Als Laura wieder aufwachte, war die provisorische Hütte leer. Sie hörte Elvira und die anderen draußen plaudern. Sie stand auf und zog ihre gelbe PVC-Regenjacke, mit der sie sich zugedeckt hatte, über, verließ die Bude. Elvira und die anderen jungen Frauen saßen um das Lagerfeuer herum auf dem nassen, von flachen und tieferen Pfützen überzogenen Boden, trugen alle ihre Stiefel und Gummijacken und –mäntel vom Vorabend. Der Regen hatte aufgehört. Alle begrüßten sie herzlich, als würde sie schon länger dazugehören und Elvira reichte ihr eine angeschlagene, schmutzige Tasse, deren Henkel längst abgebrochen war. „Hier, trink erstmal `nen Kaffee“. Sie hatten einen alten Teekessel über dem Feuer hängen gehabt und sich scheinbar indem den morgentlichen Kaffee erwärmt. Während sich Laura in eine der Pfützen niederließ, sogleich Kälte und Nässe an ihrem Po spürend, besah sie sich die Runde: Da war Tanja, eine etwas stämmigere, etwa Anfang zwanzig jährige mit kurzgeschorenem, wohl mal rot gefärbtem Haar und einer Tätowierung am Hals, mit einer von zahllosen Schlitzen durchbohrten gelben PVC-Regenjacke und ebenso löchrigen Gummistiefeln und einer wohl mal schwarzen Jeans mit aufgerissenen Knien und Oberschenkeln bekleidet. Dann Anke, die Laura, wenn sie es nicht besser wüßte, auch höchstens fünfzehn geschätzt hätte – extrem dünn und mit schulterlangem, verfilzten schwarzen Haar, mit einer abgewetzten und völlig durchlöcherten Miss-Sixty-Jeans, die gerade halb in einer tiefen Schlammpfütze versunken war, bekleidet und in einen roten Daunenanorak, der von Schnitten und Rissen übersät war, durch die das ursprünglich weiße Futter herausquoll, gehüllt. Petra war eine unscheinbare Blonde in einem langen schwarzen Lackmantel, aus dem zwei dürre, nackte Beine ragten, die in durchlöcherten schwarzen Gummistiefeln endeten. Im Lackmantel waren mehrere Schlitze zu sehen, durch die blasse Haut lugte, der linke Ärmel fehlte völlig, der rechte war kurz über dem Ellenbogen abgeschnitten worden. Dann war da ja noch Elvira, die nun wieder ihre verschlissene rote Jacke über dem ihr viel zu engen roten Pulli trug und eine fehlte noch, Janine. Sie war gerade auf der Suche nach Brennmaterial, wie ihr die anderen Mädels verkündeten. Wenig später kam sie von ihrem Gang zurück. Sie war groß und schlank und trug eine gelbe PVC-Regenjacke, ähnlich der von Laura, nur viiiel älter, verschlissener und mit Messern und ähnlichen Gegenständen bearbeitet. Die Jacke war nur auf Höhe der Brust zusammengeknöpft, alle anderen Knöpfe und der Reißverschluss waren längst herausgerissen oder –schnitten worden. Außer einer alten, stark verschmutzten und eigentlich viel zu eng sitzenden Jeans-Hotpant (wohl mal aus einer regulären Jeans zurechtgestutzt) und ein paar zu Sandalen umgeschnittenen grünen Gummistiefeln trug sie nichts. Janine war augenscheinlich die älteste, in jedem Fall aber auch die schmutzigste von den Mädels und scheinbar so etwas wie die Anführerin der Gruppe. Sie hatte eine große, verbeulte Pappkiste bei sich, die sie nun neben dem Feuer auf den Boden warf. „Seht nur, was manche Leute wegschmeißen“ meinte sie und gab den Blick auf den Karton frei, in dem sich zahllose Paar Schuhe tummelten. „Das gibt warme Füße!“ Meinte sie und nahm das erste Parr heraus, zwei hochhackige schwarze und scheinbar während des Mülltransports durch die Müllpresse stark verformte Pumps, um damit das Feuer nachzulegen. Noch während die Flammen an dem Pumps züngelten, das Leder langsam eroberten und zerfraßen, sagte sie zu Laura „Na unsere Langschläferin ist ja nun auch auf, wie war Deine Nacht? Siehst ja heute schon besser aus als gestern, der Schleim hat da ganz gut gewirkt. Mal sehen was wir heute noch so mit dir vorhaben.“
Laura nickte etwas verlegen und überlegte, was wohl noch so alles passieren würde. Etwas unsicher nippte sie an ihrem Kaffee. „Schicken Pulli hast du da an“ meinte Janine zu ihr, als ihr Blick auf die offene Jacke gefallen war, unter der der beige Pullover mit den schwarzen Buchstaben vorlugte. Bis auch ein paar klebrige Ränder vom Schleim und ein paar Dreckflecken im Rücken vom Schlafen war der Pulli ja noch intakt. „Aber den willst du doch nicht so langweilig lassen, oder?“ Janine grinste und ließ sich erstmal, nachdem Elvira auch ihr einen Kaffee gereicht hatte, neben Tanja im Schlamm nieder, der prompt an ihrer Jacke hochspritzte und von dem auch Lauras Jacke einige Tropfen abbekam. Petra hatte in der Schuhkiste gekramt und ein paar braune Lederstiefel herausgeangelt, lange und interessiert hin- und her gewendet und dann ihr Messer in die Schuhspitze gerammt, das Leder langsam und mit einem knirschenden Geräusch bis zum Schaft aufgeschnitten. Dann trennte sie noch fein säuberlich die Sohle vom Rest des Schuhes ab und warf beides auf Lagerfeuer. Den zweiten Stiefel hing sie an einen alten Kaminhaken und hielt ihn über die Flammen, begeistert sahen alle Mädels zu, wie erst die Kunststoffsohle wegschmolz, dann das Leder sich bog und seine Farbe änderte und irgendwann Feuer fing. Langsam ließ Petra den Schuh tiefer ins Feuer sinken und ihn, als er bereits vollständig in Flammen stand, vom Haken in die Glut fallen. Man sah ihr an, dass sie großen Spaß daran hatte, die Schuhe so langsam wie möglich dem Feuer zu opfern, ihre Augen leuchteten im Widerschein der Flammen. Mit ihren rußgeschwärzten Fingern zog sie sich zwei Linien über die Wangen und stand zufrieden auf, um mit den anderen eine Erkundungsrunde über die Halde zu machen. Nach einigen Minuten wurde die Kaffeerunde aufgelöst, wie schon gestern Abend wurde alles stehen und liegen gelassen, die Becher würden schon irgendwie wieder sauber werden – und wenn nicht: auch nicht schlimm, was nicht umbringt härtet ab. Laura folgte den anderen, gespannt aber auch etwas ängstlich, was da so auf sie zukommen würde.
Fortsetzung ist fertig und folgt bald...
Wie dirty darf der Talk denn werden?
