11.11.11 - Martinsfeuer

Verbrennen, verschmoren und verkokeln.
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Gummireitstiefel
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Registriert: Mi 6. Apr 2011, 14:11

11.11.11 - Martinsfeuer

Beitrag von Gummireitstiefel »

Ich war am Freitag unterwegs um einzukaufen, daher war ich im bayrischen Raum unterwegs. Ich war in einer kleinen Gemeinde angekommen, die so als Gemeinde kaum zu erkennen war, es waren eigentlich nur Ansiedlungen einzelner Häuser und Höfe, es waren ca. 15 Teilorte, die mindestestens ein Kilometer voneinander entfernt waren, und ein zentraler Marktplatz mit einer Hand voll Geschäften und dem Rathaus. Dort ist mir ein großer "Scheiterhaufen" aufgefallen. Ich fragte dort in einem Geschäft zunächst nach dem Bauernhof den ich wegen meines Einkaufs aussuchen wollte. Ich war 12 km von ihm entfernt. Ich fragte auch nach dem Scheiterhaufen, das Dorf veranschaltet zu St. Martin ein Martinsfeuer, da es keine Laternenumzüge dort gibt. Zum Einen gibt es keine Schule am Ort, die Kinder gehen alle zu einer Schule im 12 km entfernten Nachbarort. Zum Anderen wohnen in jedem Weiler gerade einmal 8 Kinder, da hat sich das Dorf entschlossen ein jährliches Fest zu veranstalten. Ich entschloß mich erst Samstags wieder heimzufahren. Ich suchte nun den Bauernhof auf um mir das Pferd anzuschauen. Nach einer etwas zähren Verhandlung akzeptierte der Bauer meinen Preis für das Tier. Das Tier hat eben keine guten Papiere und wurde "nur" von zwei Mädels ausgebildet, deren Können leider weit unter des des Pferdes lag. Jedenfalls steckt in dieser Stute ein großes Potential bei entsprechender Ausbildung. Ich vereinbarte, daß ich es Samstags mitnehme. Die Tochter des Bauern fand es Schade, daß das Tier verkauft wurde, aber sie hat aber noch 3 weitere Pferde zum Reiten und dort stehen nun 2 Fohlen die mehr Platz brauchen. Nur das zweite Mädel das das Pferd geritten ist weinte, denn sie hat nun kein Pferd mehr, da die anderen Pferde andere Reitbeteiligungen haben und sie warten muß bis die Fohlen reitbar sind. OK ich fand es nicht gerade fair, daß sie erst am Freitag vom Verkauf erfahren hat, während ich bereits vor 2 Monaten mein Interesse an dem Pferd bekundet habe.

Es wurde am Nachmittag mit der Feier angefangen, es gab rund im den Haufen Holz Biertischgarnituren und es wurden Wein, Bier, Würste und Fleisch verkauft. Gegen 17 Uhr war des Platz schon gut besucht. Mir fiel auf, daß die Jugendlichen fast alle mit Rucksäcken kamen. Bei Einigen ragten die Schäfte von Gummistiefeln raus, während die Träger ihre Füße in Turnschuhen, die Meisten für die Altergruppe pflichtgemäßen Chucks. Gegen 20 Uhr wurde das Feuer entzündet. Gegen 22 Uhr versammelten sich die ersten Teenies vorm Feuern und stellten ihre Rucksäcke vor sich auf den Boden, danach holten sie ihre Gummistiefel raus, zogen ihre Chucks aus und warfen sie nacheinander ins Feuer und zogen sich die Gummistiefel an. Danach griffen die Leute in die Rucksäcke der anderen und holten einzelne Turnschuhe, Sandalen, Chucks raus und warfen sie möglichs weit ins Feuer, manche warfen die Chuck übers Feuer, die Teenies begutachteten dann den Schuh, probierten ihn teilweise an um ihn dann doch ins Feuer zu schmeißen.

Nun sah ich die Reitbeteiligung in Richtung Feuer laufen, als sie an mir vorbeikam sprach ich sie an und fragte sie was zu dabei hat. Sie zeigte mir ihren Rucksack in dem 2 Paar niedliche Girlie-Chucks drin waren und ihre Reitausrüstung. Sie sagte, daß sie erst in 4 Jahren wieder reiten könnte und sie deswegen lieber die Chance nutzt um das Zeug loszuwerden. Eine Plastiktüte mit Gummistiefeln vergaß sie bei mir und ging zum Feuer und entsorgte den Inhalt in der Glut. Andere warfen auch ihre kurzen Hosen wie Tights, Shorts und Miniröcke ins Feuer. Das Martinsfeuer besiegelt ja das Ende des Sommers und damit dort auch das Ende der Sommerklamotten. Sie kam zurück um die Gummistiefel anzuziehen, es waren Tretorn Waxholm in rot. Ich machte ihr die Gummistiefel aus Spaß madig, ich wollte, daß sie die Gummistiefel verbrennt, etwas was die Mädels erst beim Osterfeuer machen. Nach 15 Minuten sagte sie "nagut" und warf die Stiefel ungetragen und samt Preisanhänger ins Martinsfeuer. Gegen Mitternacht wollte sie gehen, ich machte sie darauf aufmerksam, daß sie wohl das einzige Mädel im Dorf sei die noch Chucks besäße. Sie mußte mir zustimmen, da Chucks als Schulsportschuhe nicht erlaubt sind und damit sie wohl tatsächlich die letzte Chucksbesitzerin ist. Sie hatte zunächst Bedenken barfuß heinzufahren, gab aber schließlich der Tradition nach und warf auch diese in die Glut. Das Feuer war schon aus, es war nur noch aus einem roten Meer aus Glut bestand.

Ich sah sie sie auf dem Rad barfuß wegfahren, da ihre Füße ganz schon verschwitzt waren müßte es auch ein wenig schmerzhaft gewesen sein die kalten Metallpedale mit den Zacken zu treten. Ich fuhr zurück zum Bauerhof und übernachtete in meinem Hänger. Gegen 6 Uhr stand ich auf, räumte mein Schlafsack auf und holte die Transportdecke, Gamaschen und meinen Halfter aus dem Kofferraum. Ich begab mich in den Stall um mein Neuerwerb zu verladen, so wie ich es mit dem Bauern abgesprochen habe. Nun öffnete ich die Tür zur Box und die Stute lag schlafend auf dem Stroh, direkt daneben lag das Mädel mit dem Kopf auf dem Hals des Pferdes liegend. Das Pferd wachte relativ schnell auf und stand auf und lief auf die Stallgasse. Sie achtete darauf nicht auf das Mädel zu treten. Ich legte ihr nacheinander Halfter, Gamaschen und Decke an und verlud sie im Hänger, gab ihr danach ein paar Leckerlies und verabschiedete mich noch vom Bauern. Nur bleibt noch zu hoffen, daß das Mädel nicht wirklich 4 Jahre auf die nächste Reitmöglichkeit warten muß.
Lisa
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Re: 11.11.11 - Martinsfeuer

Beitrag von Lisa »

Hi Leute,

ich bin zwar ein eingefleischtes Stadtgirl und wenn ich nicht mindestens ne Tram vor meiner Wohnung habe, dann kriege ich schon die Krise, aber ich gucke auch ab und zu mal ins Landleben rein und auch ich habe schon erfahren, dass die Leute dort teilweise echt sehr eigene Vorstellungen haben von Entsorgung. :o

Ich kenne einen Bauernhof, da steht noch ein alter mittlerweile stark "kompostierter" VW-Käfer und darin ebenfalls schon verblichene und total verschimmelte alte Klamotten. Da kümmert sich kein Umweltschutz drum.

Deshalb gehört es auch irgendwie zum Landleben, wenn dort "rituell" die einstmals geliebten Klamotten eingeäschert werden. :mrgreen: ;)

Geile Grüße Lisa
Mein Gesicht ist süß und lieb, aber ich kann gnadenlos und versaut sein wie 'ne dreckige Mülltonne!
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