahl – obwohl das Markenbewusstsein dennoch immer mehr und mehr zunahm.

Und selbst Papa gefiel das neue Outfit, obwohl er nicht ganz sicher war, ob das mit der Latzhose nicht rausgeschmissen Geld gewesen sei, weil er befürchtete, dass Emma sie doch nicht so oft und gerne tragen würde, wie derzeit angenommen. Wobei sie ja auch die alte Jinglers schon deutlich öfter trug, als Papa es für möglich gehalten hätte. Nur dass man zum Sommer hin noch dicke Winterpullis kauft, die zum nächsten Herbst-/Winter hin möglicherweise dann doch nicht mehr passen, konnte er nicht nachvollziehen. „Wir waren froh, überhaupt noch Nickis für sie zu finden. Und der Preis war mehr als ok – sind doch gut ausgekommen, und Emma ist happy! Was wollen wir denn noch mehr?“ Papa war überzeugt, obwohl es ihm nicht wirklich behagte, seine Emma in dem Alter noch in Latzhosen und Nickis zu sehen. Vielleicht hätte er was anderes erwartet, aber da Emma sichtlich zufrieden war und gelobte, die neuen Sachen auch zu tragen, was alles ok. „Zum Glück sind die Geschmäcker halt unterschiedlich!“ – „Ja, ja“ grinste die Große „mein Geschmack ist das jedenfalls nicht! Nee, keine Latzhose – never – ever! *kopfschüttel*“

Es war Sonntag geworden und der Besuch beim Griechen stand an. „Na, Mama – dann wünsch‘ Dir was!“ grinste Anna mich an nachdem sie aufgestanden war. „Na, wenn Du magst, dann zieh‘ ruhig Deine Lederlatzi an – die trägst Du doch eh inzwischen wieder am liebsten!“ Anna lächelte zufrieden als wenn sie mir sagen wollte „Gimme Five – ich seh‘ doch, wir verstehen uns!“ denn logischerweise wollte Anna natürlich auch gar nichts anderes angezogen haben – suchte aber die Bestätigung von mir. „Und welchen Pulli?“ – „Wenn Du magst, darfst Du dazu meinen schwarzen Kapuzennicki anziehen – der dürfte Dir inzwischen besser passen, als mir!“ Mit dem Nicki war mir letztens beim Waschen ein kleines Malheur passiert, hatte ich ihn doch ein kleines bisschen zu lange im Trockner gelassen, was er mit ein wenig einlaufen quittierte. Naja, passt er halt Anna – auch nicht wirklich dramatisch. Für zu Hause hätte ich ihn auch noch getragen, aber unter meiner Lieblings-Rocky-Latzjeans hatte ich eh schon meinen grau/gelben Adidas Pulli angezogen, der immer noch am besten zu der Jeans aussah. Also hatte wir beiden mal wieder den Klassiker gewählt – Anna und ich, wir beide zusammen in Latzhosen, das hatten wir lange nicht mehr, was sicherlich auch daran lag, dass ich latztechnisch auch eine kleine Winterpause eingelegt und dementsprechend öfters mal meine Lederjeans getragen hatte.

Gegen Mittag trafen wir uns von dem Restaurant und Frankie kam sich entschuldigend direkt auf mich zu: „Sorry, ich wollte Peter eigentlich ‘ne Jeans anziehen – aber er musste unbedingt …“ Ich unterbrach ihn und fing laut an zu lachen: „Ist halt ‘nen Ruhrpott-Blaach – die tragen nun mal Lederhosen! Kannst’e halt nichts machen, iss so! Punkt!“ Peter war erstaunt – hatte es doch zu Hause eine kräftige Diskussion darüber gegeben, was er denn anziehen soll. „Die hatte ich doch letztens auch an …“ war sein Argument, was Frankie Letzen Endes dann doch überzeugt hatte. Und dass ich so reagiert hatte, wie ich reagierte, gab Peter dann doch Recht: „Siehste Papa, alles gut!“ und beide nickten zufrieden als hätte es zu Hause überhaupt kein Theater gegeben.

Nur die kleine Kellnerin schüttelte mit dem Kopf, als sie Anna sah: „Du hattest doch letztens so ‘ne schöne, coole Jeans an, Anna – und ehrlich: Die steht Dir besser!“ – „Naja, wenn Du meinst“ reagierte Anna etwas beratungsresistent. „Hat sich Mama gewünscht, dass ich die hier anziehe!“ Und schon lag‘ der Ball bei mir. „Wir wollen anschließend noch mit Peter auf den Spielplatz, da ist ‘ne Latzhose praktischer …“ Ok, damit war ich bei ihr gescheitert, das war zu offensichtlich – und sie hielt sich im weiteren Verlauf auch dezent zurück, was unserer Klamottenauswahl anging. Dass sie überhaupt etwas sagte lag einfach daran, dass wir uns schon seit Ewigkeiten kannten und wir eigentlich immer auch über ihre Klamotten sprachen. Denn früher, als sie so alt war wie Anna jetzt, trug sie auch des Öfteren Latzhosen – auch wenn sie die nicht wirklich gemocht hatte. Aber zum Glück hat nicht jeder den gleichen Geschmack und über Geschmack lässt sich ja bekanntlich auch streiten!

Das Essen schmeckte lecker wie lange nicht mehr – alles war zu vollsten Zufriedenheit. Gewohnheitsgemäß putzte Peter seine Finger wieder an der Lederhose ab, anstatt die Serviette zu benutzen – aber klar, dafür ist doch so ‘ne Lederhose auch da, oder? Frankie nickte und meinte „So isser halt …“ was zu allgemeiner Erheiterung führte. Nein, auch Peter war stolz und glücklich darüber, mir doch mal wieder zeigen zu können, wie gerne er doch seine Lieblingslederhose anzieht. Und das war ja bei weitem auch keine Selbstverständlichkeit, denn noch vor nicht allzu langer Zeit war er froh darüber, seine alte Lederhose mit beim Sperrmüll entsorgen zu dürfen. Aber zum Glück lag das nur daran, dass sie ihm zu klein geworden war – den Spaß daran hatte er nicht verloren.

Und natürlich hatte Peter einen Wunsch, wobei er sich natürlich nicht traute, ihn direkt an mich heranzutragen und Frankie vorschickte. „Für’n Sommer ist ihm die Kniebund-Lederhose zu warm, meinte Peter letztens – ‘ne kurze wäre doch da bestimmt viel cooler … Hast Du nicht vielleicht eine Idee?“ Hatte ich natürlich, denn insgeheim hatte ich bei Peter durchaus mit dem Wunsch gerechnet, wobei sich Kinder in dem Alter eigentlich viel lieber Spielzeug statt Anziehsachen wünschen. „So eine wie er hat – nur in kurz, so wie Du die auch hast, oder Anna – so eine hätte er am liebsten!“ Das war mir eigentlich auch klar, denn die glatten, weichen Nappalederhosen sind einfach viel schöner und cooler, als die aus Rauleder – wenn die Reißverschluss haben, gehen die zwar zur Not auch noch, aber Knöpfe an den Dinger sind eigentlich für so Rabauken nicht zeitgemäß. Das dauert doch im Zweifelsfall viel zu lange, bis dass die offen sind – bis dahin ist das Malheur doch schon längst passiert. Nee, die Dinger kriegst Du zwar „an jeder Ecke“, aber auch genau deswegen, weil sie niemand haben möchte. Nein, die sind einfach nur eine Zumutung und daher von vorn herein raus aus den Optionen.

Selbstverständlich konnte ich keine großen Versprechungen machen, denn einfach in den nächst besten Laden gehen und sagen „Ich hätte gerne einmal …“ das war nicht – denn Lederhosen für Kids in der Große in normalen Klamottenläden zu finden war nahezu unmöglich. Selbst in den Trachtenläden gab’s nur diese typischen „Mit-Knopf-Exemplare“, die bekannter Weise nichts für so Ruhrpott-Blagen waren. Ich müsste also mal wieder die Runde durch die Second-Hand-Shops machen und hoffen, dass irgendeine Mami mal wieder welche aussortiert hat und ich noch rechtzeitig vor dem großen Schreddern diese abgreifen kann. Zumindest bei UsedTex wurde Leder separat geschreddert, was dazu führte, dass es relativ lange dauerte, bis der große Behälter mit Lederklamotten voll war und dann den Weg in die Vernichtung antrat. Bei den Textil-Recyclern war das völlig wumpe, ob das jetzt bei den Pressdämmmatten mal der ein oder andere Lederschnipsel zwischen war, interessierte niemanden. Da hätte ich nur dann eine Chance, wenn ich mal mit den Damen ein Wörtchen reden würde – vielleicht würden sie ja „für einen guten Zweck“ ein paar Lederhosen zur Seite legen, bevor sie dann im Reißwolf enden.

Ich weiß, solche „Vorbestellungen“ waren total unbeliebt – erst Recht, wenn man nicht die Masse (d.h. alle Exemplare) nehmen wollte. Der Aufwand war einfach zu hoch, und vermutlich hatten sie auch schon schlechte Erfahrungen gemacht mit Leute, die die Sachen zwar vorbestellten, dann aber doch nie abgeholt hatten. Nein, der logistische Aufwand dafür war wohl zu hoch, es war in Summe einfacher und bequemer, alles, was sich nicht in kürzester Zeit verkaufen ließ, direkt zu schreddern. Und die Nachfrage nach alten, getragenen Kinderlederhosen war einfach gleich Null – trägt ja niemand mehr, zumindest in unseren Breitengeraden. Selbst bei den Pfadfindern, die lange Zeit an der Tradition der Lederhosen festgehalten hatten, waren inzwischen Jeans Usus. Die Zeiten waren einfach vorbei, nur so ein paar Ausnahmen wie Anna oder Peter, die verstanden hatten wie praktisch und vorteilhaft die Dinger doch waren, rannten noch darin rum. Die anderen waren längst bei Jeans und Turnhosen angekommen – eine Entwicklung, die ich durchaus kritisch sah, denn mit Nachhaltigkeit und Effizienz hatte das längst nichts mehr zu tun. Die Kids wollten modisch sein, nicht altmodisch – und wer sollte es ihnen verübeln?
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Montags drauf war für Emma der spannende Tag, das erste Mal seit langen, nein das erste Mal überhaupt wo sie in von oben bis unten neuen Klamotten zur Schule gehen durfte. Und obwohl es ein durchaus warmer Tag zu werden schien, entschied sie sich für den roten Rollkragennicki, der so wunderbar flauschig weich war und noch neu duftete. Natürlich schlupfte sie in die nagelneue Levis 665, was für ein geiles Gefühl endlich mal eine echte Levis anziehen zu dürfen und dann auch noch eine Latzhose. Sie korrigierte die Schnallen noch ein wenig in Richtung „etwas strammer“, so dass die ansonsten durchaus etwas locker sitzende Jeans wunderbar anlag. Kein Vergleich zur Jinglers, in die sie sich zum Schluss fast hineinzwängen müsste, die vor allem an den Oberschenkeln hauteng saß. Das hatte zwar durchaus auch seinen Reiz, war aber auf Dauer dann doch etwas lästig. Emma war froh, dass sie das alte Teil erstmal zur Seite legen konnte. Klar mochte sie die immer noch, aber eine echte Levis ist halt keine C&A Jinglers, das war klar – und wenn sie mit ihren Klamotten Eindruck machen wollte, dann doch eher mit was neuem, hochwertigen, so dachte sie jedenfalls.

Am Frühstückstisch gab’s jedenfalls schon mal die ersten Komplimente: „Schaust gut aus!“ meinte ihr Papa und Mama ergänzte: „Ich pack Deine alten Sachen dann heute mal mit in die Wäsche – solange sie noch einigermaßen passen, kannst Du sie ja noch mit anziehen!“ – Emma nickte zustimmend, wohl wissend dass sie natürlich zur Gruppenstunde am Nachmittag liebend gerne auch die neuen Klamotten anziehen würde. Nur Emmas größere Schwester lästerte: „Warum darf sie die Sachen behalten und ich nicht? Warum muss ich mein altes Zeugs immer gleich abgeben, wenn ich was Neues bekomme?“ – „Weil Du es dann sowieso nicht mehr anziehst?“ erwiderte ihre Mama ohne langes Überlegen. Und ich wette, Emma wird die alten Sachen auch kaum noch anziehen wollen, dann sind die halt schon frisch gewaschen, wenn sie demnächst mit in die Altkleidersammlung gehen!“ Emmas Herz blieb fast stehen – da war es wieder, das böse Wort, dessen Bedeutung sie lange ignoriert hatte – was ihr aber dank Kevin in letzter Zeit immer mehr zugenommen hatte.

Emmas große Schwester grinste, lästerte von wegen da gehören die Moonwashed-Latzi und der Ringelnicki auch hin – wobei, nein, eigentlich sei doch beides nur noch was für die Tonne. Und sie erinnerte sich daran, wie sie früher auch immer die Sachen in die Mülltonne werfen musste, die soweit abgetragen oder kaputt waren, dass sie zum Weitergeben nichts mehr taugten. „Mama, ich versteh‘ Dich nicht … - Bei mir warst Du früher nie so tolerant!“ – „Jetzt hört auf zu streiten“, ging Papa dazwischen. „Was früher war, ist egal – Ihr seid alt genug um zu entscheiden, was ihr anziehen und was ihr weggeben wollt! Und auch wenn Emmas alte Latzhose etwas knapp sitzt, für zu Hause oder zum Rumtoben reicht die alle Male. Denn eines merke Dir: Wenn Du die neue kaputt machst, wird die trotzdem weiter angezogen, dann gibt es nicht gleich wieder eine Neue! Das muss jetzt erstmal reichen, wir haben schließlich keinen Goldesel im Keller!“

Papas Ansage hatte gesessen und Emma war es eigentlich gleich, was aus den alten Sachen würde. Die neuen Sachen waren sowieso viel reizvoller, zumindest für sie. Und selbst wenn Mama sie vor die Entscheidung gestellt hätte, entweder die alten Sachen kommen weg oder es gibt nichts neues – sie hätte sich natürlich selbstverständlich für die neuen Sachen entschieden und alles, aber auch wirklich alles andere, was sie hätte abgeben sollen, in die Entsorgung gegeben. Nun gab’s also für Notfälle immer noch Plan B und alles war gut. Denn natürlich liebte sie Latzhosen, weil sie eben so wunderbar bequem sind – nur wenn sie zu eng sind, sieht es zwar vielleicht süß und knuddelig aus, ist es aber dann doch nicht. „So, und jetzt Abmarsch in die Schule – ich muss los, die Kleine zum Kindergarten bringen.“ Und schon rannte Emma in Richtung Garderobe, wo die neue Adidas Regenjacke in knallrot mit den drei weißen Streifen am Ärmel und dem großen Adidas Logo auf dem Rücken hing, ergrifft sie und zog sie an. Dann noch schnell in die Superstars, die obwohl sie die schon gestern zum Spazierengehen getragen hatte, immer noch nagelneu glänzten. Sie war gespannt, was die anderen sagen würden. Und zumindest brauchte sie sich wegen der alten Klamotten keine Sorgen machen, wobei es ihr eigentlich auch egal war, was draus wird – denn sie hatte ja nun eine neue Latzhose.

Der Nachmittag gestern mit Frankie und Peter verlief so wunderbar harmonisch wie schon lange nicht mehr. Und je mehr ich drüber nachdachte wurde mir klar, dass ich nicht drum herum kommen würde für Peter auch nach einer kurzen Lederhose zu suchen. Anna hatte direkt mit dem Kopf geschüttelt und meinte „Meine zieh‘ ich noch an!“ und meine eigene abzugeben kam auch nicht in Frage, dafür trug ich sie dann doch im Sommer viel zu gerne. Außerdem waren beide eigentlich völlig fertig, so dass ich sie vom Zustand her auch niemandem mehr hätte zumuten wollen. Zwei Kandidaten also, die bei der Altkleidersammlung also den direkten Weg in den Reißwolf angetreten hätten, da war ich mir mehr als sicher. Zumal die selbst in der Altkleidersammlung echt selten geworden sind – was auch nicht groß verwunderlich war, denn die Zeit wo Lederhosen noch in jedem gepflegten Kleiderschrank eines Kinder oder Jugendlichen zu finden waren, war lange vorbei. Nur noch ganz selten sah man Jungs wie Peter oder Kevin darin herumlaufen, die meisten waren dann wenn auch „Erbstücke“ oder gebrauchte Hosen, die schon von zig Kindern getragen worden waren und dementsprechend aussahen.

Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt das unmögliche möglich zu machen – allzu gerne wollte ich doch Peters leuchtende Kinderaugen sehen, wenn ich ihm für den Sommer eine kurze mitbringen würde. Denn spätestens nach gestern Nachmittag war mir klar, er ist so einer, der das zu schätzen weiß und der sie auch gerne tragen würde. Und von daher war auch klar, dass es nicht irgendeine Lederhose werden würde, womöglich so eine ganz billige Rauleder mit Knöpfen – nein, wenn schon dann eine aus weichem Nappaleder so wie Anna und ich sie haben. Wobei billig oder teuer eh keine Rolle spielt – denn am Ende stehen sie eh alle kurz vorm Reißwolf, egal wie teuer sie früher mal waren. Und ja, die weichen Nappalederhosen waren früher am teuersten, aber auch am schönsten – so richtig geiles weiches, glänzendes Leder hat schon was – da konnten die billigeren rauen einfach nicht mithalten. Wobei manche Mama die Geilheit der glatten schon früh erkannt hatte und daher ihren Nachwuchs dann doch lieber vorsichtshalber in eine billige Raulederhose steckte. Wenn schon, denn schon – denn Lederhosen waren immer was zum Spielen und dreckig machen, in den seltensten Fällen was für „Sonntags“ oder für „Gut“. Das hätte auch nichts genutzt, denn zumindest die billigen rauen waren nach dem ersten Mal tragen eh ruckzuck dreckig.

Ich würde also heute nach der Arbeit, zu der ich mal wieder in Latzhose und Adidas Pulli loszog, eine Runde durch die Second-Hand-Shops machen, wobei sich die Runde wahrscheinlich direkt auf UsedTex und den Textilverwerter beschränken wird. Einfach wird das sicherlich nicht, und hoffentlich muss ich nicht am nächsten Wochenende über die Flohmärkte ziehen um dort fündig zu werden. Aber ich liebte solche Herausforderungen, die Nadel im Heuhaufen zu suchen machte Spaß – und für Peter sowieso. Ich mochte ihn, er war mir mit seiner Bescheidenheit so richtig ans Herz gewachsen. Ich spürte immer wieder, dass er meine Nähe und Zuneigung suchte, etwas was er wohl von seiner leiblichen Mama viel zu selten bekommen hatte. Nein, er war stets und immer kuschel- und knuddelbedürftig was mir natürlich umso mehr Freunde machte, wenn er seine Kniebundlederhose an hatte. Dass er die so sehr liebte und mir immer wieder stolz von seinen Erlebnissen darin berichtete war für mich mehr als nur ein Zeichen. Die anderen Jungs am Sportplatz mochten ihn, war doch seine Hose Garant dafür, dass sie auch die heftigsten Ausrutscher problemlos überlebte. Rumtoben und darin rumalbern war seins, und allzu gerne ließ er sich auf dem Hosenboden über den Aschenplatz ziehen um allen anderen zu beweisen, wie robust und stabil doch so eine Lederhose ist.

Leider bekam er nie mit, wie die Freunde wirklich darüber dachten, wobei er den Eindruck hatte, die meisten hätten sich insgeheim eine gewünscht. Nein, drüber gesprochen wurde nicht – auch nicht gelästert oder gehänselt, die anderen kannten ihm nur so und schämten sich mehr für die aufgenähten Knieflicken, die bei ihnen an den Stoffhosen zu sehen waren. Denn kaum einer von den Jungs durfte zum Sportplatz in guten Klamotten, wobei gut am Zustand der Knie definiert wurde. Die meisten freuten sich auf den Sommer, wo sie dann endlich auch wieder ihre engen Adidas Sprintershorts in der Freizeit tragen durften, wenn die jeweiligen Mamis sie nicht zum Saisonbeginn durch die unbeliebten Erwachsenengrößen mit Innenfutter und Seitenschlitz ausgetauscht hatten. Doch die Jungs in Peters Alter kamen in der Regel meist noch mit der Kindergröße aus, obwohl es auch schon Mamis gab, die umgeschwenkt und ein paar Nummern größer zum Reinwachsen kauften. Das geschah oftmals ohne großes Aufhebens, irgendwann lagen dann neue in der gleichen Farbe im Schrank und die alten wanderten in der Regel sofort in den Altkleidersack, denn verschenkt wurden die meist eh nicht mehr.

Anna ignorierte die heftige Kritik der kleinen griechischen Kellnerin und hatte Mut gefasst und ihre Kunstleder-Latzhose und den dazu passenden Anorak zur Schule angezogen. Sie spürte, wie langsam aber sicher die Zeit ablaufen würde und passte höllisch auf, nicht noch weiter an Gewicht zuzunehmen. Sie ernährte sich dementsprechend und tat alles dafür, dass ihre geliebte Hose nicht doch eines Morgens zu eng sein würde. Sie betete jeden Abend, dass sie nicht noch großartig weiter wachsen würde, denn ein paar Zentimeter mehr und sie wäre von der Länge her auch nicht mehr wirklich tragbar. Und natürlich passte sie höllisch drauf auf, dass sie sich nicht langlegt, hinfällt und das schon eh arg in Mitleidenschaft geratene Kunstleder nicht weiter herauszufordern. Sie genoss förmlich die Tage und war morgens happy, wenn es kühl und regnerisch war, denn sobald es wärmer werden würde, wäre es in dem Kunstlederteil viel zu warm und schwitzig. 15°C war die Grenze, das hatte sich eingependelt, darüber hinaus machte es selbst Anna keinen Spaß mehr in der Kunstlederhose. Aber das kannte sie ja schon von der schwarzen, die sie damals von Marie bekommen hatte.

Bei Marie, so sagte Anna letztens, müsse sie auch unbedingt mal wieder vorbeischauen, sie hätte wieder einiges an Klamotten abzugeben, was sie haben könnte, weil sonst gingen die eh bei nächster Gelegenheit mit weg. Und „mit weg“ hieß bei Marie durchaus auch nur noch Altkleidersammlung, denn die Sachen waren auch immer gut getragen. Manches etwas exotisch, einiges von Adidas, aber immer voll nach Annas Geschmack, so dass es ihr überhaupt nichts ausmachte, wenn die Tragespuren etwas deutlicher ausfielen. Dafür waren die Klamotten immer für umme, und Maries Mami froh, dass sich noch jemand dafür begeistern konnte. Denn auch ihr war klar, dass das meiste, was Marie aussortiert hatte, bei der Altkleidersammlung im Reißwolf enden würde. Und dafür waren ihr die Sachen eigentlich zu schade, auch wenn niemand anders sie sonst nehmen wollte. Auf Anna war halt immer Verlass.
AnnasMama
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Marie hatte das Wochenende genutzt, um endlich mal wieder ihren Kleiderschrank auszumisten. Alles, was noch „Kindergröße“ war konnte – nein sollte, so hatte sie ihre Mama ermahnt – endlich mit weg, denn das meiste passte ihr eh nicht mehr. Und das was noch gerade eben so passte, war nahezu verbraucht, dass sie es niemandem mehr anbieten wollte. Wobei Anna – das wusste sie von früher her – natürlich immer durch alles was sie aussortiert hatte durchschauen wollte, denn oft genug fand sich zwischen den Sachen, die eigentlich nur noch Müll waren oder bei der Altkleidersammlung im Reißwolf gelandet wären, etwas, was Anna unbedingt haben wollte. So bereitete sie alles vor, machte zwei Päckchen – eines mit „Gut“ und ein weiteres mit „Müll“, wobei ihrer Meinung nach letzteres deutlich überwog. Das meiste waren diesmal T-Shirts, Sweaties und Pullover, der schwarze Kapuzennicki der schon seit Jahren im Schrank gelegen hatte wanderte direkt auf den Müllhaufen, weil Marie am rechten Ärmel ein kleines, stecknadelgroßes Loch entdeckt hatte. Hosen waren diesmal kaum welche dabei, außer ein paar abgeschnittenen Jeans und einer Latzhose, von der ihre Mama meinte „Frag Anna, ob sie die mag – wenn nicht, dann leg sie wieder in den Schrank zurück, solange sie Dir noch passt. Für den Sack wäre mir die zu schade!“

Na gut, dachte sich Marie und blickte in Gedanken zurück auf die Zeiten, wo Anna noch regelmäßiger bei ihr vorbei kam. Das hatte etwas nachgelassen nachdem sie mit ihren Eltern und den Geschwistern in die Nachbarstadt gezogen war, in ein kleines Häuschen in der Nähe des „Schwatten Flusses“ – wie alle den zum Kanal begradigten Flusslauf nannten. Für Anna war es seit dem immer eine kleine Reise, von daher war es auch nicht weiter verwunderlich, dass sie sich meist nur noch ein paar Male im Jahr trafen. Marie freute sich auf Anna wie schon lange nicht mehr, freute sich, dass ihre Klamotten in gute Hände kommen würden und ihnen der Weg in die Lumpensammlung und in den Reißwolf erspart blieben – zu mindestens mal aufgeschoben, denn irgendwann werden sie auch Anna nicht mehr passen und ihr war durchaus klar, dass dann endgültig Feierabend wäre. Sie trug nun mal das was sie hatte oft und gerne, und vieles was sie hatte, war zuvor auch schon von anderen Kindern getragen worden. So wie das halt so ist, dachte sie sich und erinnerte sich noch wie gestern an Annas leuchtenden Augen, als sie damals ihre schwarze Kunstlederjeans mitnehmen durfte. Ach, was hatte sie sich darüber gefreut – Anna freute sich immer, wenn sie was von Marie geschenkt bekam, aber das war etwas ganz was Besonderes. Was Anna wohl anziehen würde, wenn sie vorbei kommt? Marie war gespannt …

Auf dem Schulweg traf Anna als erstes auf Kevin, normalerweise begegneten sich beide immer erst auf dem Schulhof, jedoch hatte Kevin wohl auf Anna gewartet und so liefen sie das letzte Stückchen gemeinsam. Kevin sah sie mit großen Augen an, als er sie in seinem Lieblingsoutfit erblickte. „Bist Du mir eigentlich immer noch böse?“ fragte er neugierig. Anna fing laut an zu lachen. „Wegen damals? Wegen der Latzhose? Du weißt schon, was Du angestellt hast?“ Kevin schluckte und nickte. „Ich find die halt total geil!“ – „Ich weiß – “, grinste Anna zurück „aber das ist doch kein Grund, oder?“ – „Hast ja recht …“ murmelte er. – „Hättest ja wenigstens mal vorher fragen können!“ – „Echt jetzt? Dann hätte ich die anprobieren dürfen?“ – „Na klar, wobei – die war Dir immer schon viel zu klein, oder?“ – „Mhmhm“ bestätigte er. „Die Seitenknöpfe hab‘ ich garnicht erst zu bekommen, aber ich wollte doch wenigstens den Latz mal eingehakt haben! Alter Mist aber auch, ich hätte es nicht machen sollen. Aber schön, dass Du die wieder trägst! Passt zu Dir, steht Dir gut!“

Was war denn plötzlich mit Kevin los? Anna war unsicher und wusste nicht, ob sie ihm wirklich verzeihen wollte. Immerhin war er ja inzwischen mit Emma zusammen. Aber sie mochte ihn noch immer, auch wenn er keine Latzhose mehr trug so hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben, ihn mal wieder in einer solchen zu sehen. „Hast Du eigentlich noch Deine Latzhose?“ fragte Anna neugierig. „Altkleider“ grummelte Kevin sichtlich verärgert „hat Mama weggeschmissen …“ – „Echt jetzt? Das ist ja blöd. Warum das denn?“ – „Sie meinte die wär‘ nichts für Jungs!“ – „Ach, Blödsinn! Und nun?“ – „Muss ich halt ohne leben. Ich freu mich, dass Du Deine noch trägst! Hoffentlich passen sie Dir noch lange!“ Anna spürte es wieder, dieses Kribbeln, wenn sie Kevin Nahe war. So wie damals, als beide ihren ersten Sex miteinander hatten. Nein, das Thema war lange noch nicht durch und wenn nicht jetzt, wann dann den ersten Schritt auf ihn zu machen. „Verziehen!“ meinte sie. „Danke!“ lächelte Kevin, als wäre ihm ein großer Stein vom Herzen gefallen.

„Weiß Deine Mama eigentlich von Deinem Fetisch?“ fragte Anna neugierig. Kevin nickte. „Das ist doch vermutlich der wahre Grund, warum die Lederhose und die Latzhose weg sind“ vermutete er. „Aber ich find die Dinger halt mal geil – scheiße nur, dass ich selber keine mehr tragen darf …“ Anna spürte ihre Erregung, und natürlich auch seine, denn seit er Anna in ihren Ledersachen erblickt hatte, war seine Morgenlatte in der engen Jeanshose die er trug deutlich zu sehen. Am liebsten hätte sie ihn – aber sie konnte sich noch nicht einmal zu einer kleinen Umarmung hinreißen lassen. Wobei dieser knuddelige Kerl auch ohne Latzhose total süß aussah. Ja, Kevin war immer noch Annas Schwarm, auch wenn sie es ihm nicht so offensichtlich zeigen wollte. Sie hatte ihm verziehen, endlich und er war froh darüber – doch dafür Emma aufgeben? Emma war eigentlich nie wirklich sein Typ gewesen, aber die Aktion mit der Latzhose hatte ihn total fasziniert. Damit hatte sie ihn erobert – zu einer Zeit, wo bei Anna Latzhosenflaute war und er schon befürchtete, Anna nie wieder in Latzhosen zu sehen.

Na klar, träumte er manchmal von ihr, warf beim Onanieren den Film mit ihr im Kopfkino an und kam jedes Mal in der Szene zum Orgasmus, wo die alte, schullige Sortiererin Annas Lederlatzhose nach kurzem Begutachten kommentarlos in den Reißwolf warf und das Teil Sekunden später in tausend kleine Einzelteile zerfetzt wieder ausgespuckt wurde. Wie sie sich noch nicht einmal die Mühe machte, sich das Teil näher anzuschauen, so wie er es gemacht hätte, hätte er sie in der Altkleidersammlung entdeckt. Und ja, er hätte sie natürlich nicht geschreddert, egal wie sie ausgesehen hätte, sondern in den Korb mit den Kinderhosen geworfen und dann gehofft, dass sie irgendwo auf der Welt wieder auftaucht und ein Kind glücklich macht. Und völlig klar, ab und zu spielte auch Emmas Moonwashed-Latzi die Hauptrolle, von der er ebenfalls annahm, dass sie ohne zu zögern im Schredder enden würde, oder sein alter, roter Kapuzennicki – den er fein säuberlich in der Mitte durchgeschnitten zu Putzlappen verarbeitet sah. All diese Gedanken, all diese Ohnmacht ließ das Kribbeln in ihm bis zum Orgasmus ansteigen. Ihm war klar, dass er nichts ändern konnte und die Entscheidung auch nicht in seiner Macht stand, aber gerade das war es ja.

Anna wusste ganz genau, was sie an ihren Latzhosen hatte und liebte – es war dieses behagliche Gefühl von Schutz und Wärme. Und dieses weiche, glatte Kunstleder, was sich so schon eng über ihre Haut zog und genauso kuschelig war, wie der samtartige Nickistoff den sie bei Pullis erst sehr spät lieben gelernt hatte. Denn eigentlich mochte sie ja eine Zeit lang Nickis überhaupt nicht leiden und hatte ihren roten Kapuzennicki damals nur deswegen angezogen, weil sonst die Kunstlederjeans von Marie direkt mit weggegangen wäre. Im Nachhinein jedoch die absolut richtige Entscheidung, denn seit dem war Anna ohne Leder nicht mehr vorstellbar. Und irgendwie fühlte sich Anna auch wohl in Tias alten Airforce 1 – da hatte sie einen richtig guten Fitsch gemacht, obwohl mir immer noch nicht klar war, was sie an den alten Dingern hatte. Aber nun denn, auch egal.

Anna hakte nochmal kurz bei Kevin nach „Was ist eigentlich so geil an meiner Lederhose?“ – Kevin war nicht wirklich überrascht von der Frage, insgeheim hatte er schon lange damit gerechnet, dass mal jemand seinen Fetisch hinterfragen würde. Etwas verlegen antwortete er: „Der Kick, ob Du sie morgen wieder trägst und die Vorstellung, wie sie entsorgt wird …“ Anna war äußerst erstaunt darüber, dass Kevin seinen Fetisch so klar für sich definieren konnte. „Weißt Du, ich hab‘ einfach ein paar Sachen, die ich selber gerne tragen würde, aber nicht mehr tragen darf! Mama kann ich nicht mehr mit Latzhosen kommen, mit Nickis auch nicht – aber ich mag die Dinger halt nun mal. Und die Vorstellung dass Deine Mama Dir die Sachen wegnimmt, macht mich ganz wuschig! Ich glaube, ich verarbeite gerade das selbst erlebte …“

„Durchaus möglich“ erwiderte Anna, nicht so richtig verstehend was Kevin damit meinte. Denn für sie war es natürlich auch nicht egal, was aus all den alten Sachen wurde und natürlich tat es ihr immer leid, wenn gute Sachen in der Altkleidersammlung oder in die Mülltonne wanderten. Und sie kannte auch das Gefühl, wenn ich Sachen von ihr ungefragt entsorgt hatte, so wie die Kunstlederjeans von Marie. Aber wenigstens wusste sie von Anfang an, dass die in den Müll gegangen war und dass sie im Rotopressmüllwagen zusammen mit dem anderen Hausmüll aus den Tonnen in unserer Straße in ein paar Sekunden zu einem handlichen, aber durchaus feuchten Müllpäckchen zusammengepresst worden war. Sie kannte den Lärm, wenn Glasflaschen und Gurkengläser, deren Saft ich immer drin lasse, an den Metallbehälter anschlagen und dort zerbersten. Und ja, die Vorstellung wie sich all diese Glasscherben in Annas Lieblingsjeans hineingearbeitet haben und der klebrige Gurkensaft sich über das Kunstleder verteilte hat sicherlich etwas, das war auch Anna klar. Aber das diese Vorstellung bei Kevin ausreichte, einem Samenerguss zu bekommen, das war auch ihr neu.

Und schon kam auch Emma um die Ecke auf den Schulhof und ging schnurstracks auf Kevin zu, der noch mit Anna im Gespräch vertieft war. Er staunte nicht schlecht, als er Emma in ihren neuen Klamotten sah. „Wow, cool – einmal komplett von oben bis unten?“ Emma nickte stolz und machte langsam den Reißverschluss von der Adidas Jacke auf – so wie damals, im Hauptschalthaus, wo sie Kevin das erste Mal in Latzhosen überrascht hatte. „Die Latzhose ist ja mal echt geil! Und der Nicki dazu, echt süß!“ rief Kevin überrascht. „Beides auch neu?“ fragte er neugierig. „Ja, aus dem Jeans-Shop im Einkaufszentrum und der Pulli ist von – ach was, das verrate ich jetzt nicht …“ Nein, dass der Nicki von Krabbeltisch des Lebensmitteldiscounters war verschwieg Emma geflissentlich. Emma sah so neu aus in den Klamotten, die saßen noch richtig weit und locker – so als wenn sie noch jahrelang passen würden. Aber er war so richtig neidisch auf sie, durfte sie doch, was er nicht mehr durfte. Und Anna war ein klein wenig eifersüchtig, hatte es Emma doch geschafft, sich vom langweiligen Mauerblümchen zum flotten Teenager zur entwickeln. „Jeans-Shop, Einkaufszentrum“ das war bei ihr hängen geblieben. So ‘ne richtig neue Levis 665 wäre schon was feines, so eine würde Anna wohl auch gefallen. Denn langsam aber sicher war ihre Rocky am Ende, auch wenn sie es noch lange nicht wahrhaben wollte. Die Knie waren noch in Ordnung, am Po war sie jedoch schon fast durch …
AnnasMama
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Kevin war von Emmas neuem Outfit total begeistert, ihm war aber auch sofort bewusst, dass das über lang oder kurz das Ende von ihrer schwarzen Moonwashed-Latzie samt kuscheligem Ringelnicki bedeuten würde. Der Gedanke daran brachte ihm das übliche Kribbeln im Genitalbereich ein, denn ihm war klar, Emma würde natürlich tausend Mal lieber die neue 665er zur Schule anziehen wollen, und nicht mehr die alte, abgetragene Jinglers, die ihre Tante in letzter Minute für sie vor der Altkleidersammlung gerettet hatte. Nein, er schätzte Emma so ein, dass sie selbstverständlich wie bei allen anderen aus der Klasse auch, das Neue lieben und das Alte am liebsten direkt entsorgen würde. Wenn sie nicht schon hat – Kevin wurde unwohl bei dem Gedanken, dass nun vielleicht schon beides irgendwo zusammengeknubbelt im Müllsack darauf wartet, dass endlich der nächste Altkleidertermin bereitsteht. Gleichzeitig versuchte er sich zu beruhigen und meinte, nicht gleich an das Schlimmste denken. Aber wie das alles Emma klar machen? Logischerweise ließ er seiner Begeisterung freien Lauf, verteilte Komplimente wie schon lange nicht mehr, schaute aber auch immer wieder verlegen zu Anna rüber, deren alte, ebenso abgewetzte und verbrauchte Lederlatzie mindestens genauso viel Faszination ausübte.

In der großen Pause wich er nicht von Emmas Seite – ließ sich alles von ihr erzählen, warum, und weshalb und wieso – nur nach der Jinglers zu fragen traute er sich nicht, zu groß war die Angst, dass schon passiert sein könnte, was unweigerlich bevor stand – nein, das unterdrückte er jetzt noch, wohlwissend, dass genau das der Film im Kopfkino nach der Schule auf dem Bett beim Onanieren sein würde – alleine die Vorstellung jetzt darüber brachte ihm eine fette Latte ein und er musste höllisch aufpassen, dass er nicht feucht und damit unangenehm riechen würde. Und immer wieder der Blick rüber zu Anna – der glänzend braune Rückenlatz tat sein Übriges dazu bei, denn auch bei Anna war er sich sicher, dass die Tage in denen er sie so zu sehen bekommen würde langsam aber sicher vorbei sein würden je wärmer es morgens draußen würde. Somit hoffte er auf viele weitere kühle Regentage, denn nur dann war er sich sicher, dass sich Anna für diese geile Kunstleder-Kombination entscheiden würde.

Wobei, so dachte er sich – Anna in kurzer Lederhose, so wie er sie bis zum letzten Herbst hin noch selber hatte, auch mal wieder was Feines wäre. Aber auch da traute er sie nicht drauf anzusprechen, jedenfalls jetzt noch nicht – nein, er genoss sichtlich beide, Anna und Emma in ihren Outfits und überlegte, ob er nicht einfach nach der Schule mal zum Einkaufszentrum fahren sollte um dort einfach dieses geile Gefühl einer 665 für sich zu genießen. Das Taschengeld, was er sich angespart hatte, sollte eigentlich dafür reichen. Gut, von Heike würde es sicherlich dafür Ärger geben – aber auf der anderen Seite darf er doch mit seinem Taschengeld machen, was er möchte. Und wenn’s halt doch ‘ne Latzhose wird? Er war fast bereit, das Risiko auf sich zu nehmen, zumal auch Anna in der Pause eine Bemerkung los ließ: „Würde Dir bestimmt auch gut stehen, so ‘ne 665er; Kevin!“ meinte sie durchaus mit einem Zwinkern im Auge, zumal sie wusste, dass Heike das niemals zulassen würde. „Dir auch …“ erwiderte er, wohl wissend dass auch ihre Rocky Latzhose das finale Endstadium lange erreicht hatte und er sich jedes Mal wieder von neuem darüber wunderte, dass Tia für sie die Klamotten quasi auf letzte Sekunde vor der endgültigen Vernichtung gerettet hatte.

Nach der Schule schaute Anna seit langem Mal wieder bei Marie vorbei, die am Wochenende angerufen und von ihrer Aussortieraktion berichtet hatte. Anna freute sich darauf, sie wieder zu sehen und bei der Gelegenheit auch ein paar Klamotten abgreifen zu können. Marie war erstaunt darüber, dass die schokobraune Lederlatzhose – die sie von einem der letzten Treffen her schon kannte – immer noch passte. Sie freute sich darüber, dass Anna offensichtlich immer noch gerne Ledersachen trug, während sie – nachdem sie ihr damals ihre schwarze Kunstlederjeans geschenkt hatte – keine Ledersachen mehr bekommen hatte. Wenn sich noch einmal die Gelegenheit ergeben hätte, dann hätte sie sicherlich auch nochmal, aber es war halt nicht so – was ihr aber offensichtlich auch nicht wirklich etwas ausgemacht hätte. Marie hatte irgendwann mal mitbekommen, dass ihre schwarze mit im Müll gelandet war, was ihr durchaus klar war – denn eigentlich war die ja schon reif für die Tonne, als sie die abgegeben hatte. Wenn Anna sie damals nicht genommen hätte, wäre sie vermutlich am gleichen Nachmittag des Aussortierens entweder direkt im Müll – zu mindestens aber im Altkleidersack gelandet. Nein, in solchen Dingen war ihre Mama auch rigoros: Verschenken gerne, wenn’s noch jemand haben möchte – aber wenn nicht, dann geht’s halt mit weg, und da manchmal auch auf direktem Wege. Und die kurze, dunkelgrüne hätte ja schließlich fast das gleiche Schicksal ereilt.

„Boah, geil – den schwarzen Kapuzennicki hast Du auch noch? Aber warum liegt denn der auf dem Müllpäckchen?“ fragte Anna neugierig. Ja, ein Nicki, das wär’s doch noch mal – so einen wie ich habe, den Anna an mir immer total süß fand – obwohl sie sich nie wirklich für Nickis begeistern konnte. Nein, der rote Kapuzennicki damals war so ein richtiges Hassteil, den mochte sie nie so wirklich gut leiden, aber bei der Entscheidung Lederhose von Marie oder Nicki nicht anziehen zu müssen war die Entscheidung leicht: Da war der Drang nach der ollen Kunstlederjeans, die ich damals nie so wirklich leiden mochte, doch ganz einfach: Hätte Anna den roten Kapuzennicki nicht zu Maries Lederhose anziehen wollen, wäre halt sofort beiden in die Entsorgung gegangen – will heißen, ich hätte beides direkt bei der nächsten Altkleidersammlung ungewaschen in den Müllsack geknüddelt und am Tag der Abholung an den Straßenrand gestellt. Aber da Anna sich auf den Deal einließ – womit ich eigentlich fast nicht gerechnet hatte – hatte sie immerhin zwei gute Winter Spaß mit Maries Kunstlederjeans, bevor die völlig fertig am Tage der Mülltonnenleerung ihre letzte Reise antreten durfte.

Natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, und natürlich habe ich versucht, das alles wieder gut zu machen, ob es mir gelungen ist, kann ich nicht wirklich beurteilen,. aber da Anna ihre schokobraune Kunstlederlatzhose ähnlich liebt wie seinerzeit die schwarze von Marie kann ich vielleicht doch nicht alles so ganz falsch gemacht haben. Aber ich denke schon, zumal sie die zusammen mit Tia vor dem Schreddern beim Textilverwerter bewahrt hat. Wobei sie eigentlich schon lange reif dafür ist, aber ich mag da diesmal noch nicht eingreifen – sie ist zwar grenzwertig, aber solange es mit zwei Augen zudrücken noch geht und vor allem Anna dann doch immer noch möchte, warum dann nicht? Schließlich möchte ich ja auch kein Unmensch sein, obwohl mir Tias alte Airforce 1 doch so langsam auf den Keks gehen: Die sind nun mal mehr als fertig und ich kann echt nicht verstehen, warum Anna gerade die in letzter Zeit mehr als nur regelmäßig trägt. Normalerweise würde sie die mit dem Hintern nicht ansehen wollen und warum ausgerechnet Nike Schule auf einmal hip sind, wo sie doch sonst nur Adidas trägt, weiß wohl echt nur der Teufel.

„Ach, der Kapuzennicki, ach, der hat ‘nen kleines Loch am Ärmel, deswegen liegt der auf dem Müllpäckchen! Wollte ich Dir jetzt nicht wirklich anbieten!“ meinte Marie etwas verlegen und war innerlich etwas erstaunt darüber, dass Annas Blick ausgerechnet sofort auf den Nicki fiel. „Aber wenn er Dir gefällt, dann nimm ihn halt mit!“ Marie war sichtlich genervt, dass Anna die Sachen auf dem Müllpäckchen wohl offenbar besser gefielen, als diejenigen, die sie für Anna vorsortiert hatte. „Die Sachen auf dem Päckchen sollten echt alle mit weg?“ schimpfte Anna wie ein Rohrspatz. „Du bist doch echt verrückt, Maire! Komm, hol mal ne große Tüte, da ist doch noch einiges Interessantes dabei …“ Marie verstand die Welt nicht mehr, Anna hatte offenbar wirklich mehr Spaß an den Sachen, wo sie im Traum nicht mehr damit gerechnet hätte, dass sich auch nur irgendwer ernsthaft hätte dafür interessieren können.

Und dann entdeckte Anna die Latzhose auf dem Päckchen mit den Sachen, die Marie für „Brauchbar“ vorsortiert hatte. „Die ist ja cool – ‘ne echte Levis“, so eine wie Emma am Wochenende im Jeansshop im Einkaufszentrum ergattert hatte. Marie nickte zustimmend: „Hatte Mama mir mal mitgebracht, hab‘ ich kaum angezogen – hat mir nie so wirklich gefallen, aber für Dich müsste die doch genau richtig sein …“ meinte Marie ermutigend. Und schon hatte Anna den schwarzen Kapuzennicki angezogen, das kleine Loch im Ärmel fiel überhaupt nicht auf – und dazu die Latzjeans, die Marie ihr natürlich umso mehr schmackhaft zu machen versuchte, damit die nicht doch noch nahezu neuwertig einfach so im Müllsack für die nächste Altkleidersammlung verschwinden würde. Denn sie würde sie ja doch nicht mehr anziehen wollen, denn Mamas Erlaubnis sie dann doch mit in den Sack stopfen zu dürfen lag ja noch nicht vor. Aber das war auch egal, denn Anna war sowas von begeistert, genauso wie damals, wo sie die schwarze Kunstlederjeans anschleppte, aber zumindest so sehr, wie bei der ersten Latzjeans, die sie als Trostpflaster bekam. Nein, damit hatte sie nicht gerechnet, zum Nicki auch gleich noch die passende Latzie, da konnte sie wirklich in Ruhe drüber nachdenken, was sie mit ihrer alten Rocky, die ich ihr vom Textilverwerter mitgebracht hatte, demnächst anstellen könnte.

Der Tag auf der Arbeit verlief für mich ohne besondere Vorkommnisse. Ich hatte mal wieder meine Latzjeans an, was Katrin mit einem deutlich spürbaren Schmunzeln wahrgenommen hatte. Nein, die Zeiten, wo Katrin in etwas „Besonderen“ zur Arbeit erschien, waren lange vorbei. Selbst die Fruit of the Loom Hoodies, die sie noch eine ganze Weile lang zur Jeans getragen hatte, hatte ich lange nicht an ihr genießen dürfen. Und wenn, dann hatte die den blauen an – der zugegebenermaßen an ihr am langweiligsten aussah. Ich hoffte ja insgeheim jeden Morgen nochmal auf den dunkelroten, den sie durchaus sporadisch immer nochmal zwischendurch wieder mit angezogen hatte – jedoch heute wieder mal Fehlanzeige. Aber auch ansonsten völlige Langeweile bei ihr: Die Zeiten, wo sie coole Ledersachen anziehen musste um mit dem Moped zur Arbeit fahren zu dürfen, waren lange vorbei. Letztendlich war das alles auch nicht wirklich verwunderlich, denn die Goretex-Klamotten, die sie zum Moped fahren trug, waren doch durchaus moderner und ehrlich gesagt wohl auch praktischer und vor allem sichererer als irgendwelches Lederzeugs, was ihre Mama vor Jahren mal ausrangiert hatte. Wenn Katrin wüsste, dass ihre antikbraune Lederlatzhose immer noch bei mir im Schrank schlummert, um irgendwann doch mal von Anna getragen zu werden. Doch so lange Anna ihre Kunstlederlatzhose anzog und solange die noch so einigermaßen gerade eben so passte, sah ich auch keine Veranlassung, ihr das gute Stück mal näher zu bringen. Wenn die Kunstleder mal endgültig fertig ist, ist es immer noch früh genug. Dann hab‘ ich halt noch ein As im Ärmel, dann kann ich Anna vielleicht noch ein wenig hinwegtrösten, aber wer weiß, was bis dahin noch so alles geschieht …
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Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

Kevin war noch am gleichen Tag, wo Emma mit der neuen Latzhose zur Schule kam ins Einkaufszentrum aufgebrochen, er hatte sein Taschengeld zusammengekratzt und glücklicherweise letztens von Oma noch ein Scheinchen für neue Klamotten zugesteckt bekommen, der nicht in Heike Portemonnaie zur Verwaltung gelandet war. Ihm war es egal, was Heike denken würde und ja, er nahm es sogar bewusst in Kauf von ihr anschließend den Arsch vollgehauen oder eine geklatscht zu bekommen, wenn es wegen der neuen Hose zum Streit kommen würde, denn der wäre – so war jedenfalls seine Befürchtung – vorprogrammiert. Nur wo zum Teufel Emma den süßen Rollkragen-Nicki her hatte, wollte sie ihm einfach nicht verraten. Vielleicht schämte sie sich ein wenig, wenn sie hätte zugeben müssen, dass er vom Krabbeltisch des Textildiscounters war, wobei Kevin das wohl noch eher witzig gefunden hätte. Er fand die Dinger gut, egal wo sie letzten Ende her waren.

Und so betrat er etwas aufgeregt den Jeansladen im Einkaufszentrum, den er nach kurzer Fahrt mit der Straßenbahn und einmal Umsteigen in die U-Bahn erreicht hatte. Eigentlich wäre es mit dem Fahrrad viel schneller gewesen, aber dann die neue Hose transportieren, gut, er hätte seinen Rucksack mitnehmen können, aber daran hatte er wieder Mal nicht gedacht. Sein Herz pochte und das Kribbeln im Genitalbereich nahm schlagartig zu, als er auf den Ständer mit den Levis 665er Latzhosen aus dem Sonderangebot zu lief, die er natürlich sofort entdeckt hatte. Gut, die waren ja auch nicht zu übersehen, der Klamottenständer war immer noch gut gefüllt. Außer ihm interessierten sich noch eine Mami mit ihrer Tochter für die Latzhosen, was Kevin einen Moment lang zögern ließ, hatte er doch in letzter Zeit fast ausschließlich Mädchen in Latzhosen gesehen, wenn überhaupt, denn eigentlich war es die absolute Ausnahme, Latzhosen draußen in der Öffentlichkeit zu sehen. Die waren einfach viel zu selten geworden, und dass mal ein ganzer Kleiderständer voll in allen Größen im Jeansladen zu finden war, ebenfalls.

Die meisten trugen dann – wenn überhaupt – ihre Latzhosen zu Hause, oder sie verwaisten direkt im Kleiderschrank, nachdem sie vielleicht einmal getragen worden sind. Aus seiner Klasse konnte Kevin sich außer Emma und Anna niemanden vorstellen, der welche tragen würde – und komischerweise von den Jungs erst Recht niemanden. Aber das war ihm egal, für ihn waren Latzhosen unisex und nicht mädchenspezifisch. Obwohl er doch ein ungutes Gefühl dabei hatte zumal er das Gespräch von Mutter und Tochter mitbekommen hatte, versuchte die Mutter ihrer Tochter doch vergeblich die Latzhose schmackhaft zu machen. „Nein, nein, nein“ trampelte sie mit den Füßen – „ich geh‘ doch nicht mehr in den Kindergarten …“ Wohl wahr, aus dem Alter war diese pubertierende Zicke längst raus und die Mutter hatte es wahrscheinlich extrem süß gefunden. Wahrscheinlich war sie der Typ „Ich durfte damals nie eine haben – also bekommt meine Tochter halt eine“, ohne aber dabei zu bemerken, dass die Tochter längst in einem Alter war, wo sie ihren eigenen Stil entwickelt und sich von Mami nicht mehr vorschreiben lässt, was cool und uncool ist. „Die zieh ich eh nicht an – die kannst Du gleich in die Tonne werfen“ maulte Fräulein Tochter, nachdem sie sich endlich hatte überreden lassen, so eine Latzhose wenigstens mal anzuprobieren.

Kevin beobachtete das Schauspiel noch eine Weile, als er das Mädchen so zickend in Latzhose vor sich sah, spürte er die Erregung in sich, dachte aber nur „Wie blöd ist die denn? Die sieht doch total cool darin aus!“ wobei die Hose in der Tat richtig schön knackig eng saß. Im Zweifelsfalls wäre es dann wohl auch die eine Nummer größer geworden, aber ein freches „Dann kauf Dir doch selber eine …“ beendete schlagartig die Diskussion zwischen Mutter und Tochter. Nein, für eine Latzhose fühlte sich diese wohl offenbar zu alt, denn beide zogen unverrichteter Dinge wieder ab. Wobei sich Kevin auch die Mami in Latzhose vorstellen konnte, seine eigene übrigens auch – aber auch Heike hatte er noch nie in Latzhose gesehen.

Irgendwie fühlte sich Kevin beobachtet, schaute sich um, sah aber weit und breit niemanden, den er kannte. Auf eine freundliche Bedienung wartete er vergeblich, so schaute er bei den Größen und Farben (es gab‘ ein schönes, verwaschenes Blau, so wie Emma sie hatte und daneben auch ein etwas dunkleres, was ihm nicht so sehr zusagte) und hatte schnell eine gefunden, von der er meinte, dass sie ihm gut passen müsste. Das Kribbeln im Genitalbereich würde ihm zunehmend peinlicher, so groß seine Freunde und Aufregung auch war, aber eine fette Latte war jetzt in dem Moment einfach nur fehl am Platze und wirkte extrem störend. Er versuchte sie, so gut wie möglich zu unterdrücken, nahm sicherheitshalber die Jeans nochmal eine Nummer größer mit in die Umkleidekabine und zog seine Jeans aus.

Die kleinere Größe zuerst, doch keine Chance – die war definitiv zu eng. Nein, obwohl er es gerne etwas enger mochte, was nicht geht, geht nicht. Und richtig gut sitzen sollte sie schon, denn sonst gibt’s garantiert doppelt Ärger. Also schnell die andere angezogen und et voilà: Volltreffer! Die saß so richtig schon passend, genauso wie seine schwarze, die Heike nach nur ein paar Mal tragen ohne sein Wissen (und erst recht ohne seine Zustimmung) in die Altkleidersammlung gegeben hatte, da Saskia inzwischen auch keinen Spaß mehr an Latzhosen hatte. Ja, Saskia war in letzter Zeit sowieso etwas komisch – und vor allem – extrem wählerisch geworden. Eigentlich hatte er sich immer gefreut, wenn die Sachen, die ihm zu klein geworden waren bei Saskia noch weitere Verwendung fanden, aber spätestens seit ihrem Umgang mit seinem geliebten, flauschig weichen Kapuzennicki, den sie im wahrsten Sinne des Wortes im Kunstunterricht verbraucht hatte, war sie bei ihm unten durch.

Dass der Nicki bei ihm schon seine besten Jahre hinter sich hatte, war ihm durchaus klar und deutlich und dass Saskia ihn sicherlich nicht „für gut“ anziehen würde auch. Aber ihn ganz bewusst im Kunstunterricht anzuziehen, geradezu billigend in Kauf zu nehmen, dass er Flecken abbekommt, die beim Waschen nicht mehr rausgehen nur um das Teil dann möglichst schnell nicht mehr anziehen zu müssen, das konnte – nein das wollte er nicht verstehen, immer wieder kamen die Gedanken in ihm hoch und immer wieder grübelte er, warum Saskia seinen Lieblingsnicki so sehr gehasst hat und wo Emma wohl ihren neuen Nicki her hatte. Vielleicht sollte er die Kassiererin beim Bezahlen kurz fragen, eventuell könnte sie ihm ja weiterhelfen. Denn egal wo Emma den Nicki gefunden hatte, der war geil und mit ein wenig Glück findet sich ja auch noch einer, der ihm passt! Jedenfalls hatte er jetzt schon mal eine Latzhose für sich gefunden und er war stolz auf seine erste selbst gekaufte Jeans und gespannt darauf, wie denn nun Heike reagieren würde. Sie zu fragen hätte er sich nicht getraut, denn ihre Antwort wäre klar gewesen: „Nein!“

Am liebsten hätte er sie direkt anbehalten, doch das traute er sich nicht. Also schnell wieder umgezogen und zur Kasse. Der Preis war mehr als ok, eigentlich hätte es sich fast gelohnt, noch eine zweite direkt mitzunehmen, aber er wollte es ja auch nicht gleich übertreiben. Er fragte die Kassiererin noch kurz wegen der Nickis, diese wusste auch nicht, wo man noch welche in seiner Größe her bekommen könnte, sie selber hätten schon seit Jahren keine mehr verkauft. „Die trägt doch auch keiner mehr, genauso wie die Latzhosen! Das sind jetzt auch die letzten, wenn die weg sind, gibt’s auch keine mehr nach – lohnt sich auch nicht mehr …“ Kevin schluckte und guckte etwas erstaunt aus der Wäsche. „Was schaust Du so?“ – „Nichts – schon gut!“ erwiderte er und hoffte, dass wenigstens noch der ein oder andere sich der Latzhosen erbarmt. „Also wenn Du noch jemanden kennst, der Latzhosen trägt, schnell zugreifen! Ich kann die Dinger bald nicht mehr sehen …“ gab‘ die Kassiererin, die wohl offensichtlich auch die Chefin des Ladens war ihm mit auf den Weg. Kevin nickte, bezahlte und zog mit seiner frisch erworbenen Latzhose in der Tragetasche wieder los.

Zu Hause angekommen war Heike natürlich neugierig, was sich Kevin im Jeansladen gekauft hatte. „Hab’ ich’s mir doch gleich gedacht …“ schmunzelte sie – denn auch sie hatte morgens beim Zeitung lesen die Anzeige des Jeansladens mit den Levis Latzhosen gelesen. „Zeig mal her, zieh‘ mal an …“ – Kevin war erstaunt über Heikes Reaktion, hatte er doch mit dem Schlimmsten gerechnet. „Naja, passen tut sie ja wenigstens, nicht so knapp wie die Schwarze …“ So, so – die Schwarze, die eigentlich genug gut saß wie die Levis jetzt hin, hatte sie also als „zu knapp“ empfunden und wohl genau deswegen mit in die Altkleidersammlung gegeben. Heike war also erstaunlicherweise gut drauf und völlig entspannt: „Gekauft hätte ich sie Dir zwar nicht, aber was Du mit Deinem eigenen Taschengeld machst – nur, wenn wir zusammen irgendwo hin gehen, dann zieh bitte ‘nen Pulli drüber, damit das nicht gleich so auffällt …“ – „Zur Schule auch?“ fragte er besorgt. „Mir egal“ grinste Heike, wohl wissend, dass er die Latzhose zur Schule sowieso nicht verstecken würde. „Hauptsache Du lässt die Träger nicht runterbaumeln, dann werd‘ ich sauer …“ Damit konnte Kevin gut leben, sehr gut sogar.

Die nächsten Tage und Wochen vergingen wie im Fluge und Kevin weiterhin viel Zeit mit Emma, die ihn in seiner Latzhose total cool fand. Dass Anna ihm endlich verziehen hatte war für ihn eine große Erleichterung, hatte er doch aus der ganzen Aktion seine Lehre gezogen. Nein, er war selbstbewusster geworden in Sachen Fetisch, lernte zu akzeptieren, dass er gewisse Sachen einfach selber anziehen musste und nicht darauf zu hoffen, dass Anna oder Emma das für ihn tun würden. Natürlich machten beide das, Anna intuitiver als Emma, die solange das Wetter es zuließ ihre neue 665er und einen der beiden neuen Nickis dazu trug. Anna tauchte hin und wieder mit der von Marie mitgebrachten Latzjeans auf, was uns zum Glück die Diskussion von wegen „Och Mami, bitte kauf mir doch auch eine“ erspart hatte: Nicht, dass ich sie ihr nicht gegönnt hätte, jedoch war bei uns am Ende des Geldes mal wieder noch so viel Monat übrig, dass es einfach nicht drin gewesen wäre. Gut, wo ein Wille ist, ist auch ein Gebüsch, aber so war es die deutlich angenehmere Variante.

Morgen war wieder Donnerstag, für Kevin immer wieder spannend, denn Donnerstags hatte Emma ihn in letzter Zeit immer mal wieder damit überrascht, dass sie – obwohl sie sonst die ganze Woche über nicht mal die 665er zur Schule an hatte, ihre alte Jinglers und den Ringelnicki anzog. Ein Muster war nicht zu erkennen, denn es war auch nicht jeder Donnerstag, vielleicht ein, oder zweimal im Monat, wo sie in den alten Sachen zu Schule erschien. Er hatte das immer nur zur Kenntnis genommen, sich gefreut und auch ab und dann eine kurze Bemerkung gemacht – jedoch rückte Emma nie so richtig damit raus, warum und wieso sie mal wieder ihre alte Latzie vorgekrabbelt hatte. Und jedes Mal war es auch nur für einen Tag – am nächsten Tag war sie dann wieder verschwunden und eine andere Hose dran, allerdings auch niemals ihre Levis Latzjeans oder einen von den neuen Nickis. Die Logik dahinter war für Kevin nicht zu ersichtlich, zumal Emma jedes Mal etwas gereizt reagiert, wenn Kevin meinte, die könne sie ja ruhig wieder mal öfters zur Schule oder in der Freizeit anziehen. Nein, Kevin erkannte zwar ein Muster, kam aber nicht dahinter, warum und weshalb. Und da sie letzten Donnerstag schon nicht in Latzjeans kam, hoffte er sehr, dass die alte Kombination morgen mal wieder dran wäre.
AnnasMama
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Registriert: Sa 14. Jul 2012, 20:41

Re: Anna

Beitrag von AnnasMama »

So, mit diesem Kapitel verabschieden wir uns erst einmal in die wohlverdiente Sommerpause. Es wird definitiv weiter gehen, gebt uns ein wenig Zeit und nutzt sie selber zum nochmal nachlesen und kommentieren. In diesem Sinne kommt gut und erholsam durch den Sommer - wir lesen uns ... :mrgreen:

Danke und bis demnächst,
AnnasMama



Kevin hatte deswegen extra schon Mittwochs seine Latzhose zur Schule angezogen, was Emma jedoch gar nicht so richtig wahrgenommen hatte – jedenfalls hatte sie nichts gesagt, was allerdings auch nicht großartig verwunderlich war, denn inzwischen hatten sich alle mehr oder weniger daran gewöhnt. Es war halt für Emma nichts Besonderes mehr, wenn Kevin in Latzjeans zur Schule kam, umgekehrt jedoch freute er sich immer wie ein Schneekönig, wenn Emma ihre angezogen hatte. Und umso mehr, wenn die Jinglers mal wieder dran war, wenn auch nur für einen Tag. Dann wollte er natürlich auch seine an haben, denn das waren die Tage zusammen mit Emma, die ihm immer besonders viel Freude – nicht nur im Genitalbereich – bereitet hatten. Und wenn dann am gleichen Tag Anna auch noch eine ihrer Latzhosen trug, dann war Ostern, Weihnachten und Geburtstag alles auf einmal.

Witterungsbedingt hatte Anna die Kunstlederhose erstmal ein wenig zur Seite gelegt und auch die alte, abgetragene Rocky kam immer seltener zum Einsatz, nachdem sie von Marie die Levis Latzjeans geschenkt bekommen hatte. Und so alt war die diesmal auch nicht, Marie hatte sie ja kaum getragen und somit hatte sie fast nur bei ihr im Schrank gelegen. Die Rocky passte zwar noch so gerade eben, war aber auch am Po inzwischen fast durch. Wobei sie sicherlich noch ein paar Wochen halten würde, denn die Rockys waren für ihre lange Haltbarkeit bekannt. Die hielten auch beim Dauereinsatz in der Regel immer bei mehr als einem Kind durch, von daher tauchten die auch immer mal wieder gebraucht auf – wobei die Exemplare, die dann irgendwann unweigerlich mal im Altkleidersack landeten auch meist direkt den Weg in den Schredder antraten, so jedenfalls die Aussage der Sortiererinnen sowohl bei UsedTex als auch beim Texilrecycler.

Beiden hatte ich vor ein paar Tagen auf der vergeblichen Suche nach einer kurzen Lederhose für Peter einen Besuch abgestattet. Bei beiden die klare und eindeutige Aussage: „Kinderkleidung für die großen Kids wäre eh schon kaum noch dabei, und das, was dann noch in den Säcken zum Vorschein kommt, wäre fast ausnahmslos nur noch was für den Reißwolf. So richtig brauchbar wäre da nichts mehr von, von daher machen sie sich auch kaum noch die Mühe, da nachzuschauen, weil es lohnt sich eigentlich nicht, denn fast jedes Teil was sie aufwändig anschauen müssten, taugt dann am Ende doch nur noch für den Schredder. Eigentlich schade, ist aber so …“

Dass die Qualität an Kinderkleidung in den Altkleidersammlungen immer mehr nachlässt, war mir durchaus klar. Doch dass es inzwischen sowas von extrem geworden ist, dass selbst auf den ersten Blick gute Klamotten mit in den Reißwolf gehen, weil man sich nicht mal mehr die Mühe macht genauer hinzuschauen, hatte mich doch sehr erschreckt. Wobei, wenn ich ehrlich war, im Second Hand Bereich bei UsedTex oder auch beim Recycler hatte ich in der Tat zuletzt kaum noch was an Kinderkleidung gesehen. Und das, was zu sehen war, war entweder „No Name“ oder in einem Zustand, wo selbst ich es nicht mehr Anna hätte zumuten wollen. Und wo letztens noch bei UsedTex recht viele Lederhosen vorhanden waren, die alle darauf gewartet hatten, im Reißwolf geschreddert zu werden, waren diesmal überhaupt keine mehr vorhanden. Da war ich diesmal zu spät gekommen, denn eine der Frauen hatte wohl ein paar Tage zuvor wie sie sagte eine durchaus beträchtliche Anzahl an Kinderlederhosen, die ihrer Meinung nach gar nicht mal so schlecht waren, bei den Ledersachen zum Schreddern dazwischen gehabt. „War überhaupt keine Nachfrage nach – selbst bei den Händlern nicht, die sonst immer mal wieder welche genommen haben. Also sind die alle mit weg. Und wenn nochmal welche kommen, werden die wohl auch wieder direkt in den Reißwolf geworfen, ich glaube nicht, dass da nochmal jemand von uns Notiz dran nimmt.“

Dumm gelaufen, dachte ich mir, dann werde ich halt wohl am Wochenende mal wieder über die örtlichen Flohmärkte gehen müssen um zu schauen, was sich dort machen lässt. Denn auch beim Textil-Recycler die gleiche Situation wie bei UsedTex: „Ab und zu ist mal eine dazwischen, aber die geht dann gleich mit durch den Schredder, egal wie die aussieht!“ war die einfache, wenn auch enttäuschende Antwort. Dass sich die Lederhosensuche für Peter zu einem solchen Problem entwickeln würde, hätte ich im Traum nicht gedacht – zumal bei UsedTex beim letzten Mal, wo ich die Kniebundlederhose für ihn ergattern konnte durchaus noch reichlich Auswahl vorhanden war, wenn auch nicht wirklich viel brauchbares, aber immerhin doch was, wo ich mit zufrieden sein konnte. Aber ich hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, doch noch zeitnah was Passendes für ihn zu finden – denn der kleine Kerl brauchte dringend eine kurze, denn Sommer in dreiviertellanger Kniebundlederhose das ging gar nicht …

Der Donnertag drauf wurde für Kevin zum spannendsten Tag der Woche: Würde Emma womöglich doch noch einmal in der alten Jinglers moonwashed Latzie zur Schule kommen und wenn ja, würde Kevin endlich erfahren, warum? Es war spät geworden am Abend, er hatte seine Schultasche für den nächsten Morgen gepackt, das Sportzeugs auch und freute sich, dass Mama seine eigentlich schon viel zu engen Sprintershorts in Kindergröße ohne Innenfutter und Seitenschlitz noch nicht entdeckt hatte, denn er war sich im Klaren darüber, dass sind Heikes nächsten potenziellen Altkleiderkandidaten. Und so wie er Saskia einschätze, würde sie nicht wirklich scharf auf die Dinger sein und sie vermutlich genauso ablehnen, wie seinen roten Kapuzennicki. Na, dann werden die wohl eines Tages auch nur noch geschreddert, fürchtete er während er es sich im Schlafanzug auf dem Bett gemütlich machte.

Er träumte vom nächsten Morgen, von Emma, die noch einmal in alter, inzwischen völlig fertiger schwarzer Jinglers Latzjeans auf dem Schulhof stand – hauteng, knackig am Arsch sitzend und am Knöchel etwas kurz – im Prinzip so, wie sie sie beim letzten Mal vor zwei Wochen Donnerstags an hatte, oder waren es doch schon wieder vier Wochen her? Der Gedanke an Emma machte ihn geil, so mochte er sie immer noch am liebsten, so hatte sie ihn im Hauptschalthaus überrascht, „damals“, als er beim ersten Date mit ihr aufgrund seiner Fahrradpanne klätschnass und zu spät zum vereinbarten Treffen ankam. Komischerweise hatte sie ihm das nie für übel genommen, ganz im Gegenteil – ihre flinken Hände und die Geschwindigkeit in der sie wieder Luft in den platten, kaputten Reifen bekam, war einfach nur atemberaubend. Er dachte zurück an den ersten Sex mit ihr auf dem High 5, an die Beinahe-Schwangerschaft, weil sie es beide ungeschützt miteinander trieben und natürlich an diese extrem geile Latzjeans, die doch fast mit in die Entsorgung gewandert wäre. Nochmal Glück gehabt, aber warum zum Teufel präferiert sie seit einiger Zeit diese doch eigentlich sehr langweilige 665er? Wenn er die Wahl hätte, er wüsste, wofür er sich entscheiden würde – aber genau dieses Corpus Delicti war bei der letzten Altkleidersammlung zu sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf direktem Wege unbeachtet im Reißwolf geschreddert worden.

Von daher morgen keine Chance, Emma adäquat gegenüber zu stehen, denn auch seine neue Levis war nur ein plumper Ersatz gegenüber der schwarzen Latzjeans, die so plötzlich ein jähes Ende fand. Ach könnte er doch nur die Zeit zurückdrehen, dann wäre er noch einmal abends ganz allein mit Emma auf dem High 5, sie in schwarzer moonwashed Jinglers und er ins seiner schwarzen Latzie, die Mama unbedingt am gleichen Tag entsorgen musste. Der Gedanke daran machte ihn wuschig, die Erektion nahm zu und bei der Vorstellung, Emmas schwarze Jinglers könnte möglicherweise schon längst Geschichte sein, spritze er glückselig und zufrieden ab. Kurze Zeit später war er auch schon eingeschlafen und träumte weiter von Emma und Latzhosen, von Anna in Lederklamotten und vom allmächtigen Reißwolf, der all seine kleinen Gedanken und Träume in tausend Einzelteile zerfetzte.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, an dem besagten Donnerstag, wo Kevin hoffte, Emma endlich mal wieder in der alten schwarzen Jinglers Latzjeans zu sehen, war mir schon beim Aufstehen bewusst, dass es ein geiler warmer Tag werden würde. Und Anna war an diesem Morgen besonders süß: „Du Mami, darf ich meine kurze Lederhose zur Schule anziehen?“ Ich war etwas verblüfft, denn um Erlaubnis, was sie denn zur Schule anziehen dürfe, hatte sie mich schon lange nicht mehr gefragt. Ich meinte „Wenn sie denn noch passt, na klar, warum dann nicht?“ Anna grinste freudestrahlend, kam in Wahnsinnsgeschwindigkeit wieder aus dem Bad zurück und erschien in kurzer, knapper, dunkelgrüner Glattlederhose samt Doppelzipp-Reißverschluss und Hosenträgern mit dem Plastikhirsch in der Mitte am Frühstückstisch. Jetzt nochmal Kind sein, dachte ich und mir ging kurz der Gedanke durch den Kopf, wie die Kolleginnen und Kollegen wohl reagieren würden, wenn ich in dem Outfit, was ich ja durchaus selber auch besaß, auf der Arbeit erscheinen würde.

Nein, das wäre selbst mir eine Nummer zu heikel gewesen, in der Freizeit ja, gut und schön und durchaus auch wirklich gerne, aber ins Büro? Nein, da gibt es dann doch trotz aller Freizügigkeit gewisse No-Go’s, und kurze, knappe Lederhosen waren eins davon. Aber Anna, und zur Schule, warum nicht? Kevin würde es sicherlich gefallen, auch wenn die Gedanken und die Trauer über den Verlust der eigenen Lederhose natürlich immer noch sehr präsent waren. Aber bei Anna machte ich mir keine Sorgen, sie war inzwischen alt genug, um sich potenzieller Gefahren bewusst zu sein (denn die hast Du immer in dem Alter, und wenn Du dann noch Lederklamotten trägst, umso mehr) und so hatte ich selbstverständlich nichts dagegen, sie in dem Outfit in die Schule zu lassen.

Auf dem Schulweg traf Kevin auf Anna und ihm blieb wahrlich die Spucke weg: Anna noch einmal in kurzer, abgewetzter Lederhose (denn ihre sah um einiges verbrauchter aus als seine, die inzwischen in der Altkleidersammlung gelandet war) war für ihn der 6er im Lotto – mit Superzahl und Supersex! Denn eines war klar, die zu Hause noch so unterdrückte Morgenlatte machte sich breit und schrie förmlich danach, schnellstmöglichst befriedigt zu werden. Kevin spürte den Druck im Genitalbereich und am liebsten hatte es sich sofort mit Anna ins nächste Gebüsch verzogen, aber da war ja immer noch Emma. von der er hoffte, dass auch sie ihn heute nicht enttäuschen würde. Er war hin- und hergerissen, hätte am liebsten gleich zugegriffen, Anna auf der Stelle vernascht und Emma dann locker flockig zum Nachtisch genommen. Kevin war vor lauter Erregung nicht mehr Herr seiner Sinne, ballte aber die Faust in der Tasche und genoss die paar Meter mit Anna, auf denen sie gemeinsam zur Schule gingen. Emma war heute wohl etwas spät dran, denn Kevin hatte sie noch nicht erblicken können, als er zusammen mit Anna auf dem Schulhof eintrudelte. „Hoffentlich hat sie nicht verpennt“ dachte er – und hoffentlich hat sie die richtige Jeans an, denn sonst würde er vielleicht doch noch mal in Versuchung geführt werden …
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